Entwicklung 2021 bis 2025

Insolvenzen im Maschinenbau - Industrie unter Druck

Steigende Zinsen, Energiekosten und Auftragseinbrüche treffen eine der wichtigsten Industrien Deutschlands seit Jahren mit voller Wucht: Der Maschinenbau erlebt eine Insolvenzwelle – und steckt mitten im Strukturwandel.

Die Insolvenzen im deutschen Maschinenbau lassen so manches Unternehmen sprichwörtlich in die Röhre schauen.
Die Insolvenzen im deutschen Maschinenbau lassen so manches Unternehmen sprichwörtlich in die Röhre schauen.

Der deutsche Maschinen und Anlagenbau gilt als Rückgrat der Industrie: Laut dem Branchenverband VDMA beschäftigte er 2023 knapp eine Million Menschen und erwirtschaftete einen Umsatz von rund 245 Mrd. Euro. Der Sektor ist stark exportorientiert und liefert Schlüsseltechnologien für Automobilbau, Energie, Medizin- und Lebensmitteltechnik. Wie robust diese Industrie bleibt, hängt auch von der Insolvenzlage ab – denn sie bestimmt, ob Unternehmen restrukturiert und erhalten werden oder vom Markt verschwinden.

Was bedeutet Insolvenz im Maschinenbau?

Eine Insolvenz liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Die Geschäftsführung ist dann gesetzlich verpflichtet, binnen drei Wochen beim Amtsgericht Insolvenz anzumelden. Faktisch gilt: Für juristische Personen wie GmbH und AG gilt für die Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich eine Höchstfrist von drei Wochen. Für die Überschuldung besteht eine sechswöchige Frist für den Insolvenzantrag. Wird die Anmeldung verspätet gestellt, drohen persönliche Haftungsrisiken für die Geschäftsführung.

Im Maschinenbau ist eine Insolvenz besonders folgenreich: Er investiert in langfristige Projekte und erzeugt komplexe Güter, der Ausfall eines Zulieferers kann ganze Wertschöpfungsketten bremsen. Insolvenzen wirken oft über die Branche hinaus, beispielsweise auf Automobil- und Flugzeugbau oder die Energiewirtschaft. Gleichwohl sind Insolvenzverfahren auch Chancen zur Sanierung. Die deutsche Insolvenzordnung stellt unterschiedliche Instrumente bereit (siehe Kasten).

Regelinsolvenz vs. Eigenverwaltung – was ist der Unterschied?

Verfahren Kernpunkte
RegelinsolvenzEin Insolvenzantrag führt zur Eröffnung eines Regelverfahrens, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Das Amtsgericht bestellt einen Insolvenzverwalter, der die Kontrolle über das Unternehmen übernimmt, Vermögen sichert und verwertet. Die Geschäftsführung verliert die Verfügungsgewalt. Ziel kann die Sanierung durch Fortführung oder der Verkauf/Liquidation sein.
Insolvenz in EigenverwaltungHier bleibt die Geschäftsführung im Amt und führt das Unternehmen weiter. Ein vom Gericht bestellter Sachwalter überwacht die Einhaltung der Insolvenzanordnung und vertritt die Gläubigerinteressen. Die Eigenverwaltung soll eine zügige und eigenverantwortliche Sanierung ermöglichen, ist jedoch beratungsintensiv und an strenge Auflagen geknüpft.
SchutzschirmverfahrenDieses Verfahren (§270d InsO) richtet sich an Firmen, die noch nicht zahlungsunfähig sind, aber eine Insolvenz droht. Sie müssen ein testiertes Gutachten vorlegen, wonach eine Sanierung möglich erscheint. Das Management kann einen Sachwalter vorschlagen und hat drei Monate Zeit, einen Insolvenzplan zu erstellen. Währenddessen ist das Unternehmen vor Vollstreckungen geschützt und kann sich zielgerichtet restrukturieren.
StaRUG‑VerfahrenSeit Januar 2021 ermöglicht das StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs‑ und Restrukturierungsrahmen) außergerichtliche Restrukturierungen, wenn eine Krise absehbar ist, aber noch keine Insolvenz vorliegt. Es verpflichtet Geschäftsführer, Krisen früh zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das Verfahren erlaubt es, einzelne Gläubigergruppen auch gegen den Willen von Minderheiten an einem Restrukturierungsplan zu binden.

Überblick über die Insolvenzentwicklung im Maschinenbau 2021 – 2025

2021: Tiefststand der Fallzahlen, dennoch viele Maschinenbauer betroffen

Nach dem ersten Jahr der Covid-19 Pandemie war 2021 ein überraschend ruhiges Insolvenzjahr. Eine Studie des Restrukturierungsberaters Falkensteg stellte fest, dass sich die Zahl der großen Insolvenzverfahren (Umsatz >10 Mio. €) in Deutschland von 292 auf 152 nahezu halbierte. Der Rückgang wurde vor allem den Corona-Staatshilfen, KfW-Krediten und der zeitweisen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zugeschrieben. Trotz dieser Entspannung führten 29 der 152 großen Verfahren im Bereich Maschinen- und Anlagenbau statt, knapp vor der Automobilindustrie (28 Fälle). Lieferkettenprobleme, steigende Rohstoffpreise und die notwendige Transformation zu klimafreundlichen Technologien belasteten viele Betriebe. Diese Störungen reichten meist, um angeschlagene mittelständische Hersteller in die Insolvenz zu treiben.

Ein besonders prominentes Beispiel war Saurer Spinning Solutions. Das Unternehmen, führend in der Textilmaschinentechnik, beantragte im Juni 2021 ein Schutzschirmverfahren („Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung“). Management und Gericht setzten einen Sanierungsexperten als Generalbevollmächtigten und einen Sachwalter ein. Die Geschäftsführung behielt die Kontrolle und wollte die Finanzierung sichern; als Gründe nannte das Unternehmen pandemiebedingte Umsatzrückgänge und Belastungen durch Handelskonflikte.

2022: Zahl der Maschinenbau-Insolvenzen steigt deutlich

Im Jahr 2022 stieg die Zahl der großen Insolvenzverfahren in Deutschland wieder leicht auf 252. Der Maschinen- und Anlagenbau blieb weiterhin die Branche mit den meisten Insolvenzen: 53 große Unternehmen aus Maschinenbau, Anlagenbau und Metallverarbeitung meldeten Insolvenz an, ein leichter Rückgang zum Vorjahr (54). Allerdings nahm die Zahl der reinen Maschinenbauverfahren um mehr als 50 % zu. Ursachen waren der anhaltende Chipmangel, Lockdowns in China, stockende Lieferketten und explodierende Energiepreise. Hinzu kam, dass Staatshilfen ausliefen und KfW-Kredite zurückgezahlt werden mussten.

Trotz der schwierigen Lage gelangen manchen Firmen Sanierungen in Eigenverwaltung. So nutzte Saurer Spinning den Schutzschirm, um sich zu restrukturieren. Auch mehrere Zulieferer meldeten Regelinsolvenz an, darunter Gießerei und Komponentenhersteller, die von der schwachen Nachfrage im Automobilbereich betroffen waren.

2023: Trendwende – Insolvenzen steigen wieder

Die Rezession und hohe Inflation führten 2023 zu einem deutlichen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Ein Bericht auf Basis der Falkensteg-Analyse verzeichnete , dass die Anzahl der Großinsolvenzen im Maschinenbau im ersten Quartal 2023 auf sechs Verfahren stieg und damit über dem Niveau der Automobilzulieferer lag. Insgesamt wuchs die Zahl der Firmeninsolvenzen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 20 %, wobei die Energiekrise und steigende Finanzierungskosten wichtige Faktoren waren.

Die Energie und Rohstoffpreise erreichten 2023 neue Höchststände. Viele Maschinenbauer mussten Aufträge zu niedrigen Vorkrisenpreisen erfüllen, während die Materialkosten stark stiegen. Auch die Marktentwicklung blieb uneinheitlich; vor allem die Automobil- und Bauindustrie orderten weniger Anlagen, während Bereiche wie Medizintechnik und Halbleiterfertigung stabil blieben. Unternehmen, die während der Pandemie nur mit hohen KfW-Krediten überleben konnten, gerieten nun unter Druck, weil die Rückzahlung und steigende Zinsen fällig wurden.

2024: Krisenjahr mit deutlichem Anstieg – neue Fälle bekannt

Im ersten Halbjahr 2024 beschleunigte sich der Anstieg: Laut Falkensteg meldeten 14 Maschinen und Anlagenbauer mit einem Umsatz über 10 Mio. Euro Insolvenz an, was einem Zuwachs von 40 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Die Metallwarenbranche verzeichnete 16 Verfahren (+45 %). Bedeutende Fälle waren unter anderem:

Franken Guss GmbH & Co. KG: Der Eisenguss Spezialist stellte im Mai 2024 einen Antrag auf ein Schutzschirmverfahren. Die Geschäftsführung begründete dies mit drastischen Kostensteigerungen bei Material und Energie. Man habe Preiserhöhungen nur verzögert weitergeben können, was zu Liquiditätsproblemen führte. Ein Gericht genehmigte das Schutzschirmverfahren, in dem das Management unter Aufsicht eines Sachwalters die Restrukturierung erarbeitet.

Illig Maschinenbau GmbH & Co. KG: Der Verpackungsmaschinenhersteller beantragte im April 2024 eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Nach hohen Verlusten in der Pandemie und konjunktureller Schwäche suchte das Unternehmen per Sanierungsverfahren die Fortführung, unterstützt von einem Sachwalter. Das Unternehmen begründete den Schritt mit hohen Energie- und Materialpreisen, steigenden Zinsen und Investitionszurückhaltung.

Deubis Gruppe (Betonmischanlagen), Global Retool Group und Kurt Erxleben (Automobilzulieferer) meldeten ebenfalls Insolvenzen an. Im Fall der Global Retool Group mussten Teile des Unternehmens geschlossen werden, während die Tochter SVQ GmbH in Eigenverwaltung fortgeführt und anschließend verkauft wurde.

Im Jahr 2024 konnte die steigende Zahl an Verfahren nicht mehr durch Rettungsmaßnahmen kompensiert werden: Die Zahl der erfolgreichen Sanierungslösungen (Asset Deals oder Insolvenzpläne) sank laut Falkensteg von 15 auf nur zehn, während fünf Unternehmen geschlossen wurdenproduktion.de. Ursachen waren laut Branchenexperten die anhaltend hohe Inflation, hohe Energiepreise, Zinsen und die Investitionszurückhaltung der Kundenproduktion.de. Viele Maschinenbauer lebten von hohen Auftragsbeständen und Kurzarbeit, konnten aber neue Aufträge nicht mehr zu wirtschaftlichen Bedingungen abschließen.

2025: Erste Quartalszahlen und Ausblick

Laut Falkensteg blieb die Zahl der Großinsolvenzen im Maschinenbau im ersten Quartal 2025 bei fünf Verfahren auf dem Niveau des Vorjahresquartals. Insgesamt stiegen die Insolvenzen 2024 um 33 % auf 32 Fälle. Besonders dramatisch war das vierte Quartal 2024, in dem zwölf Maschinenbauer und 24 Metallwarenhersteller Insolvenz anmeldeten. Die Analysten gehen von einem weiteren Anstieg um rund 20 % im Gesamtjahr 2025 aus und warnen, dass der deutsche Maschinenbau im Jahr 2024 bereits 5,7 % weniger produziert hat und auch 2025 nochmals um 0,6 % schrumpfen könnte. Global hingegen wird eine Produktionserhöhung von 3,6 % erwartet, wodurch deutsche Unternehmen zusätzlichen Wettbewerbsdruck verspüren. Obwohl die Insolvenzen 2025 noch nicht explodierten, drohen größere Risiken: hohe Personalkosten, zunehmender Protektionismus, geopolitische Unsicherheiten und die Digitalisierung von Geschäftsmodellen. Branchenexperten empfehlen proaktives Liquiditätsmanagement, Szenario Planung und frühzeitige Gespräche mit Banken und Kunden, um krisenfest zu bleiben.

Wichtige gesetzliche Regelungen für Unternehmens-Insolvenzen

Insolvenzordnung (InsO): zentraler Rechtsrahmen für Unternehmens- und Privatinsolvenzen. Sie definiert Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, drohende Zahlungsunfähigkeit), Pflichten der Geschäftsleitung und die Rechte der Gläubiger.

§15a InsO: verpflichtet die Geschäftsführung einer GmbH oder AG bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, spätestens innerhalb von drei Wochen (bei Überschuldung innerhalb von sechs Wochen) Insolvenzantrag zu stellen. Unterlassung führt zu Haftung und strafrechtlichen Konsequenzen.

Eigenverwaltung (§270 ff. InsO): ermöglicht dem Schuldner, unter Aufsicht eines Sachwalters die Sanierung selbst zu steuern.

Schutzschirmverfahren (§270d InsO): ein Sonderverfahren zur Vorbereitung einer Eigenverwaltung. Erfordert eine positive Fortführungsprognose und wird innerhalb von drei Monaten mit einem Insolvenzplan abgeschlossen.

StaRUG (Stabilisierungs und Restrukturierungsrahmen): gesetzlicher Rahmen für frühzeitige Restrukturierungen außerhalb der Insolvenz. Es verpflichtet das Management, Krisen frühzeitig zu erkennen und zu melden; es ermöglicht es, Gläubiger an einem Restrukturierungsplan zu beteiligen und Vollstreckungsmaßnahmen vorübergehend zu stoppen.

Die vergangenen Jahre zeigen: Insolvenzen im Maschinenbau werden stark durch externe Schocks beeinflusst. Nach einem Rückgang der Verfahren 2021 folgte eine deutliche Zunahme ab 2022. 2024 stieg die Zahl der Großinsolvenzen um ein Drittel auf 32, und 2025 droht ein weiterer Anstieg. Verantwortlich sind Kostensteigerungen, Nachfrageeinbrüche und die Rückführung von Staatshilfen. Gleichzeitig eröffnet das deutsche Insolvenzrecht Unternehmen frühzeitige Sanierungsoptionen wie Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren und das StaRUG. Unternehmen sollten diese Instrumente kennen und rechtzeitig nutzen, um ihre Zukunft zu sichern.

FAQ zu Insolvenzen im Maschinenbau

Warum steigen die Insolvenzen im Maschinenbau ab 2023 so stark?

Die Pandemie ließ Auftragsbestände wachsen und Staatshilfen stabilisierten viele Firmen. Seit 2023 belasten jedoch hohe Energie- und Materialpreise, steigende Zinsen und die Rückzahlung staatlicher Hilfskredite die Liquidität. Gleichzeitig brechen Aufträge in wichtigen Abnehmerbranchen wie der Automobilindustrie weg. Diese Gemengelage führt zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen im Maschinenbau.

Wie können Unternehmen eine Insolvenz vermeiden?

Experten raten zu frühzeitiger Liquiditätsplanung, Szenario-Analysen und striktem Working Capital Management. Wer eine Krise früh erkennt, hat mit Instrumenten wie der Eigenverwaltung, dem Schutzschirmverfahren oder dem StaRUG die Chance zur geordneten Sanierung, ohne den Geschäftsbetrieb zu verlieren.

Wer entscheidet über die Art des Verfahrens (Regelinsolvenz oder Eigenverwaltung)?

Grundsätzlich stellt der Unternehmer den Antrag; das Insolvenzgericht prüft die Voraussetzungen und bestimmt, ob Eigenverwaltung möglich ist. Für das Schutzschirmverfahren muss ein anerkanntes Gutachten belegen, dass eine Sanierung Aussicht auf Erfolg hat.

Wie lange dauert ein Schutzschirmverfahren?

Es ist auf maximal drei Monate angelegt. Innerhalb dieser Zeit muss der Schuldner einen Insolvenzplan erarbeiten und den Gläubigern vorstellen. Gelingt dies nicht, wird das Verfahren in eine „normale“ Insolvenz überführt.

Welche Bedeutung hat der Maschinenbau für Deutschland?

Der Maschinen- und Anlagenbau ist die größte industrielle Arbeitgeberbranche in Deutschland. Er ist stark mittelständisch geprägt, exportiert rund 80 % seiner Produkte und gilt als Innovationsmotor. Insolvenzen in diesem Sektor beeinflussen daher nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Wertschöpfungsketten und regionale Arbeitsmärkte.

Wird 2025 eine Insolvenzwelle erwartet?

Laut Falkensteg könnten die Insolvenzen im Maschinenbau 2025 um rund 20 % steigen, vor allem wenn die Produktion weiter sinkt und die Kostenbelastung hoch bleibt. Ob eine Insolvenzwelle entsteht, hängt von weltwirtschaftlichen Entwicklungen, Energiepreisen und der Zahlungsbereitschaft der Kunden ab. Eine Welle wie nach der Finanzkrise 2008 ist derzeit jedoch nicht abzusehen.

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