
Das Luftverteidigungssystem, oder klassisch "FlaRak"-System, IRIS-T besteht bei der Bundeswehr aus den Komponenten Gefechtsstand, Startgerät mit acht Lenkflugkörpern, Radargerät, Werkstattausstattung und Nachladefahrzeug. (Bild: Diehl)
Wie funktioniert das Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM?
Ein System, das in zehn Minuten einsatzbereit ist und Ziele in über 20 Kilometer Höhe abfängt – IRIS-T SLM ist keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Entwickelt von Diehl Defence, kombiniert es militärische Hightech mit europäischer Produktionskompetenz. Die Basis: der aus Luft-Luft-Raketen bekannte IRIS-T-Lenkflugkörper, weiterentwickelt für den bodengebundenen Start.
Das System agiert in der sogenannten mittleren Reichweite, also zwischen Kurzstreckensystemen wie Skynex und strategischen Schilden wie Patriot. Es ist dafür konzipiert, verschiedenste Bedrohungen abzufangen – von Jets über Drohnenschwärme bis hin zu ballistischen Kurzstreckenraketen.
Die Systemarchitektur von IRIS-T-SLM im Überblick
Eine Standard-Feuereinheit von IRIS-T SLM besteht aus:
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Tactical Operations Centre (TOC): Zentrale für Kommando und Kontrolle.
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Mittelbereichsradar TRML-4D: AESA-Technologie, bis zu 1.500 Ziele gleichzeitig.
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Launcherfahrzeuge: Drei Fahrzeuge mit je acht vertikal startenden Raketen.
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Nachlade- und Logistikmodule: Für autonome Wiederbefüllung in ca. 15 Minuten.
Diese Komponenten sind auf 20-Fuß-Containern montiert und dadurch vollständig mobil – transportierbar per LKW, Flugzeug oder Schiff. Entscheidend: In weniger als 10 Minuten ist eine Einheit einsatzbereit.
Warum gilt IRIS-T SLM als besonders effektiv?
Seit Oktober 2022 ist IRIS-T SLM in der Ukraine im Einsatz – und liefert eindrucksvolle Ergebnisse. Über 250 Luftziele, darunter Marschflugkörper und Drohnen, konnten erfolgreich abgewehrt werden. Die geschätzte Trefferquote: über 95 %.
Ein zentrales Merkmal: Salvenfestigkeit. Selbst bei koordinierten Angriffen mit mehreren Zielen, darunter auch Low-Cost-Drohnen, bleibt das System hochwirksam. Die Fähigkeit, hunderte Ziele gleichzeitig zu tracken, zeigt die Leistungsstärke des TRML-4D-Radars von Hensoldt.
Welche Rolle spielt IRIS-T SLM in der European Sky Shield Initiative (ESSI)?
Die 2022 gestartete European Sky Shield Initiative (ESSI) verfolgt ein klares Ziel: Aufbau eines gestaffelten Luftverteidigungsschirms über Europa. Dabei kommt IRIS-T SLM eine Schlüsselrolle zu.
Zwischen Systemen wie dem Kurzstrecken-Schutzschild Skynex und dem Langstrecken-Giganten Patriot füllt IRIS-T SLM die mittlere Reichweite – modular, vernetzt und kosteneffizient. Für Länder mit begrenztem Verteidigungsetat ist es damit ein zentraler Baustein für glaubhafte Abschreckung.
Besonderer Vorteil: Die vollständige Produktion in Europa garantiert Versorgungssicherheit – ein Faktor, der in geopolitisch angespannten Zeiten an Bedeutung gewinnt.
Was unterscheidet IRIS-T SLM von anderen Systemen?
Mobilität: Während klassische Systeme oft ortsgebunden sind, erlaubt die Containerlösung von IRIS-T SLM flexible Verlegung – ob per Flugzeug, Schiff oder Bahn.
Interoperabilität: Die Anbindung an NATO-Strukturen wie das ACCS oder GBAD C2 macht es kompatibel mit multinationalen Verteidigungslösungen.
Skalierbarkeit: Durch modulare Architektur lassen sich auch kleinere Einheiten für spezifische Schutzräume oder mobile Operationen einsetzen.
Technologische Souveränität: Produktion, Entwicklung und Wartung liegen vollständig in europäischer Hand – ein zunehmend relevanter Aspekt angesichts globaler Lieferkettenrisiken.
Welche Herausforderungen gibt es?
Trotz aller Vorteile gibt es auch Hürden:
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Kosten: Ein IRIS-T SLM-System liegt im dreistelligen Millionenbereich – nicht jede Nation kann oder will das stemmen.
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Lieferfähigkeit: Die Nachfrage steigt schneller als die Produktionskapazitäten. Ausbau der Fertigung bei Diehl Defence ist daher zwingend notwendig.
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Schulung und Integration: Neue Nutzer benötigen Infrastruktur und Ausbildung – der Aufbau dauert mehrere Monate.
Welche Länder setzen auf IRIS-T SLM?
Das System überzeugt nicht nur in Kampfeinsätzen, sondern auch in internationalen Beschaffungsprozessen. Ein Überblick:
Bereits im Einsatz:
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Deutschland: Erste Einheit seit 2024, sechs weitere bestellt.
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Ukraine: Vier Systeme geliefert, zwei weitere für 2025 geplant.
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Ägypten: Seit 2021 im aktiven Einsatz.
Bestellt oder in Lieferung:
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Estland & Lettland: Gemeinsame Anschaffung, Auslieferung ab 2025.
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Slowenien: Erste Einheit bestellt, weitere ab 2027 geplant.
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Schweden: Sieben Systeme im Rahmen von ESSI (2028–2030).
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Bulgarien: Parlamentsbeschluss zur Anschaffung erfolgt.
In Planung:
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Schweiz: Entscheidung zu 4–5 Einheiten für 2025 erwartet.
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Österreich: Acht Systeme im Rahmen von EU-Initiative JAMIE.
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Litauen, Rumänien, Dänemark: Interesse im Rahmen der ESSI bestätigt.
Technische Fakten der Lenkwaffe von IRIS-T SLM
- Länge: ca. 2,9 m
- Geschwindigkeit: > Mach 3 (rund 1.020 m/s)
- Reichweite: bis zu 40 km
- Flughöhe: bis zu 20 km
- Gefechtskopf: 11,4 kg Splitterladung
- Zielerfassung: Infrarotsensor (IIR)
- Navigation: INS, GPS, Datenlink, TVC
Die Kombination aus Infrarot-Zielsuchkopf und Thrust Vector Control erlaubt extrem präzise Zielverfolgung – selbst bei Störungen, Tarnung oder kleinen Radarquerschnitten.
Ein Vorteil gegenüber anderen Systemen: Die finale Zielansteuerung erfolgt nicht ausschließlich über Radar, sondern auch durch IIR-Technologie, wodurch Täuschkörper oder Nebel wenig Chancen haben.
