Hände, die Elektroschrott halten

Nicht nur Einzelpersonen, auch Unternehmen produzieren viel Elektroschrott. - (Bild: Sergey - stock.adobe.com)

In Deutschland häuft sich der Elektroschrott: 853.125 Tonnen E-Abfall produzierte das Land 2018. Ein Jahr darauf waren es schon 947.100 Tonnen. Zusammen mit Frankreich verzeichnet die Bundesrepublik das höchste Altgeräte-Aufkommen in der EU.

Um den E-Schrott zu reduzieren, gibt es auf Bundes- aber auch auf EU-Ebene verschiedene Regelungen. Ein Beispiel: Elektrogeräte müssen seit dem 1. März 2021 leichter repariert werden können. In einer Mitteilung schreibt das Bundesministerium für Umwelt: „Die Hersteller müssen demnach künftig Ersatzteile über einen bestimmten Zeitraum vorhalten und die betreffenden Produkte so gestalten, dass Komponenten mit herkömmlichen Werkzeugen zerstörungsfrei auseinandergebaut werden können. Auch müssen Reparaturinformationen mitgeliefert werden. Das Ziel der neuen Regelungen im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie ist es, dass Produkte eine längere Lebensdauer haben.“

Sich häufender Elektroschrott stellt also nicht nur in Deutschland ein Problem dar. Das belegt auch der ‚The Global E-waste Monitor 2020‘ der United Nations University:

Die Grafik zeigt eindeutig: Weltweit wird immer mehr Elektroschrott produziert.
Die Grafik zeigt eindeutig: Weltweit wird immer mehr Elektroschrott produziert. - Grafik: Rita Schmidt; Quelle: Statista

Siemens setzt auf professionelles Refurbishment

Nicht nur der Privatverbraucher ist dazu angehalten möglichst wenig E-Schrott zu produzieren, auch Unternehmen stehen vor dieser Herausforderung. PRODUKTION hat mit Siemens, Audi und SAP über ihren Umgang mit Elektroschrott gesprochen.

Siemens nutzt seine PCs und Laptops im Durchschnitt 4,5 Jahre lang. Das teilte das Unternehmen auf Nachfrage von PRODUKTION mit. Smartphones und Tablets hätten eine minimal kürzere Nutzungsdauer und würden vier Jahre lang genutzt werden.

Die Menge an Elektroschrott, die das Unternehmen produziere, sei dabei nur bedingt zu ermitteln. Das liege daran, dass die meisten Geräte am Ende ihrer Nutzung „durch professionelles Refurbishment eine Verlängerung Ihrer Nutzung erfahren“, so Siemens. Die Geräte konnten daher in der Vergangenheit „teilweise um die gleiche Zeitspanne, wie bereits bei uns zuvor im Konzern“ genutzt werden.

Die Gründe für die Aussortierung eines Gerätes seien meist auf eine mangelnde Performance und Leistung zurückzuführen. Auch wegen Verlust von Batterieleistung werden bei Siemens Geräte aus dem Verkehr gezogen. Ausgemusterte IT-Komponenten würden über professionelle Refurbisher einer Wiederverwertung zugeführt werden, so das Unternehmen.

Nach Vernichtung der Daten und einer Aufbereitung des Gerätes werde dieses über eigene Webshops an Endverbraucher oder eigene Mitarbeiter weitergegeben. In den vergangenen Monaten habe Siemens zudem 500 Geräte an karitative Einrichtungen und finanziell benachteiligte Familien gegeben.

Im Jahr 2020 hat Siemens rund 62 Tonnen IT-Geräte, die an deutschen Standorten im Einsatz waren, dem Refurbishment zugeführt. Davon konnten 77 Prozent „durch Datenvernichtung, Hardware-, Test, Ersatzteilbeschaffung, Reparatur, Aufrüstung und Reinigung“ wieder vermarktet werden. Der Wiederverwertungsanteil an der Gesamtabfallmenge (Recyclingquote) liegt laut Siemens bei 93 Prozent.

Interne Weiternutzung der E-Geräte bei SAP

Bei SAP fallen seit 2016 durchschnittlich circa 153 Tonnen E-Abfall an, wie das Unternehmen gegenüber PRODUKTION mitteilt. Laptops und Mobiltelefone nutze SAP dabei drei Jahren, Monitore und andere Hardware circa drei bis fünf Jahre. Die Gründe für das Ausscheiden eines Gerätes seien vielfältig: So könne ein Defekt, „dessen Reparatur betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist“ dazu führen, dass ein Gerät aussortiert wird. Ebenso würden Geräte aussortiert werden, die aus der Garantie oder abgeschrieben sind. Auch Geräte mit Sicherheitslücken oder jene, die „den technischen Voraussetzungen nicht mehr genügen, beziehungsweise die Performance der Geräte ein gutes Arbeiten erschwert“, würden ausgelesen.

Aussortierte Geräte versuche das Unternehmen weiterhin intern zu nutzen, zum Beispiel als Ersatzgeräte bei einer Reparatur, als Leihgerät oder zur Wiederausgabe. Das Unternehmen biete in einigen Ländern auch ein sogenanntes Re-Use-Tool an, über das Mitarbeitende gebrauchte Geräte, wie Bildschirme, Laptops und Mobiltelefone bestellen können. Geräte, die nicht weiterverwendet werden können, würden verkauft oder fachgerecht entsorgt.

Die Entsorgung beschreibt SAP wie folgt: „Wir arbeiten eng mit Drittanbietern, um veraltete und defekte Geräte gemäß der Abfallhierarchie (KrWG §6) möglichst nachhaltig am Ende ihres Lebenszyklus‘ zu verwerten.“ Weiter fährt das Unternehmen fort: „Geräte, die noch in Takt sind und/oder repariert werden können, werden von unseren Drittanbietern geprüft, wiederaufbereitet und weiterverkauft. Unseren Geräten ein ‚zweites Leben‘ zu ermöglichen, ist für uns die erstrebenswerteste Form im Rahmen der End-of-Life-Betrachtung.“ Geräte, die man nicht mehr reparieren könne, verwerte das Unternehmen durch mechanisches Recycling, thermische Verwertung oder über die Mülldeponie.

Recycling-Tage zur Sensibilisierung der Mitarbeiter

Darüber hinaus leite SAP weitere Maßnahmen ein, um den Elektroschrott künftig zu reduzieren. „Mit über 100.000 MitarbeiterInnen weltweit streben wir danach unseren ökologischen Fußabdruck kontinuierlich zu verringern – insbesondere auch im E-Waste-Bereich. So haben wir in der Vergangenheit Recycling-Tage veranstaltet, um mehr Aufmerksamkeit für das Thema bei den Mitarbeitern zu erreichen, den vorhandenen E-Waste einzusammeln und einer fachgerechten Verarbeitung zukommen zu lassen und mit der Sammlung einen Beitrag für die Umwelt im doppelten Sinne zu leisten (einsammeln und Recycling + das Pflanzen von Bäumen pro Tonne)“, äußert sich das Unternehmen in einer Stellungnahme gegenüber PRODUKTION.

Aktuell arbeite der Konzern zusammen mit seinen Verwertungspartnern an einem neuen Remarketing-/E-Waste-Reporting Framework, um seine Datenbasis und das Reporting weiterzuentwickeln. „Auf Basis des verbesserten Reportings, können wir künftig Reduktionsziele setzen bzw. gemeinsam mit unseren Service Providern an nachhaltigen End-of-Life-Maßnahmen für unsere Geräte arbeiten“, so der Softwarekonzern.

Audi sieht sich nicht als Abfallerzeuger

Audi führe gebrauchte Notebooks, Bildschirme und andere Elektronikgeräte in der Regel über Sekundärmärkte einer weiteren Nutzung zu, so der Automobilhersteller gegenüber PRODUKTION. Somit sehe sich der Autobauer in Verbindung mit elektronischen Geräten nicht als Abfallerzeuger für Elektroschrott. Ähnlich verhalte es sich „bei gebrauchten Anlagenteilen, wie etwa Robotern und Produktionsmaschinen, die meist als Gebrauchtgeräte zur Weiternutzung veräußert werden“, so Audi.

Elektroschrotte würden daher nur einen sehr geringen Anteil von deutlich unter einem Prozent des Gesamtabfallaufkommens an den Standorten ausmachen. Seine Prioritäten setze das Unternehmen im Moment auf das Projekt „Mission:Zero“, indem es allgemein darum geht, „Abfälle so weit möglich zu vermeiden, zu reduzieren und einem nachhaltigen Recycling zuzuführen.“  

Impfung gegen Corona: So plant die Industrie

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(Bild: Wolfilser - stock.adobe.com)

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Christian Eckert ist Leiter der Abteilung Umweltschutzpolitik des ZVEI.
Christian Eckert ist Leiter der Abteilung Umweltschutzpolitik des ZVEI. - Bild. ZVEI

Siemens, SAP und Audi verfolgen eine klare Strategie im Umgang mit den Altgeräten. Der Recyclingprozess des Elektroschrotts und die Bemühungen um eine Kreislaufwirtschaft bergen jedoch auch einige Hürden. Christian Eckert, Leiter der Abteilung Umweltschutzpolitik des Zentralverbands der Elektrotechnischen Industrie (ZVEI), kennt die Herausforderungen im Umgang mit dem E-Abfall.

Das Recycling der Altgeräte gestalte sich nicht immer einfach, erklärt Eckert im Interview mit PRODUKTION. Je nach Komponente könne es zu einer echten Herausforderung werden. „Am einfachsten lässt sich Metall wiederverwenden. Das wird einfach eingeschmolzen und neu geformt. Bei Kunststoffen kann es schnell zu Problemen kommen. Zum Beispiel, wenn sie verschmutzt oder degeneriert sind oder Additive, wie zum Beispiel Flammschutzmittel enthalten“, so der Experte.

Schmutzige Kunststoffe ließen sich beispielsweise nicht wiederverwerten, daher müsse man sie verbrennen. Die Verbrennung sei in der Bundesemissionsschutz-Ordnung geregelt. Verbrennungsreste, die nicht in die Umwelt gehören, müssten demnach zurückgehalten werden.

Verbrennung als einzig mögliche Option

Bei anderen Stoffen wiederum sei der Recycling-Aufwand so hoch, dass sich das Recycling einfach nicht lohne: „Es gibt gewisse Elektro-Reste, bei denen die Verbrennung das einzig mögliche ist. Wenn man einen viel zu großen Aufwand betreiben müsste, um das Material zu recyceln, ist es effizienter es zu verbrennen. Irgendwo muss man ja auch Aufwand und Nutzen gegenüberstellen“, begründet Eckert.

Der Experte erklärt, warum Elektrogeräte überhaupt gesondert entsorgt und recycelt werden müssen: „Seit 2005 gibt es das Elektrogesetz (ElektroG) in dem die Entsorgung von Altgeräten geregelt wird. Vor 20 bis 30 Jahren sind Kleingeräte im Restmüll gelandet. Das führte zu einem sehr großen Abfallstrom. Dieser ist sehr werthaltig gewesen. Darin waren zum Beispiel Metalle oder Kunststoffe enthalten. Diese kann man sehr gut wiederverwenden. Mit der Einführung des ElektroG hat sich die Situation deutlich gebessert.“

Das ElektroG bewähre sich in Deutschland bisher ganz gut. Jedoch könne man noch nicht von einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sprechen. „Kreislaufwirtschaft ist nicht nur Recycling“, betont Eckert. Ein effizienter Wirtschaftskreislauf stelle Beteiligte vor Herausforderungen. So könne zum Beispiel eine robustere Bauweise die Langlebigkeit eines Produktes erhöhen und zu einer Ressourcenschonung beitragen. „Aber vielleicht sind dann die Materialien nicht so gut recycelbar“, gibt Eckert zu Bedenken.

Eine weitere Hürde in der Kreislaufwirtschaft stelle die Verwendung von Rezyklaten (wiederverwertete Kunststoffe) in der Produktion dar. Oft sei es für Unternehmen günstiger neuwertige Kunststoffe zu verarbeiten als die Rezyklate zu verwenden. Ebenso könne es vorkommen, dass in einem Rezyklat ein Stoff enthalten sei, der vor 20 Jahren erlaubt war aber heute nicht mehr zulässig ist. So zum Beispiel die Chemikalie Flammhemmer, die das Ausbreiten eines Brandes verringern soll.

Um eine funktionierende Kreislaufwirtschaft aufzubauen, brauche es „auf jeden Fall klare Regeln“, sagt Eckert. So müssten Rezyklate zum Beispiel bestimmten Mindeststandards entsprechen. Eckert sehe es auch nicht als Ziel in Zukunft jedes Gramm zu recyceln, sondern insgesamt weniger Ressourcen zu verbrauchen.

Auch neue Geschäftsmodelle wie Leasing oder Leih-Angebote seien denkbar. Wichtig sei zunächst einmal „Kreisläufe zu schließen, Produkte langlebiger zu konstruieren und den Ressourcenbedarf in den Griff zu bekommen“, so Eckert. „Solange wir eine Gesellschaft sind, die konsumiert, produzieren wir auch Abfall. Ganz ohne Abfall wird es erstmal nicht gehen“, sagt er.

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