Es scheint, als wäre die erste Welle der Corona-Pandemie relativ glimpflich an den meisten von uns vorbeigezogen. Die schrecklichen Bilder, die aus Italien oder Brasilien berichtet wurden, blieben in Deutschland Gott-sei-Dank aus. Vieles, was in den letzten Wochen im Rahmen der Berichterstattung über das Corona-Krisenmanagement durch die Nachrichten ging, konnte bei vielen Instandhaltungs-Verantwortlichen ein Déjà-vu-Erlebnis erzeugen.
Die Diskussion über die richtige Deutung von Kennzahlen, der Aufschrei über fehlende Masken, der Zweifel an der Notwendigkeit präventiver Maßnahmen, … all das kennt der Instandhalter nur zu gut auch aus seinem eigenen Verantwortungsbereich.
Daher liegt es nahe, einen grundsätzlichen Vergleich zu ziehen aus dem, wie wir das Corona-Krisenmanagement mit seinen verschiedenen Begleiterscheinungen erleben, und dem typischen Instandhaltungs-Geschehen, was uns tagtäglich in den Produktionsunternehmen begegnet. Und wir werden erschreckend viele Parallelen dabei erkennen.
Bei einem solchen Vergleich lohnt es sich auch, darüber nach zudenken, was wir aus der Corona-Krise und dem entsprechenden Krisenmanagement für das Instandhaltungsmanagement unseren Produktionsanlagen lernen können.
Schutz immer im Vordergrund
Im Mittelpunkt des Corona-Krisenmanagements steht der Schutz der Bevölkerung, so wie beim Instandhaltungsmanagement die Produktion im Mittelpunkt steht. Um die Bevölkerung zu schützen, haben wir ein Gesundheitssystem, bei dem Gesundheitsämter Covid-19 Tests durchführen und Ärzte und Krankenhäuser, die die Erkrankten behandeln. Beim Instandhaltungsmanagement werden ebenfalls Messungen in Form von Inspektionen durchgeführt und Instandhalter kümmern sich um "kranke" Maschinen.
Eine wichtige Rolle spielt beim Corona-Krisenmanagement das Robert Koch-Institut, das die Fallzahlen zusammenfasst und als Entscheidungsgrundlage für die Regierenden aufbereitet. Diese müssen dann entscheiden, ob sie die Schutzauflagen für die Bevölkerung verschärfen oder lockern. In ähnlicher Weise versucht das IH-Controlling, in Form von Kennzahlen das Geschehen zu erfassen und gibt damit Entscheidungsgrundlagen für die jeweilige Betriebsführung, die das richtige Maß an vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen festlegen muss.
Langfristig soll die Betriebsführung auch die Ersatzteilstrategie bestimmen und sicherstellen, dass jederzeit ausreichend Ersatzteile zur Verfügung stehen. Im Corona-Krisenmanagement ist dies vergleichbar mit der Versorgungsstrategie der Regierung, um ausreichend Masken und Beatmungsgeräte vorrätig zu haben. Wo hier der gut gefüllte Vorrat an Toilettenpapier den Menschen Trost spendet, versucht die Produktion oft, von externen Beratern ihre Unsicherheit zu beseitigen zu lassen.
Was zeigt uns diese Analogie-Betrachtung?
Es lassen sich erstaunlich viele Parallelen erkennen, wie die Abbildung oben zeigt. Und wir können einige Erkenntnisse, die wir "in diesen Zeiten" durch die Corona-Krise lernen mussten, auch auf das Geschehen im Instandhaltungsmanagement übertragen. Im Folgenden sollen sechs Thesen aufgestellt werden, die – als Erkenntnis aus der Corona-Krise – auch für das Instandhaltungsmanagement beachtet werden sollten.
These 1: Die möglichst genaue Erfassung der aktuellen Situation ist ein essenzieller Erfolgsfaktor.
Viele Nationen haben recht unterschiedlich auf die Corona-Pandemie in ihrem Land reagiert. Es zeigt sich im Länder-Vergleich, dass Nationen, die relativ erfolgreich im Kampf gegen Corona waren, oftmals einen klaren Schwerpunkt auf die Durchführung von möglichst vielen Tests gelegt haben.
Auch in Deutschland wurde daher von Experten die Parole "Testen, testen, testen!" ausgegeben. Wir können grundsätzlich daran erkennen, dass die möglichst vollständige Erfassung einer Ist-Situation ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, in den es sich zu investieren lohnt. Auch die betriebliche Instandhaltung sollte daher einen klaren Schwerpunkt - Wie Smarte Sensoren bei der Zustandsüberwachung helfen"> in die Zustandserfassung ihrer Anlagen legen.
These 2: Eine langfristige Versorgungsstrategie ist unabhängig vom aktuellen Bedarf auszurichten.
Gerade zu Beginn der Corona-Pandemie herrschte in Deutschland zeitweise ein Mangel an Schutzmasken. Auch in anderen Ländern fehlten Schutzmasken und insbesondere auch Beatmungsgeräte, um Menschen zu schützen und zu retten. Die Bevorratung solcher Materialien und Geräte ist in den Jahren zuvor oftmals dem Sparzwang zum Opfer gefallen.
Dieser Sparzwang erwies sich in der Krise als Fehler. (Lebens-)Wichtige Materialien und Geräte müssen daher unabhängig von ihrem tagesaktuellen Bedarf in einer langfristigen Strategie gesichert sein. So ist auch das Ersatzteilmanagement einer Instandhaltung langfristig auszurichten, um kurzfristige Engpässe auszuschließen. Leider wurden aber in vielen Unternehmen die Ersatzteilbestände in den letzten Jahren deutlich reduziert, um kurzfristig Kosten zu sparen.
These 3: Aussagekräftige Kennzahlen sind als Grundlage wichtiger Entscheidungen unverzichtbar.
In den letzten Wochen waren Statistiken und Kennzahlen wie die Fallzahlen, die Verdopplungszeit oder auch die Reproduktionszahl ein ständiger Begleiter in den Nachrichten. Aber nicht nur wir konnten uns anhand der Kennzahlen über die Entwicklung der Corona-Pandemie informieren. Auch die Regierung hat ihre Entscheidungen sowohl für die anfänglichen Auflagen als auch zu deren Lockerungen immer wieder an die Entwicklung bestimmter Kennzahlen geknüpft.
Und es war in der Regel nicht eine einzelne Kennzahl, sondern mehrere Kennzahlen in Kombination zu beachten. Die jeweiligen Kennzahlen dienten dabei auch zur Begründung der getroffenen Entscheidungen. Gleiches lässt sich auch für die betriebliche Instandhaltung feststellen. Auch hier sollten aussagekräftige Kennzahlensysteme eine wichtige Grundlage für wichtige Entscheidungen und deren Begründung sein.
These 4: Trotz verstärkter Datenerfassung und Informationssysteme müssen immer noch einige, auch wichtige Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden.
Es hat, wie oben dargelegt, auch in der Corona-Krise nicht an Daten und Kennzahlen gemangelt. Viele Studien und Kennzahlen versuchten, diese Pandemie zu erfassen und zu beschreiben. Doch trotz aller Daten und Studien waren die jeweiligen Entscheidungen der Regierungen sehr unterschiedlich und immer von Unsicherheit geprägt.
Während viele Nationen einen vollständigen Lockdown anordneten, haben andere Nationen bei gleicher Datenlage weiterhin Kontakte zugelassen und wollten eine schnelle Herdenimmunität anstreben. Auch dies scheint ein charakteristisches Merkmal dieser Corona-Zeit zu sein. Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass bei vielen unserer Entscheidungen trotz zahlreicher Informationen keine Sicherheit besteht.
Und so müssen auch die Verantwortlichen in der Instandhaltung gerade in strategischen Fragestellungen des Asset Managements wichtige Entscheidungen treffen, deren Auswirkungen nicht eindeutig prognostiziert werden können.
These 5: Die Akzeptanz für vorbeugende Maßnahmen nimmt im Laufe der Zeit ab.
Es war in Deutschland gut zu beobachten, wie zu Beginn des Lockdown die sicherlich schmerzlichen Auflagen doch von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurden. Der Erfolg dieses konsequenten Lockdowns war der vergleichsweise milde Verlauf der Covid-19 Erkrankungen in Deutschland.
Und doch oder gerade wegen dieser erfolgreichen vorbeugenden Maßnahmen haben Teile der Bevölkerung nach wenigen Wochen die bislang geduldete Einschränkungen und Auflagen abgelehnt und zweifelten gar den Sinn der vorbeugenden Maßnahmen an. Die Wissenschaft nennt dies das "Präventions-Paradox": Je konsequenter die vorbeugenden Maßnahmen sind, desto erfolgreicher sind deren Wirkungen.
Doch je länger vermiedenen Folgen ausbleiben, desto größer werden die Zweifel an der Notwendigkeit der vorbeugenden Maßnahmen. Die Instandhaltung kann dieses Präventions-Paradox oft bei ihren Diskussionen mit der Produktionsverantwortlichen über die Notwendigkeit von präventiven Instandhaltungsmaßnahmen beobachten.
These 6: In der Not erfahren Helfer oft Dankbarkeit und Wertschätzung, nicht jedoch bei der Prävention zur Vermeidung der Not.
Zum Höhepunkt der Corona-Pandemie waren Ärzte und Krankenpfleger im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit. Man klatschte auf den Balkonen für sie und feierte Sie als Corona-Helden. In den Monaten und Jahren davor wurde jedoch der medizinische Bereich gerne als ineffizient und unwirtschaftlich dargestellt, und die Budgets und Gehälter wurden gerne knapp gehalten.
Auch hier kann man sich an die Situation in der betrieblichen Instandhaltung erinnert fühlen. Erst wurde regelmäßig finanziell gekürzt, wenn aber dann eine große Anlagenstörung auftritt, die schnell von der Instandhaltung behoben werden kann, lobt und würdigt die Betriebsführung die Instandhaltung. Es scheint, dass erst in der Not der Stellenwert mancher Einrichtungen, deren Sinn vorher noch bezweifelt wurde, hinreichend gewürdigt wird.
Viele Parallelen mit Nachdenk-Potenzial
Der Vergleich des gerade erlebten und in der Öffentlichkeit breit diskutierten Corona-Krisenmanagements mit dem oftmals eher unauffälligen Wirken des Instandhaltungsmanagements zeigt also viele Parallelen. Manche Phänomene, die wir in diesen Corona-Zeiten erleben durften, können wir in sehr ähnlicher Weise bei der betrieblichen Instandhaltung von Produktionsanlagen beobachten. Der Instandhalter nimmt dabei die Rolle ein, die im Bild des Corona-Krisenmanagements die Ärzte und das Pflegepersonal einnehmen. Die Darstellung der Instandhalter als die „Ärzte der Produktion“ ist dabei ein gutes Bild, um das Image und somit auch den Stellenwert der Instandhaltung angemessen zu beschreiben.
Es bleibt zu hoffen, dass so manche dieser aufgezeigten Phänomene uns so gut in Erinnerung bleiben, dass wir die Lehren daraus auch in unserem täglichen Instandhaltungsmanagement einbringen können. Dann kann dieser Vergleich vielleicht einen wichtigen Beitrag leisten, um in der Diskussion über Budgets oder die richtige Strategie die Interessen der Instandhaltung angemessen zu stärken.
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