So stellt sich Kellenberger stategisch krisenfest auf
Wie will sich Kellenberger als Global Player im Maschinenbau positionieren? Der CEO erläutert die Zukunftsstrategie und neue Technologien im Interview.
Carsten Liske ist CEO Kellenberger und erläutert im Interview wie sich der Schweizer Präzisionsspezialist mit dem Programm „One Kellenberger“ und neuen Hightech-Zentren weltweit strategisch neu aufstellt.
Kellenberger
Herr
Liske, Sie sind jetzt seit gut 100 Tagen CEO des Schweizer Technologiekonzerns
Kellenberger und verantworten in dieser Position alle strategischen
Entscheidungen weltweit. Wie sehen Sie das Unternehmen in der
Zukunft platziert?
Carsten Liske: Meine
Aufgabe als CEO sehe ich darin, unsere Strategie im täglichen Geschäft mit
Leben zu füllen und unter anderem die Einbindung und Ausweitung neuer
Technologien voranzutreiben. Mit
dem Transformationsprogramm 'One Kellenberger' haben wir für alle Standorte
weltweit die Strategie für eine erfolgreiche Zukunft festgelegt. Wir sind ein
Global Player und müssen als solcher handeln. Unsere Regional Presidents kennen
ihre jeweiligen Märkte sehr genau und können die Zielsetzung dort passgenau
umsetzen. All diese Verantwortlichen bilden unser Global Leadership Team.
Wir
führen weiter, was in den letzten Jahren unter anderem mit den
Technologien Drehen und Fräsen und auch mit dem Bau des neuen Unternehmenshauptsitzes
hier in Goldach begonnen wurde. Mit
der Platzierung von mir und unserem CFO Norbert Finger in Goldach wird der
Standort Schweiz als Unternehmenshauptsitz betont.
In dem Neubau in Goldach,
den wir vor zwei Jahren bezogen haben, findet die Fertigung unserer europäischen
Premiumprodukte statt. Schon beim Bau wurde genügend Produktionsfläche
eingeplant, um zukünftiges Wachstum zu ermöglichen. Das werden wir jetzt fortlaufend
tun. Unsere Vision für Europa lautet im Hinblick auf unsere Premiumprodukte "Von Goldach in die Welt".
Die
Weltlage mit vielen Kriegen und Krisen ist im Augenblick nicht ganz einfach.
Und gerade die wichtigen Branchen Automotive und Maschinenbau schwächeln
weltweit. Inwieweit ist trotzdem Optimismus gerechtfertigt?
Liske: Natürlich beeinflussen geopolitische
Umbrüche den Welthandel, führen zu Störungen in den Lieferketten und beeinträchtigen
die Stabilität von Märkten. Auch die Zollpolitik des amerikanischen Präsidenten
ist nicht gerade hilfreich.
Wir ziehen unsere Stärke aus unserer
Position als Global Player. Aufbauend auf unserer über hundertjährigen
Geschichte, gehört Kellenberger heute zu den erfolgreichsten
Maschinenbauern im Präzisionsbereich. Wir sind seit Jahrzehnten in Europa, Nordamerika und China mit großen Produktionsstandorten präsent,
die im täglichen Geschäft unabhängig voneinander agieren und auch eigene
Produktreihen entwickeln, die an die jeweiligen Märkte angepasst sind. Damit
lässt sich die eine oder andere Unebenheit in einzelnen Märkten kompensieren.
In
China sind wir bereits seit über 30 Jahren als Hersteller präsent und unser Team baut vor Ort heute Maschinen, die speziell für den
chinesischen Markt und seine Anforderungen entwickelt werden. Wir haben dort in
wichtigen Zukunftsbranchen wie beispielsweise der Medizintechnik bereits viele Kunden,
die auf die hohe Präzision unserer Maschinen setzen. Besonders in Fällen, in
denen es um die Bearbeitung von hochkomplexen Teilen geht, wie zum Beispiel spielfreie
Planetengetriebe, die in die Gelenke von humanoiden Robotern eingesetzt werden,
damit diese in ihren Bewegungsabläufen den menschlichen möglichst nahekommen.
Diese Roboter werden zukünftig in der Pflege in Krankenhäusern oder in der
Betreuung von alten Menschen eine große Rolle spielen.
Auch
auf dem amerikanischen Markt haben wir uns auf die dortigen besonderen
Kundenbedürfnisse eingestellt. So haben wir jahrzehntelang mit unseren modular
aufgebauten Usach-Maschinen den Markt für Sonderlösungen zum Beispiel in der Luftfahrt
und im Halbleitergeschäft bedient. Der US-amerikanische Markt ist insbesondere im
Bereich Luft- und Raumfahrt ein wachsender Zukunftsmarkt. Die Kellenberger
U-Maschinen bieten für Flugzeughersteller und -betreiber maßgeschneiderte
Lösungen.
Doch
genauso wichtig ist es für uns, immer wieder neue Märkte und Segmente zu erschließen.
Wir sehen aktuell in der ROW-Region, also den asiatischen Ländern außerhalb von
China, großes Wachstumspotential. Vor allem Indien und Südostasien werden wir
verstärkt bearbeiten. In Kuala Lumpur, Malaysia, werden wir deshalb ein 'Regional
Headoffice Sales, Service, and Application' einrichten,
das auch unseren Standort in Bangalore, Indien, führt. Wir beobachten, dass der
Wettbewerb sich aus diesen Regionen zurückzieht. Ich sehe das als verschenkte
Chance auf Wachstum an.
Podcast: So gelingt der Einstieg in neue Märkte und Branchen
Vincenzo Monaco (Rockwell Automation) über digitale Zwillinge und Markterschließung
Die
Branche entlässt gerade in großem Maßstab Fachkräfte. Wie sieht es bei
Kellenberger in dieser Hinsicht aus?
Liske: Kellenberger
hat sich schon vor Jahren in einen weitreichenden Innovationsmodus begeben und
dabei eine neue Maschinenphilosophie auf den Weg gebracht. Von einem
baureihenbezogenen Maschinenaufbau sind wir auf einen modularen übergegangen,
der eine Vielzahl an technisch überzeugenden Konfigurationen und damit einen
sehr kundenbezogenen Ansatz erlaubt. Im aktuellen
Jahr können wir daher im Vergleich im Werkzeugmaschinenbereich ein klar
überdurchschnittliches Wachstum ausweisen und gewinnen in allen Regionen
Marktanteile.
Ebenfalls zahlt sich aus, dass wir über die letzten Jahre unser
Portfolio sinnvoll erweitert haben und neben dem Schleifen auch verstärkt die Technologien
Drehen und Fräsen integriert haben. Auch die hochpräzisen Kellenberger Super
Precision-Maschinen für die Hartdrehbearbeitung im Premium-Segment werden zukünftig
in der Schweiz gebaut, wobei die kundenspezifischen Turnkey-Projekte mit den
Kunden in den jeweiligen Regionen realisiert werden.
Für unsere Kunden bedeutet das in
Zukunft, dass sie jede Bearbeitungstechnologie, die sie in ihrer Fertigung
brauchen, in Premium-Qualität aus unserem Hause bekommen können. Dass wir sehr
erfolgreich in der Breite sind, zeigt sich auch in den Zahlen. Der Zuwachs bei
den Maschinenverkäufen führt dazu, dass wir entgegen dem Markttrend gezielt
einstellen. Vor allem Mechatroniker und Applikationsspezialisten in den
Bereichen Schleifen, Drehen und Automation, aber auch qualifiziertes Servicepersonal
finden bei uns interessante Aufgaben. Und das weltweit.
Wir
profitieren davon, dass manche Wettbewerber gerade intensiv mit sich selbst
beschäftigt sind und manche Unternehmen sogar den Service verstärkt auslagern. Das
ist natürlich auf lange Sicht fatal und ein falsches Signal an die Kunden. Kundennähe
ist für uns immens wichtig, auch und gerade beim Service, der immer da präsent
sein muss, wo unsere Kunden sind. Wie überall, setzen wir auch in diesem
Bereich konsequent auf Kundenorientierung. Das bedeutet, dass wir mit lokalem
Servicepersonal in allen Regionen präsent sind, um eine schnelle Bearbeitung
von Serviceanliegen zu gewährleisten und dem Kunden in seiner eigenen Welt auf
Augenhöhe begegnen zu können. Außerdem finden unsere Kunden auf unserer Online-Serviceplattform
Unterstützung in allen Bereichen von Serviceterminen über Wartungsverträge oder
Ersatzteilbestellungen bis zu Softwareaktualisierung.
Das Kellenberger Programm war
bisher in Marken aufgeteilt, zu denen unter anderem die bekannten Namen Voumard
und Hauser gehörten. Die sollen nun wegfallen. Ist das nicht verwirrend für die
Kunden, zumindest für die im Bestand?
Liske: Wir
wissen natürlich um die große Bedeutung der Marken in unserem Portfolio.
Voumard zum Beispiel gehörte ja zu den Vorreitern in der Technologie Innenschleifen und
das Unternehmen war über Jahrzehnte marktführend in Europa, wenn nicht sogar in
der Welt. Und auch heute setzt die Präzision dieser Maschinen Maßstäbe. Damit
das so bleibt, haben wir die Voumard-Maschinen in den letzten Jahren nicht nur kontinuierlich
weiterentwickelt, sondern neu konstruiert und heute sind diese Maschinen eben
Kellenberger VM-Maschinen. Das gleiche gilt für die Hauser-Maschinen im Bereich
Koordinatenschleifen, die in Zukunft unter Kellenberger H-Baureihe geführt
werden. Wir verwenden den ursprünglichen Markennamen als Kürzel, unter anderem,
um die jeweilige Technologie zu markieren. Kellenberger-Maschinen, die für die
Technologie Aussenschleifen stehen, heißen nun folgerichtig Kellenberger
K-Maschinen
Aber
natürlich gibt es am Markt bereits tausende unserer Maschinen, die noch die
alte Bezeichnung tragen. Deshalb möchte ich noch einen Bereich erwähnen, der
für uns großes Wachstumspotential bietet und den wir uns gerade verstärkt
erschließen – den Bereich Retrofit. Allein von den Voumard-Maschinen gibt es am
Markt tausende Maschinen, von denen viele inzwischen in die Jahre gekommen
sind, sodass sie ein Refurbishment oder sogar einen kompletten Retrofit
brauchen, um weiterhin beste Ergebnisse zu liefern. Diese Überholung lohnt sich
in jedem Fall, denn dann liefern diese Maschinen wieder höchste Präzision und
Wettbewerbsfähigkeit.
Quelle: Kellenberger