„Das Cubtec-Konzept ist unsere Antwort auf kurzfristigere Modellzyklen, die steigende Modellvielfalt und vor allem auf die Herausforderungen der Elektromobilität", erklärt Schäfer.
Während die Karosserie-Einzelteile in einem traditionellen Rohbau durch verschiedene Verfahren, wie zum Beispiel Schweißen, in einer starren Fertigungslinie zusammengefügt werden, lassen sich laut Daimler bei Cubetec die einzelnen Stationen flexibel kombinieren und werden über ein fahrerloses Transportsystem (FTS) miteinander verbunden.
Durch die Flexibilität von Cubetec können unterschiedliche Derivate einer Baureihe gleichzeitig gefertigt werden. Heute sind hierfür mehrere spezifische Produktionslinien nötig. In der Anlage lassen sich somit sowohl Karosserien für herkömmliche Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor als auch für batterieelektrische Modelle produzieren, die aufgrund der Batterie eine angepasste Grundarchitektur benötigen.
Mercedes-Benz bringt bis 2022 mehr als zehn reine Elektro-Pkw auf den Markt. Die Modelle der Produkt- und Technologiemarke EQ werden in der Endmontage gemeinsam mit den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf einer Linie produziert. Mit Cubtec schafft Mercedes-Benz Cars die Voraussetzungen für die Umsetzung der Elektrooffensive auch im Rohbau, wie das Unternehmen in einer Pressemitteilung erklärte.
Vernetzung von Produktion, Entwicklung und Co.
In der Tecfabrik hat Mercedes-Benz die Bereiche Design, Entwicklung, Vertrieb, Einkauf und Produktion intelligent vernetzt. Durch die enge Verzahnung der Bereiche bereits im Anfangsstadium der Entwicklung, kann der Reifegrad der Produkte schon früh maßgeblich beeinflusst werden.
Andreas Friedrich, Leiter Technologiefabrik MBC Aufbauwerke, Mercedes-Benz Cars, erklärt: „Die Tecfabrik bildet den Kern der Technologieentwicklung für die Produktion von Mercedes-Benz. Wir entwickeln und bringen standardisierte Produktionstechnologien in unsere Werke weltweit. Genauso haben wir die End-to-End Verantwortung für die Digitalisierung über alle Bereiche. Wir verbinden Technologien, Innovationen und die Einzigartigkeit unserer Mitarbeiter und schaffen damit optimale Prozesse in der Automobilindustrie.“
So funktioniert das Cubetec-Konzept
Aktuell besteht der Rohbau bei Mercedes-Benz Cars im Wesentlichen aus hunderten von Schweiß- und Fügerobotern, die in einer festgelegten Reihenfolge nacheinander ihre Arbeit ausführen, bis die Rohkarosse fertiggestellt ist und in die Lackiererei geht.
Soll nun der Nachfolger einer Baureihe oder ein Derivat mit abweichenden Geometrien gefertigt werden, so muss gewöhnlich eine zweite Linie aufgebaut werden, die den spezifischen Anforderungen des Fahrzeugs gerecht wird. Beispielsweise werden andere Bauteile verbaut, damit sind andere Greifer notwendig.
Auch die Fügetechniken sind speziell auf diese Karosserie ausgelegt. Große Unterschiede gibt es bei Architekturen für Elektrofahrzeuge. Statt eines Motors und Getriebes benötigt ein Elektrofahrzeug eine große und relativ schwere Batterie, die crash-sicher in den Fahrzeugboden integriert werden muss.
Durch das Cubetec-Konzept wurde eine neue Möglichkeit entwickelt, Vorbau und Heckwagen im Rohbau flexibel zu fertigen, wie Daimler erklärt. Mithilfe von modularen Rohbauzellen entsteht eine vollflexible Anlage. Ausgangspunkt ist ein sogenannter Supermarkt.
Hier werden alle benötigten Teile für die verschiedenen Baureihen, ihre Derivate und Nachfolger zentral (und nicht mehr in unmittelbarer Nähe der Anlage) bereitgestellt. Diese werden über fahrerlose Transportsysteme (FTS) in einem ersten Schritt an sogenannte GEO-Stationen geliefert.
In den GEO-Stationen werden die einzelnen Teile des Vorbaus oder Heckwagens in die richtige Position gebracht und schließlich so fixiert, dass die entstehenden Module und Komponenten weiterverarbeitet werden können. Zum Einsatz kommen zwei unterschiedliche GEO-Stationen.
Eine Station mit verstellbaren „NC-Achsen“ hält die Einzelteile in der gewünschten Position, so dass sie durch Schweißroboter fixiert werden können. Damit ist es möglich, Bauteile unterschiedlicher Größe automatisch zu verarbeiten.
Eine voll-flexible GEO-Station nutzt das sogenannte Jigless-Verfahren: Mehrere Roboter arbeiten zusammen. Je nach Bauteil holen sie sich die erforderlichen Greifer und halten beziehungsweise drehen die Bauteile in eine optimale Fügeposition. Sind die Einzelteile schließlich in den GEO-Stationen fixiert worden, geht es über FTS weiter zu speziellen „Ausfüge-Cubes“, in denen schließlich die Feinarbeit – das Ausfügen – mit flexibler Anordnung der Fügetechnik durchgeführt werden kann.
Mit Material von Daimler
Die Vorteile von Cubetec
Durch zunehmende Flexibilität wird es möglich, Baureihen mit hoher Varianz in einer Rohbauanlage abzubilden. Mehrere parallele Fertigungslinien sind somit nicht länger notwendig, außer sie dienen der Volumensteigerung. Die Anordnung der Cubes wird an den vorgegebenen Gebäudeflächen orientiert und ist somit flexibler. Es entfallen starre und bodengebundene Geovorrichtungen.
Zudem besteht die Möglichkeit der Vollvernetzung der Cubes, um so die Vorteile von Big Data nutzen zu können. Die Logistik wird durch eine Teilebereitstellung 4.0 mit Supermarktkonzept und FTS optimiert. Um in der Karosserieproduktion auch die korrekte Reihenfolge der Fahrzeuge einzuhalten, wird eine Steuerung eingesetzt, die das Transportsystem, die Fertigungszellen und den Supermarkt verbindet. So kann visualisiert werden, in welchem Zustand sich die Anlage befindet und welches Modell in welcher Fertigungszelle bearbeitet wird.