Mercosur-Deal vor dem Aus?
DIHK fordert Einsatz für Mercosur-Abkommen
Die Diskussion um das EU-Mercosur-Abkommen spitzt sich zu: Während die Unterzeichnung kurz bevorsteht, warnt die DIHK eindringlich vor dem Scheitern – ein Weckruf für Europas Wirtschaftspolitik.
Die DIHK fordert einen EU-Deal mit den Mercosur-Staaten (Flaggen v.re.: Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Bolivien - nicht auf dem Bild das derzeit suspendierte Mitglied Venezuela).
Javier - stock.adobe.com)
Wirtschaftliches Potenzial mit Signalwirkung
Was ist Mercosur?
Mercosur ist ein Wirtschafts- und Handelsbündnis südamerikanischer Staaten. Der Name steht für Mercado Común del Sur – auf Deutsch: Gemeinsamer Markt des Südens. Gegründet wurde Mercosur im Jahr 1991 durch den Vertrag von Asunción. Zu den aktiven Vollmitgliedern zählen derzeit Brasilien, Argentinien, Uruguay, Bolivien und Paraguay.
Ziel des Zusammenschlusses ist die wirtschaftliche Integration der Mitgliedsländer durch die Schaffung einer gemeinsamen Zollunion sowie die schrittweise Angleichung wirtschaftlicher und handelspolitischer Rahmenbedingungen. Mit rund 300 Millionen Einwohnern stellt Mercosur einen bedeutenden Binnenmarkt dar und gilt als eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Projekte Südamerikas.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht die europäische Handelspolitik an einem entscheidenden Wendepunkt. Mit Blick auf das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Mercosur-Bündnis mahnt die Kammer zur Eile – und warnt eindringlich vor den Folgen eines Scheiterns. Das Signal aus Berlin ist klar: Der Abschluss des Abkommens sei nicht nur überfällig, sondern wirtschaftlich dringend geboten.
Volker Treier, Außenwirtschaftschef der DIHK, formuliert es unmissverständlich: „Die EU darf die Chance nicht verpassen, sich mit den wichtigen Handels- und Rohstoffpartnern in Südamerika enger zu verbinden und bestehende Handelshürden abzubauen.“ Er fordert daher eine klare Positionierung auch der Bundesregierung für die Ratifizierung des Abkommens. Es gehe dabei um mehr als nur Zollsenkungen – es gehe um strategische Partnerschaften in einer geopolitisch herausgeforderten Weltordnung.
Ein Deal mit Geschichte und Gewicht
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay zählt zu den ambitioniertesten seiner Art. Nach über 25 Jahren zäher Verhandlungen steht der Vertrag nun kurz vor der Unterschrift – zumindest theoretisch. Die EU-Kommission spricht vom größten Handelsabkommen, das jemals geschlossen wurde. Eine Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern würde entstehen.
Doch auch wenige Tage vor dem entscheidenden EU-Gipfel ist noch unklar, ob die politische Unterstützung für den Deal ausreicht. Die Unterzeichnung sollte ursprünglich bereits vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel erfolgen, doch die notwendige Mehrheit im Rat bleibt fraglich. Sollte sie zustande kommen, ist die formale Unterzeichnung im Rahmen eines Mercosur-Gipfels in Brasilien am darauffolgenden Wochenende vorgesehen.
Widerstände aus Europa
Insbesondere Frankreich stellt sich quer. Die Regierung in Paris forderte erneut Nachbesserungen am Abkommen und plädierte für eine Verschiebung des Abschlusses. Die Kritik zielt vorwiegend auf Umweltstandards, Landwirtschaft und Sozialfragen – Punkte, die bereits in der Vergangenheit für Verzögerungen sorgten.
Für die deutsche Industrie hingegen überwiegen die wirtschaftlichen Vorteile. „Nach mehr als 25 Jahren Verhandlungen erwarten die Unternehmen in Deutschland, dass der Europäische Rat und das Europäische Parlament das Abkommen mit den Mercosur-Partnerländern endlich abschließen“, betont Treier. Die Freihandelszone böte eine wichtige Diversifizierung der Beschaffungsmärkte, speziell im Bereich kritischer Rohstoffe.
Handelschancen und Wettbewerbsfähigkeit
Ein zentrales Argument der Befürworter sind die wirtschaftlichen Potenziale: Durch den Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen könnten Exporteure aus der EU deutlich einfacher auf die Märkte in Südamerika zugreifen. Umgekehrt würden Unternehmen aus dem Mercosur-Raum besseren Zugang zum europäischen Markt erhalten – eine Win-Win-Situation, betonen Wirtschaftsvertreter.
Vor allem für exportorientierte Industriezweige in Deutschland – etwa Maschinenbau, Automobilindustrie oder Chemie – eröffnen sich durch das Abkommen neue Chancen. Rohstoffe wie Lithium, Eisenerz oder Agrarprodukte könnten einfacher importiert werden, während europäische Technologieprodukte Absatzmärkte in Südamerika erschließen würden.
Strategische Partnerschaften statt Protektionismus
Neben den rein wirtschaftlichen Vorteilen unterstreicht die DIHK auch die geopolitische Relevanz des Mercosur-Abkommens. In Zeiten zunehmender Handelskonflikte und instabiler Lieferketten sei eine engere wirtschaftliche Kooperation mit verlässlichen Partnern wichtiger denn je. Südamerika gilt in diesem Kontext als strategisch bedeutsame Region – sowohl als Absatzmarkt als auch als Quelle kritischer Rohstoffe.
Das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten wird daher nicht nur als wirtschaftliches Projekt, sondern auch als Signal für eine offene, multilaterale Weltwirtschaft verstanden. Ein Scheitern könnte hingegen als Rückschritt in Richtung Protektionismus gewertet werden – mit entsprechenden Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.
Zwischen Hoffen und Bangen
Der Zeitpunkt für eine Entscheidung könnte kaum brisanter sein. Während sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem Brüsseler EU-Gipfel beraten, bleibt die Zustimmung zum Mercosur-Deal ungewiss. Die formale Unterzeichnung ist zwar in Brasilien geplant, doch ohne ein klares politisches Mandat wird es dazu nicht kommen.
Die deutsche Wirtschaft, vertreten durch die DIHK, sendet derweil ein deutliches Signal in Richtung Politik. Der Appell an die Bundesregierung und die EU-Institutionen ist unmissverständlich: Jetzt sei der Moment, Verantwortung zu übernehmen und das Abkommen endlich abzuschließen.
Mit Material der dpa
FAQ – Wichtiges zum EU-Mercosur-Abkommen
- Was ist das EU-Mercosur-Abkommen? – Es handelt sich um ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den vier südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay.
- Was fordert die DIHK? – Die Deutsche Industrie- und Handelskammer fordert einen entschlossenen Einsatz der Bundesregierung für die Ratifizierung des Abkommens.
- Warum ist das Abkommen wirtschaftlich wichtig? – Es bietet durch Zollsenkungen und Marktöffnungen großes Potenzial für den Handel zwischen der EU und Südamerika.
- Was kritisiert Frankreich am Abkommen? – Die französische Regierung fordert Nachbesserungen in Bereichen wie Umweltstandards und Sozialpolitik.
- Wann soll das Abkommen unterzeichnet werden? – Geplant ist die Unterzeichnung am Rande eines Mercosur-Gipfels in Brasilien, sofern der EU-Gipfel zuvor grünes Licht gibt.