Leichtbau, Mischbauweise und Miniaturisierung haben dem Kleben in vielen Applikationen zum Durchbruch verholfen. Nun wagt sich die Fügetechnik auf neues Terrain und erobert auch Anwendungen, bei denen der Klebstoff in der Applikation hohen Temperaturen ausgesetzt ist. Für diese `heißen Fälle´ haben viele Klebstoffhersteller spezielle Hochtemperatur-Varianten entwickelt.
Hochtemperatur-Klebstoffe für die Industrie
“Klebstoffe, die Temperaturen oberhalb von 180 °C dauerhaft widerstehen, zählen als Hochtemperatur-Klebstoffe”, erklärt Dr. Matthias Popp, Gruppenleiter Klebstoffformulierungen am Fraunhofer IFAM. Ein Klebstoff gelte als dauerhaft stabil, wenn er sich bei der geforderten Temperatur nicht chemisch zersetzt und weiterhin dauerhaft seine Performance bringt. “Grundsätzlich weist aber auch ein Hochtemperatur-Klebstoff bei hohen Temperaturen eine geringere Festigkeit auf als bei Raumtemperatur”, erläutert Popp. Seit rund fünf Jahren erhält das Fraunhofer IFAM vermehrt Anfragen nach Hochtemperatur-Klebstoffen. “Im Automobilsektor werden zum Beispiel im Bereich des Antriebs oder für Sensoren in heißen Umgebungen Hochtemperatur-Klebstoffe genutzt”, berichtet Popp. Aber auch in der Luftfahrt spielten sie eine große Rolle.
Neue Anwendungsbereiche: Automotive + Werkzeuge
Wie Marc Schwarz, Leiter Prozessmanagement beim Klebstoffhersteller Delo, beobachtet, kommt der Wunsch nach hochtemperaturbeständigen Klebstoffen besonders aus dem Automotive-, aber auch aus dem Werkzeug-Bereich. Die Ursachen dafür seien vielfältig. „So werden Elektromotoren leistungsfähiger, wodurch mehr Verlustwärme entsteht. Gleichzeitig kommt es wegen immer kompakterer Bauformen verstärkt zu Stauwärme”, sagt Schwarz. Was den Automotive-Bereich angeht, steigen laut Schwarz die Temperaturanforderungen im Motorraum durch kompaktere und bei höheren Kühlmittel-Temperaturen arbeitende Kühlsysteme. Daneben profitierten auch neue Anwendungen von hitzebeständigen Klebstoffen.
Hochtemperaturklebstoffe auch als Vergussmasse
Beim Werkzeughersteller Metabo werden Hochtemperaturklebstoffe nicht nur im klassischen Sinne der Verbindungstechnik, sondern auch als Vergussmasse verwendet. “Bei der Fertigung der Rotoren für die Motoren unserer Kompakt-Winkelschleifer vergießen wir die Kupferdrähte zum Schutz gegen mechanische Beschädigungen und zur Fixie-rung der Drähte mit dem Klebstoff”, sagt Volker Siegle, Direktor Produktentstehung und Qualität. Weil die Kupferwicklung im Einsatz bis zu 150 °C warm wird, seien die speziellen Hochtemperaturklebstoffe für diesen Zweck sehr gut geeignet. Zudem sei die gute mechanische Widerstandskraft bei entsprechender Materialdicke für die Anwendung von Vorteil.
Klebstoffe beim Fügen von Composite-Bauteilen
Auch Premium Aerotec nutzt bereits Hochtemperatur-Klebstoffe – beim Fügen von Composite-Bauteilen. “Es ist uns gelungen, das Fügeverfahren in einem automatisierten Serienprozess anzuwenden”, verrät Geschäftsführungs-Mitglied Joachim Nägele. Hohe Temperaturen über 150 bis 180 °C treten laut Dr. Jan Haubrich vom DLR in Verkehrs- oder Militärflugzeugen quasi nur im Triebwerksbereich auf. “Hier werden Hochtemperatur-Klebstoffe gelegentlich zum Beispiel für den Einlauf, für Fanschaufeln oder Vorleiträder und Inlet-Guide Vanes in Faserverbund-Bauweise in Erwägung gezogen.” Hochtemperatur-Klebstoffe könnten aber auch als Matrix-System für Verbundwerkstoffe in der Triebwerks-Ummantelung genutzt werden.
Grundsätzlich sind laut Popp vom Fraunhofer IFAM Hochtemperatur-Klebstoffe in der Regel hoch vernetzt und enthalten Benzolringe in hoher Konzentration. “Benzolringe sind aufgrund der konjugierten Doppelbindungen starr und sorgen so für eine hohe Temperaturstabilität”, erklärt Popp. Weiterhin sollte ein Hochtemperatur-Klebstoff entweder eine sehr hohe Glasübergangstemperatur haben – bei der er seine Konsistenz von hochfest zu gummiartig-elastisch wandelt. Oder der Hochtemperatur-Klebstoff müsse sich sich so verhalten, dass die Eigenschaftsänderung bei der Glasübergangstemperatur nicht so drastisch ausfällt. “In diesem Fall wird das Material nicht schlagartig gummiartig weich, sondern bleibt weiterhin relativ fest”, beschreibt Popp.
Laut Haubrich vom DLR könnte man die Temperaturbeständigkeit von Klebeverbindungen auch durch konstruktive Maßnahmen erhöhen, indem man zum Beispiel beim Design die Verbindungen nahe aktiv oder passiv gekühlter Zonen platziert. “Auch ein Einsatz von Schutzschichten über Fügezonen wäre prinzipiell denkbar.”
Susanne Nördinger