Generative KI im deutschen Maschinenbau? "Nein, danke", sagt da der Großteil der Industrie.

Generative KI im deutschen Maschinenbau? "Nein, danke", sagt da der Großteil der Industrie. (Bild: Varunee)

Bitkom-Umfrage KI
(Bild: Bitkom)

Die Zahlen klingen zunächst ernüchternd: Erst drei Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland setzen generative KI zentral ein, sechs Prozent planen das fürs laufende Jahr. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der BDI-Mitgliedsverband Bitkom durchgeführt hat. 13 Prozent möchten sich das Thema im Laufe der nächsten fünf Jahre vornehmen, 19 Prozent wollen sich noch mehr Zeit lassen. Ebenso überraschend: Für mehr als die Hälfte ist das Zukunftsthema keines: 54 Prozent haben gar nicht vor, sich mit der generativen KI zu beschäftigen.

Bei Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst stößt das auf Unverständnis: „Abwarten und Nichtstun ist bei Künstlicher Intelligenz die falsche Strategie“, kommentiert er das Ergebnis der Erhebung. Dabei verweist er auf die „rasanten Fortschritte“, die bei der generativen KI in den vergangenen Monaten gesehen wurden und auf die vielfältigen Anwendungsbereiche. „Jedes Unternehmen sollte sich mit dem KI-Einsatz beschäftigen und die Chancen von höherer Effizienz bis zu neuen Produkten oder Dienstleistungen zu nutzen.“

Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst
Zitat

Abwarten und Nichtstun ist bei Künstlicher Intelligenz die falsche Strategie.

Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst
(Bild: Bitkom)

Vorreiter Schunk nutzt generative KI in fast allen Bereichen

Einer, der sich das nicht erst sagen lassen muss, sitzt in Baden-Württemberg, genauer gesagt im Großraum Heilbronn, der viele mittelständische Maschinenbauer beherbergt. „Wir nutzen generative KI in fast allen Bereichen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Marketing über den Vertrieb bis hin zur Entwicklung neuer Produkte und Softwarelösungen“, sagt Timo Gessmann, CTO bei der Schunk SE & Co. KG. Das Unternehmen mit 3.500 Beschäftigten ist Spezialist für Automation, Spann- und Greiftechnik. „Intern verwenden wir die KI vor allem, um die Effizienz in unseren eigenen Prozessen zu steigern. Hierfür haben wir beispielsweise Anfang 2023 ein Schunk-eigenes GPT etabliert, mit dem wir die KI in einer geschützten Umgebung anwenden und dabei unser gesammeltes Wissen nutzen können. Dessen Weiterentwicklung ist ein fortlaufender Prozess.“

Mehr noch: Über interne Netzwerkveranstaltungen und Hackathons werden die Beschäftigten motiviert. Sie sollen Lust auf mehr bekommen, neugierig sein und weitere Einsatzmöglichkeiten erforschen, bei denen KI unterstützen kann.

Timo Gessmann, CTO bei der Schunk SE & Co. KG
Timo Gessmann, CTO bei der Schunk SE & Co. KG (Bild: Schunk)

GenAI soll auch die Produktivität des Kunden steigern

Durch KI soll auch die Produktivität der Kunden gesteigert und zukunftsfähig gemacht werden. Als aktuelles Beispiel dafür nennt der CTO die 2D Grasping-Kit, eine intelligente Greifapplikation zur Handhabung von Sortier- und Logistikaufgaben. „Hier hilft uns die KI, Greifobjekte zu erkennen und automatisch zu labeln. Auch bei der Erstellung von Plugins für die Roboterprogrammierung oder bei der Entwicklung von Produktkonfiguratoren nutzen wir KI.“ Ziel sei es hier, die Integration und Handhabung der eigenen Produkte zu vereinfachen und intuitiver zu gestalten, sodass sie auch ohne Expertenwissen bedient werden können.

Zur Frage nach den Zukunftsperspektiven der Technologie hat Gessmann ein ebenso klares wie positives Urteil: „Die Einsatzchancen sind enorm. Langfristig werden Unternehmen nur dann innovativ und wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie KI nutzen.“

Und was sein eigenes Unternehmen auf diesem Feld noch vorhat, weiß er sowieso: „Wir integrieren KI nach und nach in all unsere Produkte, Prozesse und Services, um diese einfacher, schneller und wertschöpfender zu gestalten. Letztendlich geht es darum, unsere Kunden und auch uns selbst produktiver, wettbewerbsfähiger und gleichzeitig nachhaltiger zu machen.“ Neben dem Schunk GPT arbeite man an zusätzlichen bereichsspezifischen GPTs, mit denen sich bestimmte Prozesse in der Entwicklung, im Customer Management oder im Patentwesen mit Hilfe von KI automatisieren und dadurch effizienter gestalten lassen.

Dabei engagiert sich das Unternehmen, das auch bei Innovationen in Sachen Robotic Vorbildcharakter nicht nur in der Region genießt, über die Firmengrenzen hinaus in Sachen KI und generative KI. Es nimmt eine zentrale Rolle im sogenannten IPAI-Netzwerk ein, das es sich zum Ziel gesetzt hat, KI-Anwendungen voranzubringen und zu einem KI-Zentrum in Europa zu werden. In einem eigenen, kürzlich eröffneten Bürogebäude in Heilbronn, können sich am Thema interessierte Firmen einmieten und nicht nur die räumliche Nähe zum Austausch nutzen, sondern auch eine gemeinsame Laborfläche, die unter anderem mit Robotertechnologie des Maschinenbauers aus Lauffen ausgestattet ist. Dort findet man jedenfalls, dass es wichtig ist, Anwendungsmöglichkeiten gemeinsam mit Partner zu erschließen. „Es ist wichtig, die Technologie zu verstehen und zu beherrschen, um sie sinnvoll und verantwortungsbewusst einzusetzen“, resümiert CTO Gessmann.

Viele Firmen suchen KI-Personal

Es tut sich also schon was in Sachen generative KI, auch wenn die eingangs erwähnten Bitkom-Zahlen ein anderes Bild vermitteln. Das übrigens durch eine bemerkenswerte Zurückhaltung bestätigt wird, Auskunft über den Stand und die Pläne im eigenen Unternehmen für diesen Artikelzu geben.

Eine andere Umfrage vom August 2023, die der BDI selbst gemacht hat, zeichnet ein etwas positiveres Bild. Hier geht es darum, für wie wichtig die generative KI gehalten wird. Ihre Relevanz für die Industrie wird beispielsweise von 88 Prozent mit sehr hoch angegeben. 74 Prozent der befragten Unternehmen sagen, dass sie ihre Expertise in diesem Bereich weiter ausbauen wollen. Der Branchenverband weist aber selbst darauf hin, dass die Ergebnisse nicht als repräsentativ gewertet werden können: Es haben in erster Linie Großunternehmen teilgenommen. Das wiederum deckt sich auch mit Erkenntnissen des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Eine Auswertung von Stellenanzeigen durch das IW hat ergeben, dass Unternehmen nicht nur Interesse an generativer KI zeigen, sondern immer häufiger auch schon konkrete Anwendungsfälle identifiziert haben und entsprechende Kompetenzen suchen.

Besonders hoch ist der Bedarf im Südwesten der Republik und in Berlin. KI-Cluster scheint es danach in den Regionen um München, Stuttgart, Karlsruhe und Heidelberg sowie um Köln und Bonn zu geben, wo sich auch diverse Start-ups tummeln. Und noch etwas ist bemerkenswert: Besonders im Technologiebereich, dem Maschinen- und Fahrzeugbau sind neue Mitarbeiter mit Kompetenz in Sachen generative KI gefragt.

Dr. Stefan Rüping, Abteilungsleiter Fraunhofer IAIS
Dr. Stefan Rüping, Abteilungsleiter Fraunhofer IAIS (Bild: Fraunhofer IAIS)

„Die Kurse sind alle ausgebucht“

Dass bei dem Thema so einiges in Bewegung ist, weiß man auch beim Fraunhofer IAIS. Dort gab es nach dem Release von Chat GPT ein gestiegenes Interesse an Weiterbildungsangeboten – und man hat spezielle Schulungen entwickelt, etwa den Kompakteinstieg Prompting mit Versionen für Anfänger und Fortgeschrittene, darüber hinaus auch Angebote für Führungskräfte. „Die Kurse sind alle ausgebucht. Derzeit bauen wir das Angebot weiter aus und bieten spezialisierte Kurse an, etwa einen Kompakteinstieg zur Inhouse-Bereitstellung und Betrieb von generativen KI-Modellen“, erklärte dazu Dr. Stefan Rüping, Abteilungsleiter Fraunhofer IAIS.

Es werden zudem kompakte eintägige Biefing-Formate oder mehrtägige Workshops angeboten, die sich dann mit der Entwicklung eigener Anwendungsformate beschäftigen. Hier werden rund 1.000 Personen pro Jahr in großen und mittelständischen Unternehmen erreicht. „Die Anfragen kommen aus verschiedenen Branchen wie Energiewirtschaft, Medizin, Handel, Marketing und Medien oder Maschinenbau“, erläutert Rüping. Im Rahmen der „Fraunhofer-Alliance Big Data AI“, wo die Schulungsangebote der Mitgliedsinstitute gebündelt sind, werden jährlich weitere 1.000 Interessenten weitergebildet.

Forschungsministerium will „neue Impulse“ setzen

Beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist man ebenfalls daran interessiert, beim Thema generative KI „neue Impulse“ zu geben, von dem Ziel, dass Deutschland und Europa in einer AI-Welt eine Spitzenposition einnehmen sollten ist sogar die Rede. Unter anderem werden, wie eine Sprecherin mitteilt, mit zwei Projekten kleine und mittlere Unternehmen im Bereich Produktion, hier vor allem der Maschinen- und Anlagenbau, gefördert. Speziell zum Thema generative KI gibt es in diesem Geschäftsfeld zum Beispiel das Projekt „Qu2antum“, bei dem es um die Etablierung industrieller Standards in der Qualitätskontrolle geht. Darüber hinaus werden Entwicklungen gefördert, die sich etwa mit der Schaffung digitaler Zwillinge für Bearbeitungsmaschinen beschäftigen oder der automatisierten Preisberechnung für Blech- und Zerspanungsbauteile.

Rechtliche Fragen noch offen

Es tut sich also einiges beim Thema generative KI, auch in der Industrie. Warum dann offensichtlich doch noch eine gewisse Zurückhaltung bei den Unternehmen? Bei den kleineren, so heißt es dort, sei man oft noch nicht so weit. Und man wolle deshalb auch nicht gerne darüber reden. Die größeren, verlautet aus Branchenkreisen, haben oft schon einiges am Laufen, wollen sich aber nicht in die Karten schauen lassen. Was in dem Zusammenhang auffällt, ist das große Interesse an geschlossenen Lösungen, in denen die Daten das eigene Netzwerk nicht verlassen. Auch Kosten für neues Personal und die Risiken, die mit der Technik einhergehen, werden eine Rolle spielen. Also Fragen des Datenschutzes, des Urheberrechts und haftungsrechtliche sorgen momentan noch für Verunsicherung, ebenso die Auswirkungen des europäischen KI-Gesetzes.

Übrigens: Der 63-seitige Bitkom-Leitfaden „Generative KI im Unternehmen - Rechtliche Fragen zum Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz im Unternehmen“ steht zum kostenlosen Download bereit.

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