
Rund jedes vierte Maschinenbau-Unternehmen plant den Abbau von Produktions- und Leistungskapazitäten. (Bild: arborpulchra - stock.adobe.com)
Ein Viertel (26 Prozent) der Maschinen- und Anlagenbauer befindet sich aktuell in einer Restrukturierung, ein weiteres Viertel (24 Prozent) plant dies kurz bis mittelfristig. Dabei sind die geplanten Veränderungen umfangreich: 58 Prozent wollen ihr Geschäft strategisch neu ausrichten, jeweils 42 Prozent wollen Standorte verlagern und Personal abbauen und jeder Vierte plant den Abbau von Produktions- und Leistungskapazitäten. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Marktforschungsinstituts Verian (zuvor: Kantar Public) im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch.
- 43 Prozent erwarten signifikanten Umsatzverlust aufgrund von Kunden-Insolvenzen
- Standortfaktoren werden negativ bewertet
- Bis 2030 verlieren 28 Prozent der Befragten mehr als 20 % ihrer Beschäftigten

Bei denjenigen, die bereits die Restrukturierung begonnen haben, bauen bereits 31 Prozent Personal ab und 23 Prozent verringern ihre Produktionskapazitäten. Erst acht Prozent haben aktiv mit der Standortverlagerung begonnen. Die Gründe dafür sind klar: Neben dem Arbeits- und Fachkräftemangel sehen 70 Prozent geopolitische Instabilität als größte Herausforderung für ihre Branche. Im Vergleich zu allen anderen Industriezweigen (Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Konsumgüter) liegt geopolitische Instabilität nur auf dem sechsten Platz.
„Diese Daten zeigen nicht nur die Stimmung auf, sondern belegen, welche konkreten Pläne die befragten Unternehmen verfolgen und wo sie bereits handeln“, sagt Karsten Schulze, Vorstand bei FTI-Andersch, der auf Restrukturierung, Business Transformation und Transaktionen spezialisierten Beratungseinheit von FTI Consulting in Deutschland. „Sie unterstreichen die deutlich gesunkene Attraktivität des Standorts Deutschland und zeigen zugleich auf, dass das bisherige Export-orientierte Wirtschaftsmodell an seine Grenzen gestoßen ist. Zwar sind es nach wie vor Minderheiten, die Stellen streichen, Verlagerungen planen und Kapazitäten aus dem Markt nehmen. Diese Minderheiten sind aber so signifikant groß, dass sie erhebliche Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft und ihre darin tätigen Akteure haben werden.“

Unternehmen stellen sich auf Insolvenzen in Deutschland ein
40 Prozent der befragten Unternehmen stellen fest: In ihrer Branche gibt es (deutlich) mehr Insolvenzen. 14 Prozent erwarten sogar eine 'Insolvenzwelle'. 43 Prozent rechnen mit einem signifikanten Umsatzverlust durch insolventer Kunden, 29 Prozent erwarten den Zusammenbruch von Lieferketten. Darum wollen vier von fünf (80 Prozent) der befragten Maschinen- und Anlagenbauer neue Märkte erschließen, 58 Prozent wollen die Kundenbasis außerhalb der jetzigen Zielbranchen ausweiten.
„Wäre die geopolitische Lage nicht so unsicher, hätten voraussichtlich bereits mehr Maschinen- und Anlagenbauer mit den Verlagerungen begonnen“, sagt Karsten Schulze. „Viele haben jedoch vor Augen, dass die Lage komplex sein könnte und sie trotzdem handeln müssen. Ist einmal die Entscheidung zur konkreten Planung von Verlagerungen getroffen, haben diese eine hohe Chance auf Umsetzung. Und sobald die Verlagerung erfolgt ist, werden die jeweiligen Kapazitäten auf Jahre nicht wieder zurückkommen, da sich diese Investitionen zunächst einmal amortisieren müssen. Es ist zudem fraglich, ob die Attraktivität des Standorts in einigen Jahren wieder besser ist.“
Standort Deutschland benötigt neue Rahmenbedingungen
Denn als Herausforderungen für ihr Geschäft nennen die Maschinen- und Anlagenbauer vor allem Punkte, die auf Standortpolitik zurückzuführen sind: Arbeits- und Fachkräftemangel (70 Prozent), Bürokratie (68 Prozent), Energiepreise (64 Prozent) und allgemeine Faktoren für Wettbewerbsfähigkeit wie Infrastruktur (58 Prozent). Bis 2030 verlieren 28 Prozent der Befragten mehr als 20 Prozent ihrer Beschäftigten. Jeder vierte (27 Prozent) Maschinen- und Anlagenbauer gibt an, voraussichtlich weniger als die Hälfte der pensionierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ersetzen zu können.
„Dass die Unternehmen jetzt teils so radikal agieren, ist aus betrieblicher Sicht nachvollziehbar und absolut notwendig“, sagt Karsten Schulze. „Dabei darf man nicht vergessen, dass gerade der Maschinen- und Anlagenbauer mittelständisch und familiär geprägt ist und dementsprechend eine hohe persönliche Bindung an den Standort Deutschland hat. Umso aussagekräftiger ist es, wenn auch diese Branche in solchen hohen Maßen heute erwartet, an anderen Standorten erfolgreicher zu sein.“
Karsten Schulze: „Unternehmer und Management müssen ihre Entscheidungen ausschließlich nach dem Wohl des eigenen Unternehmens und seiner Stakeholder ausrichten. Wir hören von Unternehmen zugleich immer wieder, dass sie aufgrund ihrer Wurzeln dem Standort treu bleiben möchten. Dazu müsse die Politik jetzt aber rasch einen neuen Rahmen setzen, um Deutschland wieder attraktiv für Investitionen zu machen. Sonst werden wir bei den nächsten Befragungen nicht mehr eine Minderheit, sondern eine Mehrheit sehen, die abbaut, verlagert und individuell schrumpft, um ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.“
FTI-Andersch