Weltweit gibt es nur eine Handvoll Hersteller von Röntgenröhren. Einer davon ist Philips Medical Systems aus Hamburg. Die Tatsache, dass man diese neben den Hochspannungsgeneratoren für Röntgensysteme schon seit mehr als 100 Jahren produziert, ist jedoch nicht die einzige Besonderheit des Fabrik-des-Jahres-Siegerwerks der Kategorie ‚Exzellenz in Nachhaltigkeit‘.
Dieter Dude, Plant Manager Factory Hamburg, ergänzt: „Wir haben hier auch schon seit 30 Jahren Design for Remanufacturing als Prinzip eingebunden, weil wir in der Fertigung hochwertige, teure Materialien einsetzen, die bei Temperaturen über 2.000 °C funktionieren müssen. Deshalb denken wir schon bei der Entwicklung darüber nach, wie man von Rückläufern gewonnene Teile wieder in den Zustand eines Neuteils bringt und dem Prozess erneut zuführen kann.“
Das Prinzip gilt auch für Ausschuss in der Fertigung. „Wenn ein Produkt so entwickelt wurde, dass es im Schrott landet, wenn es ausfällt, dann hat man den gesamten Material- und Lohneinsatz verschwendet. Man kann ein Produkt jedoch auch so entwickeln, dass man es demontieren und Teile wiederverwenden kann“, nennt Dude beispielhaft ein Resultat aus der engen und langjährigen Zusammenarbeit zwischen Entwicklung, Fertigung und Forschung, die am Standort nie voneinander getrennt wurden.
Fabrik des Jahres
Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben in Europa. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Gewinner geehrt. Der nächste Kongress wird am 18. und 19. März 2025 stattfinden.
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Zusätzlicher Aufwand bringt auch finanziellen Vorteil
„Anfangs war dies eine kleine Aktivität bei uns und widmete sich vorrangig verschleißfreien Teilen“, blickt Dude auf die Zeit zurück, in der sich die etwa 200 Quadratmetern große Remanufacturing-Ideenschmiede noch in einer Ecke der Fertigung befand.
Mittlerweile steht diesem Bereich ein ganzes Stockwerk zur Verfügung. „Wenn Sie das Feuer in einer Organisation anzünden, kann es nur dauerhaft brennen, wenn Sie jemanden haben, der das treibt und die Organisation auch verstanden hat, dass es sinnvoll ist, sich dort einzubringen und bei jeder Neuentwicklung darüber nachzudenken“, verrät der Werkleiter das Erfolgsrezept des Remanufacturing.
Am Ende nämlich ist dieser zusätzliche Aufwand in der Entwicklung nicht nur nachhaltig, sondern bringt auch einen finanziellen Benefit: „Weil wir intern einen Kreislauf aufgebaut haben, liegen wir mittlerweile bei über 150 Tonnen Rohstoffe, die etwa einen Prozentsatz von 25 Prozent unseres Materialeinsatzes ausmachen und die wir nicht einkaufen mussten. Hinzu kommen mehrere Millionen Kilowattstunden Energie, die bei der Produktion der Lieferanten eingespart werden.“
Werk ist resilienter geworden
Da das Werk durch das Remanufacturing zum Teil sein eigener Lieferant ist, ist es zum einen resilienter gegenüber Lieferkettenstörungen, zum anderen kann es eine stabile Versorgung von Komponenten bei volatilen Bedarfen gewähren. Mit Teilen, die mitunter sogar noch besser sind als Neuteile, wie Dude weiß: „Wenn man diese in einen neuwertigen Zustand versetzten Teile im Hochvakuum verwendet, die zuvor schon ein paar Jahre im Hochvakuum waren, dann sind Qualität und Performance besser als von denen, die direkt aus der Erzhütte kommen.“
In Neuteilen gibt es nämlich immer Mikropartikel, die im Hochvakuum über die Jahre hinweg austreten. „In den letzten zehn Jahren haben wir durch die Form der Kreislaufwirtschaft die Menge der rückgewonnenen Teile versiebenfacht“, freut sich Dude über die gelebte Kultur der Verantwortungsübertragung und den unerschöpflichen Ideenreichtum seiner Mitarbeitenden.
„Schon seit längerer Zeit besteht bei uns die Möglichkeit eigene Verbesserungsvorschläge auch digital einzureichen. Einfach weil es viele engagierte Menschen gibt, die mit den Materialien arbeiten und sich fragen, warum man diese nicht wieder in den Neuzustand zurückversetzen kann“, so Dude weiter.
Das Werk setzt digitale Lösungen gezielt ein
Die kontinuierliche Verbesserung beschränkt sich im Siegerwerk allerdings nicht nur auf „das immer schneller drehende Schwungrad Sustainability und Kreislaufwirtschaft“, wie Dude es nennt. Für einen Sieg bei der Fabrik des Jahres war für die Unternehmensberatung Kearney auch der gezielte Einsatz digitaler Lösungen für die Verbesserung der operativen Exzellenz entscheidend.
Eine davon ist die automatisierte statistische Prozesskontrolle mit automatischem Frühwarnsystem. In einer Großserienfertigung ist eine solche Lösung nicht ungewöhnlich. „Wir fertigen aber nur um die 10.000 Produkte im Jahr. Und weil wir noch dazu eine extrem vertikal integrierte Fertigung haben, zu der unter anderem Glasbläser, Galvanik und mechanische Bearbeitung gehören, kommen wir eher von einer Manufaktur und können nur in gewissen Maßen automatisieren. Dass wir also eine Flusskontrolle mit Frühwarnsystem haben, ist in einer Kleinserienfertigung schon einzigartig“, findet Dude.
Allerdings ist sie auch notwendig, denn Philips Medical Systems arbeitet an den Grenzen der Physik, wodurch das Beheben von Problemen mitunter mehrere Wochen dauern kann.
Prof. Schuh war der Auslöser für die Bewerbung
Eine Bewerbung für die Teilnahme am Benchmark-Wettbewerb war in der Vergangenheit immer wieder im Gespräch, getraut habe man sich jedoch nie. Erst der Vortrag zur Kreislaufwirtschaft von Prof. Dr. Günther Schuh auf dem letzten Kongress zur Fabrik des Jahres gab den Anstoß. „Der Sieg hat uns schon ein bisschen die Augen geöffnet, dass wir das, was wir hier tun, sehr gut machen“, sagt Dude in norddeutscher Bescheidenheit.
Und so hofft er, den Design for Sustainability-Ansatz auch innerhalb des Konzerns noch weiter ausrollen zu können, denn „ich glaube, auch durch die kulturelle Veränderung, die sich hier im Laufe der Jahrzehnte ergeben hat, kann man mit dieser Idee sicherlich auch andere befruchten.“
Fabrik des Jahres: Die Sieger 2024
Die diesjährigen Gewinner aller Kategorien im Überblick:
- Fabrik des Jahres 2024: Wilo SE, Werk Dortmund
- GEO Award: Unternehmensgruppe Fischer, Produktionswerk Ivanovice na Hane, Tschechien
- Hervorragende Serienfertigung: BMW Group, Werk Regensburg
- Hervorragende Kleinserienfertigung: Festool GmbH, Werke Weilheim/Neidlingen
- Hervorragende Digitalisierung & Automatisierung: Mercedes-Benz AG, Werk Rastatt
- Exzellenz in Nachhaltigkeit: Philips Medical Systems GmbH, Werk Hamburg