In den letzten Jahren hat sich die Erwartung gefestigt, dass KI und das Industrial Metaverse die Zukunft der Produktion bestimmen.

In den letzten Jahren hat sich die Erwartung gefestigt, dass KI und das Industrial Metaverse die Zukunft der Produktion bestimmen. Doch viele Unternehmen kämpfen noch immer mit grundlegenden Problemen bei der Umsetzung. (Bild: Leafart – stock.adobe.com)

In der nahen Zukunft werden Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und das Industrial Metaverse die Art und Weise, wie wir produzieren, grundlegend verändern. Dennoch müssen wir feststellen, dass der Begriff “Industrie 4.0” bereits 2011 auf der Hannover Messe geprägt wurde, und doch sind wir 13 Jahre später noch weit davon entfernt, die ursprünglichen Erwartungen erfüllt zu sehen.

Viele Unternehmen haben erste Use Cases mit KI und Metaverse entwickelt. Ein Beispiel hierfür ist die Optimierung von Stahlrohren oder Metaverse-Anwendungen zur Planung komplexer neuer Fabriken. Trotzdem ist branchenübergreifend der Tenor, dass man nicht über den Status einzelner Use Cases hinauskommt und es bisher nicht gelingt, diese wirtschaftlich auf das gesamte Produktionsnetzwerk zu skalieren.

Produktionsdaten liegen nicht einheitlich vor

Fehlende Datenbasis

Im Gegensatz zum B2C-Geschäft oder anderen Fachbereichen in produzierenden Unternehmen liegen Produktionsdaten nicht zentral und semantisch einheitlich beschrieben in einem System vor. Stattdessen herrscht ein Wildwuchs an Systemen: Das gilt sowohl für die Hard- als auch die Software-Welt. Es ist eher der Normalfall als die Ausnahme, dass Maschinen und Maschinensteuerungen unterschiedlicher Hersteller und Generationen im Einsatz sind. Häufig kommt es vor, dass auch in großen Unternehmen mit mehreren Standorten weltweit jedes Werk seine individuelle Shopfloor-Applikationslandschaft hat.

Welche konkreten Folgen hat das?

Es gibt drei wesentliche Bereiche, in denen diese heterogenen Systeme an ihre Grenzen stoßen:

  1. Planung neuer oder veränderter Fabriken und Fertigungssysteme
  2. Planung und Steuerung der Produktion
  3. Analyse und Optimierung von bestehenden Prozessen und Systemen

Herausforderung 1: Planung neuer oder veränderter Fabriken und Fertigungssysteme

Bei der Planung von Fabriken und Fertigungssystemen müssen unterschiedliche Gewerke aufeinander abgestimmt werden. Ändert sich das Produkt oder einzelne Gewerke im Planungsprozess, hat das einen Einfluss auf die anderen Gewerke. Erschwerend kommt hinzu, dass – zumindest in Europa – kaum neue Fabriken auf der grünen Wiese entstehen, sondern bestehende Fabrikstrukturen und Fertigungssysteme in die Planung miteinbezogen werden müssen.

Wenn die Planung durch Simulationen abgesichert werden soll, müssen nicht nur neue Systeme modelliert, sondern auch Daten aus bestehenden Fabrikstrukturen verarbeitet werden, weil nur so das Verhalten der Systeme in die Modelle einfließen kann. Müssen diese Daten mühsam aus vielen unterschiedlichen Quellsystemen gewonnen und anschließend erst in ein einheitliches Format gebracht werden, wird die Simulation sehr schnell sehr aufwändig.

Fachkongress Fabrikplanung

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(Bild: narong - stock.adobe.com)

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Herausforderung 2: Planung und Steuerung der Produktion

Bei der Planung und Steuerung zeigt sich ein gemischtes Bild. Einige Unternehmen haben bereits einen durchgängigen Planungs- und Steuerungsprozess etabliert und können so kurze Durchlaufzeiten realisieren und schnell auf externe Störungen reagieren. Stammdaten wie zum Beispiel das Kapazitätsangebot der Anlagen sind gut gepflegt und eine Planung gegen begrenzte Kapazitäten ist möglich.

Doch häufig ist der Planungsprozess nicht durchgängig. Es wird in unterschiedlichen Systemen gearbeitet und mit verschiedenen Planungsständen weitergeplant. Informationen und Planungsergebnisse müssen mehrfach validiert und hinterfragt werden. Das führt zu längeren Durchlaufzeiten und macht es schwer, schnell auf Störungen zu reagieren.

Kurzvita: Dr. Patrick Kübler

Dr. Patrick Kübler ist der Leiter Competence Center Produktion bei Adesso. Er ist ein erfahrener Produktionsingenieur mit mehrjähriger Managementerfahrung und hat Produktionsberatungsprojekte in verschiedenen Branchen und in über 20 Unternehmen durchgeführt und geleitet. Dabei hat er auf allen Ebenen mitgewirkt: Bei der Planung von Montagelinien und von Fabriken, der Einführung von MES-Systemen und bei der Strategieentwicklung zur Digitalisierung der Produktion. Bei Adesso baut er das Geschäft zur digitalen Produktion auf.

Herausforderung 3: Analyse und Optimierung von bestehenden Prozessen und Systemen

Die meisten Unternehmen haben ihre Produktion über Jahre hinweg mit Philosophien wie dem Lean Management optimiert. Sie nähern sich einem Punkt, an dem durch „reines Hinsehen“ keine weiteren Optimierungspotentiale mehr identifiziert werden können. Weitere Verbesserungen lassen sich nur noch datenbasiert realisieren.

Oft gibt es aber auch das folgende Szenario: Einzelne Use Cases sind aufwändiger als ursprünglich gedacht und die Ergebnisse zunächst enttäuschend. Am Ende steht der Aufwand in keinem Verhältnis zu den Einsparungen und die Unternehmen stellen sich die Frage, wie eine Skalierung auf mehrere Maschinen oder Werke weltweit wirtschaftlich funktionieren soll – es entsteht ein „Use-Case-Teufelskreis“.

Wie man den Use-Case-Teufelskreis durchbricht

Während die meisten Unternehmen mit der Heterogenität auf der Hardwareseite leben müssen, gibt es einen Wandel auf der Softwareseite: Viele Unternehmen arbeiten derzeit intensiv an der Integration verschiedenster Software- und Hardwaresysteme. Konnektivität und der Aufbau von Datenplattformen beziehungsweise IT-OT-Architekturen sind dabei die größten Treiber.

Diese Unternehmen haben den oben beschriebenen „Use-Case Teufelskreis“ schon mehrfach durchlaufen. Um ihn zu durchbrechen, haben sie eine mutige unternehmerische Entscheidung getroffen: Sie investieren in eine durchgängige IT-OT-Integration mit einer entsprechenden Software- und Datenarchitektur, auch wenn das zunächst vor allem Kosten verursacht und kaum Einsparungen bringt. Sie entwickeln zentrale Plattformlösungen, die den Werken als Self-Service bereitgestellt werden. Dadurch werden Einsparungen und Effizienzsteigerungen möglich, die ohne die initiale Investition in die Enabler-Technologien nicht erreichbar wären.

Kurzvita: Dr. Uwe Pohlmann

Dr. Uwe Pohlmann ist Senior IT-OT-Architekt bei Adesso und vereint als erfahrener Softwarearchitekt und Consultant umfassende Expertise in der Betriebsführung und Entwicklung globaler Produktionssoftware-Plattformen. Seine Stärken liegen in der Konzeption skalierbarer Architekturen und der effizienten Umsetzung produktionsbezogener Digitalisierungsprojekte mit Datenanbindung von Produktionsmaschinen.

Eine solide IT-OT-Architektur entwickeln

Auf der Feldebene entstehen Daten und werden in der SPS verarbeitet. Die Heterogenität der Daten sollte hier abgefangen und standardisierte Datenbausteine definiert werden, damit auf höher liegenden Ebenen die bewährten Software- und Data Analytics Lösungen genutzt werden können.

Über die Bereitstellungsebene werden Daten aus der Feldebene mit Daten aus anderen Business Applikationen (wie zum Beispiel dem ERP) verbunden und in der Datenebene bereitgestellt. Dort werden die Daten weiterverarbeitet und analysiert. Bis hierhin sollte die Architektur möglichst unternehmensweit einheitlich gestaltet sein.

Auf der Ebene der Produktionsdienste werden die Anwendungen umgesetzt, die die Mitarbeiter in den Werken nutzen. Um das Beispiel von weiter oben aufzugreifen, könnte das ein OEE-Dashboard sein. Die Heterogenität der Werke sollte auf dieser Ebene adressiert werden: Applikationen werden nur von den Werken genutzt, für die sie Sinn machen. Individuelle Applikationen sollten möglich sein, wenn sie wirtschaftlich umgesetzt werden können.

Automation NEXT Conference 2024

Entdecken Sie die Zukunft der Automatisierung auf der Automation NEXT Conference 2024. Diese bedeutende Veranstaltung, die am 15. und 16. Oktober 2024 im Nestor Hotel Ludwigsburg stattfindet, bringt Branchenexperten zusammen, um über neueste Trends und Technologien in der Automatisierung zu diskutieren.

Die Themenbereiche umfassen Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Cybersicherheit, Edge Computing, Robotik und nachhaltige Automatisierungslösungen. Die Veranstaltung bietet eine einzigartige Plattform für Wissensaustausch, Netzwerken und Inspiration für Fachleute aus der Automatisierungsbranche.

Für weitere Informationen besuchen Sie bitte Automation NEXT Conference.

Solche Architekturen können auf Basis von Cloud-Technologien umgesetzt werden, zum Beispiel mit Microsoft Azure-Komponenten (genauso üblich ist aber auch der Einsatz von AWS Komponenten).

Bei Kunden, die Bedenken gegenüber dem Einsatz von Cloud-Technologien haben, kann eine Open-Source-On-Premise-Architektur umgesetzt werden.

Die Technik allein löst nicht alle Probleme

Neben den technischen Herausforderungen stehen Unternehmen vor einer noch größeren organisatorischen und kulturellen Aufgabe: Bislang waren IT und Produktion zwei getrennte Welten. Die Experten aus beiden Bereichen sprechen unterschiedliche Fachsprachen und kommen aus verschiedenen Fachdisziplinen. Diese Welten müssen zusammenwachsen. Interdisziplinäres Arbeiten ist der Schlüssel zum Erfolg der IT-OT-Konvergenz und damit zur digitalen Transformation in der Produktion.

Gelingt das, werden Technologien wie KI zu den erhofften Produktivitätssteigerungen in der Produktion führen. Bis dahin sollten Unternehmen jedoch nicht jedes Jahr neuen Hype-Themen hinterherjagen. Stattdessen sollten sie sich auf die dringendste Aufgabe konzentrieren: die Grenze zwischen IT und OT aufzubrechen und die Systeme sinnvoll miteinander zu integrieren.

Katek-Managerin über erfolgreiche digitale Transformation

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