Olaf Sauer ist stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IOSB und dort verantwortlich für die Geschäftsentwicklung und für Marketing & Vertrieb im Geschäftsfeld Automatisierung.

Olaf Sauer ist stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IOSB und dort verantwortlich für die Geschäftsentwicklung und für Marketing & Vertrieb im Geschäftsfeld Automatisierung. (Bild: Fraunhofer IOSB)

Das steckt hinter Manufacturing-X

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Herr Sauer, welche Vorteile bietet Manufacturing-X denn für Unternehmen; insbesondere im Hinblick auf Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen?

Olaf Sauer: Ich würde sagen, dass zuallererst mal die Skalierung von digitalen Lösungen ein ganz großer Mehrwert ist. Weil wir das in den letzten Jahren nicht erreicht haben. Wir haben es nicht geschafft, dass digitale Lösungen sich so durchsetzen, wie wir uns das ursprünglich mal vorgestellt haben. Weil sie eben doch sehr firmenspezifisch waren. Ein großer Vorteil von Manufacturing-X ist erstmal, dass wir uns davon erhoffen, dass diese digitalen Lösungen skalieren.

Das zweite ist, dass die Digitalisierungen, die wir in den letzten zehn Jahren gemacht haben, sich zum großen Teil auf unternehmensinterne Abläufe und Verbesserungen fokussiert haben. Wir haben versucht, Daten aus unseren Maschinen rauszuholen und dann erstmal innerhalb unserer Firmen zu nutzen.

Dieser Schritt geht bei Manufacturing-X darüber hinaus, weil wir jetzt Fertigungsnetzwerke oder ganze Lieferketten verbessern wollen. Natürlich wird es auch nach wie vor so sein, dass wir innerhalb der Firmen Tieflochbohrungen machen müssen, um unsere Prozesse zu verbessern. Das ist überhaupt gar keine Frage. Also wir müssen schon darauf gucken, dass unsere Prozesse optimal laufen und auch auf die letzten zwei Millisekunden irgendeiner Span-zu-Span-Zeit, um sowas auch noch rauszuholen.

Aber ich glaube, dass man durch den Datenaustausch zwischen Firmen noch viel, viel mehr Potenzial rausholen kann. Wir haben zum Beispiel Projekte mit der Automobilindustrie, wo uns die Kollegen und Mitarbeiter im Presswerk sagen, wenn wir jetzt wüssten, wie dieses Coil und dieser Stahl, mit welchen Prozessparameter der entstanden ist, dann könnten wir auf unserer Presse ganz anders und viel besser agieren.

Es ist klar: Wenn mehr Daten ausgetauscht werden würden zwischen den Firmen, würden am Ende davon alle profitieren. Das ist genau das Ziel von Manufacturing-X: Dass wir unternehmensübergreifend Daten austauschen und dass der Dateninhaber die Kontrolle darüber behält, was mit seinen Daten passiert.

Was ist Manufacturing-X?

Manufacturing-X ist eine Initiative, die digitale Technologien in der Fertigungsindustrie für alle zugänglich machen wird. Die Datenplattform ist branchenübergreifend und interoperabel und wurde von der Plattform Industrie 4.0 ins Leben gerufen.

 

Manufacturing-X wird eine intelligente und vernetzte Industrie schaffen, die auf offenen Standards basiert und einen vertrauenswürdigen Datenaustausch zwischen Unternehmen ermöglicht. Das Ziel ist es, den Unternehmen digitale Souveränität zu bieten.

Können Sie uns konkrete Beispiele nennen für bereits jetzt schon erfolgreiche Implementierungen von Manufacturing-X?

Sauer: Catena-X ist ja auch ein Teil des Manufacturing-X-Programms oder es passt auch unter dieses Dach. Bei der Halbzeit von Catena-X gab es eine schöne Demonstration, in der vier verschiedene Traceability-Apps vorgestellt wurden.

Alle Traceability-Apps bauen auf derselben Infrastruktur, auf denselben sogenannten Shared Services auf. Und dann gibt es vier verschiedene Traceability-Anbieter. Siemens, SAP und noch ein paar andere. Man sieht durch die Oberfläche, durch die Farben, die eingesetzt werden: Das ist eine Applikation von SAP oder das ist eine von Siemens. Aber die Daten, die angezeigt werden, sind in allen vier Traceability-Applikationen die gleichen. Die Daten, die rauskommen, sind identisch. Das ist doch ein super Hinweis darauf, dass das tatsächlich auch funktioniert.

Also dass Business-Applikationen von den einzelnen Anbietern entwickelt werden können auf einer gemeinsamen Basis. Aber das, was dann da rauskommt, zeigt die gleichen Werte an. Im Prinzip gibt es da nur eine Wahrheit, die dann einfach nur unterschiedlich präsentiert wird.

Was sind denn bei Manufacturing-X jetzt die nächsten Schritte?

Sauer: Es wurden ja mehrere Projekte aufgezogen. Die branchenbezogenen Projekte, wie beispielsweise Factory-X. Factory-X hat am 1. Februar offiziell seine Arbeit aufgenommen. Das ist ein Projekt mit 47 Partnern und zehn assoziierten Partnern unter der Federführung von SAP und Siemens. Das Projekt ist gerade dabei, sich zurecht zu rütteln. Wir haben gerade die Teams geformt für die verschiedenen Anwendungsfälle. Das machen alle anderen Projekte, glaube ich, inzwischen auch. Wir sind jetzt alle erstmal kurz hinter der Startlinie und sind dabei, Fahrt aufzunehmen und mit der Arbeit zu beginnen.

Auf der Hannover Messe hat einmal Catena-X seine Ergebnisse vorgestellt. Auch Factory-X war vertreten, wo wir gezeigt haben, welche Anwendungsfälle wir im Projekt haben und was wir auch von Catena-X und aus anderen Datenraumprojekten nutzen.

Denn das ist ja ganz wichtig, dass diese Basis-Services, die ja Open Source sind, dann auch von weiteren Projekten genutzt werden können und angereichert werden, erweitert werden, wo dann wieder weitere Firmen drauf aufsetzen können. Denn das ist ja das Ziel, dass man diesen Open-Source-Ansatz hat, sodass dann auch die Software dahinter weiter genutzt wird.

Warum sollte denn Ihrer Meinung nach jedes deutsche Industrieunternehmen bei Manufacturing-X mitmachen?

Sauer: Jedes deutsche Unternehmen sollte mitmachen, weil das Thema Digitalisierung für alle Unternehmen relevant ist. Wenn man seine Investitionen nicht in den Sand setzen will, ist es sinnvoll, sich einer größeren Community anzuschließen. Weil man als Einzelfirma die Digitalisierung nicht so voranbringen kann, als wenn man das im Team macht.

Es ist auch sinnvoll, dass Anwender – also Maschinenbauer, Komponentenhersteller, Systemintegratoren und so weiter – jetzt nicht anfangen, Digitalisierungslösungen allein zu entwickeln. In den letzten zehn Jahren hat sich einfach gezeigt, dass das nicht zum Erfolg führt. Es ist sinnvoll, sich mit Firmen zusammen zu tun und dann gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die dann auch firmenspezifisch oder firmenübergreifend genutzt werden können.

Wir machen es als Deutschland ja auch nicht allein, sondern wir suchen internationale Partner. Die haben wir inzwischen auch gefunden. Mit denen setzen wir Manufacturing-X gemeinsam auf, sodass es auch international taugliche Lösungen gibt. Das ist auch logisch, weil unsere exportorientierten Firmen ja nicht nur in Deutschland unterwegs sind, sondern weltweit.

Darum ist es sinnvoll, dass man Verbündete sucht, die auch auf diesem Open-Source-Gedanken aufsetzen und dann Lösungen bauen, die interoperabel in diesen Manufacturing-X-Baukasten reinpassen.

Dieses Interview ist ein gekürzter Auszug aus dem Podcast 'Industry Insights'. Das ganze Gespräch über Manufacturing-X und die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschung hören Sie hier:

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Industry Insights: Das sind die Moderatorinnen

Julia Dusold und Anja Ringel
(Bild: Anna McMaster)

Julia Dusold (links) ist Technik-Redakteurin bei mi connect. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen Fertigungstechnologien, zum Beispiel der Zerspanung, der Lasertechnik und dem 3D-Druck. Außerdem in Julias Portfolio: Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie. Gemeinsam mit der Wirtschaftsredakteurin Anja Ringel produziert und moderiert sie den Interview-Podcast Industry Insights. Vor ihrer Arbeit bei mi connect hat Julia zuerst Physik und dann Wissenskommunikation studiert. In ihrer Freizeit ist sie gerne am, im und auf dem Wasser unterwegs oder reist auf diverse Weisen in fiktive Welten. Folgen Sie Julia Dusold auch auf LinkedIn, Xing und Twitter.

 

Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel (rechts) schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen. Nach Stationen bei diversen Tageszeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken. Folgen Sie Anja Ringel auch auf LinkedIn, Xing und Twitter.

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