Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA. Im Gespräch mit PRODUKTION erklärt er, wer und was genau hinter der branchenübergreifenden Initiative Manufacturing-X steckt.

Hartmut Rauen ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA. Im Gespräch mit PRODUKTION erklärt er, wer und was genau hinter der branchenübergreifenden Initiative Manufacturing-X steckt. (Bild: VDMA)

Was genau ist die Initiative Manufacturing-X, wer steckt dahinter und wie lautet die Zielstellung?

Hartmut Rauen: "Manufacturing-X ist eine einmalige Chance, das muss man tatsächlich so sagen. Es geht um nicht weniger als den Aufbau eines föderativen Datenökosystems für alle Unternehmensgrößen, das vertrauensvoll und auf offenen Standards basierend datengetriebene Mehrwertdienste ermöglicht.

Ziel ist die einfach verfügbare und durchgängige Datenvernetzung sowie die Bereitschaft zum multilateralen Teilen von Daten im produzierenden Gewerbe. Damit sind große Transformationsaufgaben wie klimaneutrale Produktion und eine intelligent-vernetzte-, nachhaltige Produktion realisierbar. Und damit ist Manufacturing-X auch ein Mehrwert-Thema für den Industriestandort Deutschland und Europa.

Treiber der Initiative Manufacturing-X sind das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie Akteure aus Industrie und Verbänden. Der VDMA hat sich von Beginn an stark in die Initiative eingebracht, insbesondere um die Anforderungen und Bedarfe der mittelständischen Unternehmen bereits im Entstehungsprozess von Manufacturing-X einzubringen. Zudem hat der VDMA vor einigen Wochen gemeinsam mit dem ZVEI eine Bauplanstudie vorgestellt, wie ein Datenraum für Manufacturing-X zukünftig aussehen könnte und worauf es ankommt. Hierzu haben mehrere Fraunhofer-Institute zusammengearbeitet."

Bauplanstudie gibt Impulse

Eine Konzeptstudie von VDMA, ZVEI und Fraunhofer-Gesellschaft zeigt den Bauplan auf, wie ein Manufacturing-X-Datenökosystem aussehen könnte und wie Mehrwerte für Unternehmen, Gesellschaft und den Wirtschaftsstandort Europa geschaffen werden können. Die Studie gibt einen wichtigen Impuls für den zukünftigen industriellen Datenraum Manufacturing-X und ist ein Meilenstein für dessen Konzeption.

 

Denn die Architektur von Manufacturing-X wird maßgeblich darüber entscheiden, welche Mehrwerte der Datenaustausch den Unternehmen in Europa bringen wird, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein und den digitalen und grünen Wandel zu einem europäischen Erfolg zu machen.

Wie weit ist das Projekt? Gibt es politische Rückendeckung und finanzielle Unterstützung?

Rauen: "Manufacturing-X nimmt immer stärker Form an. Das BMWK hat ein Förderprogramm mit einem Volumen von bis zu 152 Millionen Euro aufgelegt. Nun können Unternehmen und interessierte Konsortien ihre Ideen und Projektskizzen einreichen. Die Politik gibt also nicht nur Rückendeckung für die Initiative, sie fördert sie eindeutig und gezielt.

Auch das Interesse in der Industrie wächst immer mehr, denn es ist jetzt der Zeitpunkt eine einheitliche Systemarchitektur mit gemeinsamen und interoperablen Lösungen zu gestalten. Da wollen viele mitgestalten und dabei sein."

 

Warum Manufacturing X den Maschinenbau in die Zukunft bringt - Diese Frage wird am zweiten Tag des Maschinenbau-Gipfels beantwortet. Mehr zur Veranstaltung erfahren Sie hier:

Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

Kommen Sie zum Maschinenbau-Gipfel!

Der 14. Deutsche Maschinenbau-Gipfel war ein herausragender Erfolg! Über 900 Teilnehmer versammelten sich in Berlin für den größten Gipfel aller Zeiten. Prominente Gäste wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bereicherten die Veranstaltung.

 

2025 geht es weiter! Die Branche trifft sich am 16. und 17. September 2025 in Berlin.

 

Sichern Sie sich hier Ihr Ticket zum Frühbucherpreis!

Einzelne Unternehmen oder Fachverbände können Manufacturing-X jedoch nicht allein umsetzen: Wie ist Manufacturing-X national und international aufgestellt?

Rauen: "Manufacturing-X basiert zu 100 Prozent auf dem Team-Gedanken und setzt auf das starke Miteinander im verarbeitenden Gewerbe. Wir wollen weg von einem ‚Egosystem‘ hin zu einem ‚Ecosystem‘. Denn es gibt am Ende des Tages keine Teilbranche der Industrie, die nicht von einem souveränen Datenökosystem profitieren könnte. Auch will kein Unternehmen seine Daten ins Ungewisse abgeben oder seine wertvollen Kundenschnittstellen verlieren. Manufacturing-X setzt genau da an und bietet hierzu Sicherheit für die Unternehmen.

Diese Aspekte werden in der Industrie klar gesehen, daher ist die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden und engagierten Unternehmen so stark. Und: Manufacturing-X ist ein Thema, das über die Landesgrenze hinausgeht. Denn der Austausch von Daten und digitale Geschäftsmodelle für Industrie 4.0 kennen keine Schlagbäume oder Zollhäuschen. Hinzu kommen die europäischen Anforderungen aus dem European Data-Act, der die Unternehmen zum Datenaustausch anhält."

Manufacturing-X.
Manufacturing-X auf einen Blick. (Bild: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)

Warum ist das Thema so wichtig für den Maschinenbau?

Rauen: "Wie so oft steht der Maschinen- und Anlagenbau im Zentrum der Entwicklung. Er ist Anbieter und Anwender von Industrie 4.0-Technologien und wichtiger Enabler für die großen Transformationsthemen unserer Zeit Klimaschutz und Ressourceneffizienz, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft sowie klimaneutrale Produktion. Der sichere und souveräne Austausch von Produkt- und Produktionsdaten im B2B-Bereich ist dafür essenziell und der Maschinen- und Anlagenbau sitzt an der Quelle dieser Daten. Diesen strategisch wichtigen Punkt nimmt Manufacturing-X auf, um einen bestmöglichen Datenraum zu schaffen.

Es geht darum einen Handlungsraum zu schaffen für eine souveräne und innovative Industrie, der endlich eine Skalierung der Datenökonomie ermöglicht – ohne die üblichen Nachteile einer Plattformökonomie wie Zentralisierung, Souveränitätsverluste oder Lock-in-Effekte. Vielmehr soll ein föderatives, demokratisches und interoperables Datenökosystem geschaffen werden.

Der Ansatz ist, dass Unternehmen einerseits Basisdienste für nicht-wettbewerbliche Angebote – wie etwa Interoperabilität oder Security – mit geringen Barrieren nutzen können, andererseits aber auch ihre Kundenschnittstelle erhalten und sich durch eigene Innovationen im Wettbewerb differenzieren können – etwa in Form von Apps und spezifischen Serviceangeboten.

Die Unternehmen, kleine wie große, können ihr Domänenwissen in digitalen Mehrwertdiensten entfalten und die Digitalisierung von Lieferketten kann ebenfalls profitieren."

Manufacturing-X und Datenraum Industrie 4.0

Mit Manufacturing-X haben Wirtschaft, Politik und Wissenschaft eine gemeinsame Initiative gestartet. Unternehmen sollen Daten über die gesamte Fertigungs- und Lieferkette souverän und gemeinsam nutzen können. Die branchenübergreifende Initiative setzt den dabei den oft zitierten Datenraum Industrie 4.0 um, einen Datenraum, der die zukünftige Wertschöpfung in der industriellen Fertigung und Produktion beschleunigen wird. Voraussetzungen für einen funktionierenden Datenraum sind eine einfach verfügbare und durchgängige Datenvernetzung und die Bereitschaft zum multilateralen Teilen von Daten. Manufacturing-X schafft vertrauensvolle Datenökosysteme, die auf offenen Standards basieren.


Mit Manufacturing-X soll es künftig möglich werden, neue Geschäftsmodelle für eine nachhaltige Wirtschaft zu schaffen (geschlossene Kreislaufwirtschaft, Transparenz über CO2-Fußabdruck und höhere Nachhaltigkeit), Wertschöpfungsnetzwerke neu zu organisieren und dank schnell auf Störungen zu reagieren (Resilienz) und schließlich mit digitalen Innovationen die globale Führungsposition der deutschen Industrie zu sichern und auszubauen (Wettbewerbsstärke).

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Um weiterhin an der technologischen Spitze zu bleiben und Klimaschutz zu ermöglichen, muss sich die Produktionswelt ändern. Wie könnte das aussehen - auch hinsichtlich der großen Wettbewerber in Europa, USA und China?

Rauen: "Industrie 4.0 hat an vielen Stellen bereits zu deutlich mehr Effizienz und damit auch Ressourcenschutz beigetragen. Es wird nun darum gehen diese Technologien weiterzuentwickeln und mit den Themenfeldern Kreislaufwirtschaft und klimaneutrale Produktion zu verschmelzen. Der Maschinen- und Anlagenbau ist dabei die Schlüsselindustrie, denn ohne unsere Spitzentechnologien ist ‚Green Tech‘ nicht möglich.

Klar stehen die europäischen Unternehmen dabei im internationalen Wettbewerb, doch uns muss dabei nicht bange sein. Es gibt viele Innovationen und Technologien, die aus Deutschland und Europa kommen und weltweit gefragt sind. Man darf sich auch nicht dem Irrglauben hingeben, die USA und China wüssten nicht um die Bedeutung des Klimas. Beide Nationen haben Klimaschutz strategisch weit oben auf der Agenda stehen und damit sind auch Geschäftspotenziale für den Maschinen- und Anlagenbau verbunden."

Gibt es Unterschiede zu Industrial Metaverse-Bemühungen oder trifft es das?

Rauen: "Das Industrial Metaverse stellt eine immersive Art dar, um als Anwender mit Internetdiensten zu interagieren. Auch immersive Internetdienste benötigen Daten, um Mehrwerte zu generieren. Und ein Datenökosystem benötigt benutzerfreundliche Anwendungen. So können sich beide Konzepte ergänzen und gegenseitig zum Erfolg führen."

Was sind die nächsten Milestones?

Rauen: "Die Auswahl der geförderten Projekte und der Aufbau eines Transferrahmens stehen nun an. Zudem bereitet der VDMA seine Mitglieder mit Infotagen auf die neuen Möglichkeiten vor, arbeitet weiterhin an relevanten Standards - Stichwort OPC-UA - sowie am Aufbau der UMATI-Community und gestaltet parallel laufende Regulierungsprozesse ganzheitlich mit. Sei es im Themenfeld PCF, Kreislaufwirtschaft oder Pilotprojekten zum digitalen Produktpass."

(Bearbeitet von Anja Ringel und Sabine Königl.)

Podcast: VDMA-Vizepräsident Kawlath zur Lage im Maschinenbau

Sie möchten gerne weiterlesen?