Am 11. und 12. Oktober 2022 findet in Berlin der 13. Deutsche Maschinenbau-Gipfel von VDMA und PRODUKTION statt. Auch Donatus Weber, Direktor Digital Services bei Kampf Schneid- und Wickeltechnik, wird teilnehmen.
Herr Weber, welchen Stellenwert hat für Kampf Schneid- und Wickeltechnik und auch für Sie persönlich der Maschinenbau-Gipfel im Herbst?
Donatus Weber: Der Maschinenbau-Gipfel ist ein ganz wichtiges Branchentreffen und Netzwerkevent sowohl für uns als Kampf Schneid- und Wickeltechnik als auch für unsere Muttergesellschaft Jagenberg AG und den Verband VDMA, wo wir aktiv mitarbeiten. Wo, wenn nicht dort, spricht man über aktuelle Zukunftsthemen? Im Augenblick ist wirklich vieles im Wandel. Und genau deshalb ist der Maschinenbaugipfel der richtige Ort, um Leute zu treffen, sich auszutauschen, zu schauen, wie es andere machen, und gemeinsam den deutschen Maschinen- und Anlagenbau voranzutreiben.
Ich persönlich freue mich nach der Lockerung der meisten Corona-Beschränkungen in erster Linie wieder auf ein physisches Treffen wie auch jüngst auf der Hannover Messe. Bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber der IT und Online-Konferenztools: Menschen persönlich zu treffen und zu sprechen ist doch ein ganz anderes Netzwerken als im virtuellen Raum.
Ihr Traditionsunternehmen und offenbar die gesamte Gruppe setzen voll auf Digitalisierung und dabei insbesondere auf den Aufbau digitaler Plattformen für Kunden, Partner und Lieferanten. Was genau ist die Idee dahinter?
Weber: Das Wort „Plattformökonomie“ an sich klingt zunächst sehr trocken und auch theoretisch aufgeladen. Im Endeffekt geht es um die digitale Transformation, die überhaupt nicht möglich ist, ohne sich mit dem Thema Plattformen zu beschäftigen. Ökonomie spielt hier eine wichtige Rolle, denn Plattformen dienen nicht dem Selbstzweck, sondern bilden oft die technische Basis für Geschäftsmodelle. Wir haben zu Beginn unserer Beschäftigung mit diesem Thema in den Jahren 2015/2016 formuliert, dass wir damit erfolgreich sein werden, wenn wir in einigen Jahren noch genauso viele Maschinen verkaufen oder sogar mehr. Und Letzteres ist heute tatsächlich der Fall.
Als eines der ersten Maschinenbauunternehmen überhaupt hat sich Kampf Schneid- und Wickeltechnik ganz bewusst sehr früh dafür entschieden, in diesen Bereich hineinzugehen und eine eigene Industrial Internet of Things-(IIoT)-Plattform für den Bereich bahnförmiger Materialien zu entwickeln. Dafür haben wir von Anfang an das Verständnis und die volle Rückendeckung unseres Gesellschafters und auch des Vorstandes genossen. Wer dieses Vertrauen in seinem Unternehmen nicht hat, braucht erst gar nicht mit Plattformökonomie anzufangen.
Auch darf man sich dabei nicht ausschließlich von klassischen ROI-Kriterien leiten lassen, weil die Spielregeln auf diesem Feld einfach andere sind. Es geht bei der Plattformökonomie nicht darum, innerhalb von ein bis zwei Jahren mal schnell etwas aus dem Boden zu stampfen, was sofort Gewinn abwirft, sondern um das Langfristige, mehr oder weniger um ein Differenzierungsmerkmal im globalen Wettbewerb.
Kommen Sie zum Maschinenbau-Gipfel!
Der 14. Deutsche Maschinenbau-Gipfel war ein herausragender Erfolg! Über 900 Teilnehmer versammelten sich in Berlin für den größten Gipfel aller Zeiten. Prominente Gäste wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bereicherten die Veranstaltung.
2025 geht es weiter! Die Branche trifft sich am 16. und 17. September 2025 in Berlin.
Können Sie uns Ihre eigene Kundenplattform kurz vorstellen?
Weber: Mit unserer IIoT-Plattform "the@vanced" stellen wir unseren Anwendern eine Art digitale Hülle zur Verfügung, die unsere Maschinen virtuell um alles ergänzt, was mittels digitaler Services heute möglich ist, wie beispielsweise datenbasierte Auswertungen sowie Optimierungen. Das beginnt beim digitalen Zwilling der produzierten Rollen und geht über Diagnosedashboards bis zum Wartungskalender mit interaktiven Videos.
Moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) ermöglichen das optimale Bestimmen der Produktionsparameter und damit das effiziente Fahren des Materials. Die integrative Plattform lässt sich schnell mit umgebenden Systemen oder Maschinen koppeln um weitere Potentiale zu heben. Unser Kundenportal "my@vanced" ergänzt die IIoT Plattform "the@vanced" durch einen 360-Grad-Blick über den Maschinenpark und bietet beispielsweise die Möglichkeit sehr schnell an benötigte Ersatzteile zu kommen, neue digitale Services zu buchen oder den Zugriff auf aktuelle Auftrags- und Maschinenunterlagen.
Im Kern geht es uns darum, mit der Plattform kein „happy Engineering“ zu betreiben, um beispielsweise mit Künstlicher Intelligenz (KI) ungeheuer tolle Dinge zu zaubern, die keinen wirklichen Kundennutzen haben – dieser Weg bringt unser Einschätzung nach nicht den gewünschten Erfolg. Kampf Schneid- und Wickeltechnik verfolgt vielmehr die Strategie des „Customer Chair“, das heißt, wir stellen in allen unseren Meetings einen physischen Stuhl auf.
Damit nimmt der Anwender virtuell an allen unseren Besprechungen teil: Immer dann, wenn in der Hitze des Gefechts die Dinge zu weit abschweifen, kann eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter sich auf diesen Stuhl setzen und die Rolle eines potenziellen Kunden einnehmen. Das ist manchmal sehr hart, führt aber dazu, dass wir uns im Kern um die wirklich wichtigen Themen kümmern. Zum einen ist das die Produktivität, nämlich möglichst gut mit wenig Ausschuss und hohem OEE zu produzieren. Der zweite Punkt ist die Produktionssicherheit.
Darüber hinaus gibt es aber noch die Partnerplattformen ...
Weber: Völlig richtig. Alleine hat man in der digitalen Welt heute einfach keine Chance mehr, das geht nur zusammen in einem schlagkräftigen Konsortium. Deshalb haben wir gleich zu Beginn auch das Partnernetzwerk Converting 4.0 aufgebaut, das mittlerweile über 80 Unternehmen und auch Forschungsinstitute vernetzt. Dabei geht es – wie auch beim Maschinenbaugipfel – um Netzwerken und gegenseitigen Austausch. Auf diese Weise ist über die Jahre viel Wertvolles entstanden wie beispielsweise das digitale Rollenprotokoll: weg von dem einzelnen, maschinenbezogenen Optimum hin zu einem globalen Optimum innerhalb der Wertschöpfungskette.
Angefangen beim Granulat bis hin zur Displayfolie wird innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette analysiert, welche Daten wo anfallen und wie zu gewährleisten ist, dass auch der jeweils Nächste in der Kette seine Maschine optimaler fahren kann. Wichtig zu erwähnen ist hier auch die R-Cycle Initiative zur Verbesserung des Recyclings von Kunststoffverpackungen. Auch dies geht nicht alleine, sondern nur gemeinsam.
Zukunftstechnologien verstehen!
Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!
Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".
Wenn ich Sie richtig verstehe, ist der Hintergrund Ihrer Aktivitäten offenbar, dass mit der digitalen Transformation und der Plattformökonomie ein völlig neues Geschäftsmodell verknüpft ist und dass Kampf Schneid- und Wickeltechnik dieses Geschäft nicht den sogenannten Hyperscalern alleine überlassen will?
Weber: Digitale Plattformen ermöglichen neue Geschäftsmodelle, benötigen aber auch einen anderen Vertrieb. Wir leben wirklich inmitten eines dynamischen Wandels. Meine Prognose ist, dass dieser digitale Wandel oder Transformation in den kommenden Jahren dafür sorgen wird, dass ab einer gewissen Größe so gut wie keine Maschine mehr ohne zusätzliche digitale Services am Markt angeboten werden kann.
Danach wird die Entwicklung in Richtung „Pay per Use“ weitergehen. Alles zusammen führt dazu, dass unser traditionelles Geschäft des Verkaufens eines physischen Produkts aus Stahl und Eisen immer kleiner wird. Kampf Schneid- und Wickeltechnik hat auf diese Herausforderungen seine Antwort gefunden: Zum einen benötigt man eine gewisse Vorlaufzeit, zum anderen muss dafür auch ein schlagkräftiges Software-Team zusammengestellt werden – für einen Maschinenbauer ein wahrer Paradigmenwechsel.
Sie haben das Thema Hyperscaler angesprochen. In diesem Kontext möchte ich auf die sehr aussagefähige Studie von Deloitte „Wachstumsmotor Maschinenbau. Vier Szenarien für eine erfolgreiche Zukunft in 2030“ verweisen. Dort ist ganz klar ersichtlich, dass es auch für Maschinenbauer unerlässlich ist, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Die Hyperscaler sind an diesem Markt ebenfalls sehr interessiert und uns, was Datenanalyse oder Künstliche Intelligenz angeht, natürlich meilenweit voraus.
Wir dagegen haben das Prozesswissen. Damit erschließen sich ganz hervorragende Möglichkeiten. Daher braucht sich der deutsche Maschinenbau wirklich nicht zu verstecken und ist absolut in der Lage, sich mit einem guten Konzept und geeigneter Strategie in diesem Wettbewerb in eine gute Position bringen und mit eigenen digitalen Services erfolgreich zu sein. Einzelkämpfer aber werden in Zukunft am Markt keine Chance mehr haben.
Ist der Aufbau eigener digitaler Plattformen jetzt der Königsweg, den die Maschinenbaubranche insgesamt einschlagen sollte?
Weber: Von einem Königsweg möchte ich nicht sprechen. Mittlerweile ist die Zeit auch sehr weit fortgeschritten, sodass jedes Unternehmen es sich sehr genau überlegen sollte, ob es sich wirklich lohnt, die nicht unerheblichen Ressourcen – wir sprechen dabei von Millionenbeträgen – für eine eigene digitale Plattform aufzuwenden. Die Unternehmensberatung McKinsey beispielsweise beschreibt in ihrer Publikation „Kundenzentrierung als Chance für den digitalen Durchbruch“ sehr detailliert, wann und für wen es sich lohnt, eine eigene digitale Plattform aufzubauen.
Ein zweiter erfolgversprechender Weg, sich den drängenden Herausforderungen zu stellen, ist der Beitritt zu einem bereits vorhandenem Branchennetzwerk: Auch in der digitalen Transformation muss nicht jeder den „Selfmademan“ spielen, sondern kann über Netzwerke davon profitieren, was andere bereits auf die Beine gestellt haben.
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