Ein Knoten in der Gasleitung von Russland in die Ukraine

Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine und die damit einhergehenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland ist die Diskussion aufgekommen, inwieweit die Belieferung Europas mit russischem Gas noch gewährleistet ist. (Bild: V.Yakobchuk - stock.adobe.com)

"In der aktuellen Situation zeigt sich ganz deutlich, wie sehr Deutschlands Energieversorgung von Gaslieferungen aus Russland abhängig ist", sagt Wolfgang Hahn, Geschäftsführer der ECG Energie Consulting. "Und russisches Gas lässt sich nicht so einfach und schnell ersetzen." Wenn künftige Lieferungen ausblieben, stiegen die Preise weiter – mit Auswirkungen auf den gesamten deutschen Energiemarkt.

"Unternehmen sollten deshalb in der aktuellen Situation keine Zeit mehr verlieren. Wichtig ist, die Energiebeschaffung nicht auszusetzen, sondern ganz im Gegenteil schnell zu handeln", erläutert Hahn. "Doch Vorsicht vor Aktionismus: Wichtig ist speziell jetzt, strukturiert vorzugehen, das Risiko zu streuen und in Tranchen einzukaufen." Dabei sollte nun aber die Absicherung stärker im Vordergrund stehen als bisher, während dennoch Spielraum für den späteren Kauf von Teilmengen bestehen bliebe.

Wolfgang Hahn, Geschäftsführer der ECG Energie Consulting
(Bild: ECG Energie Consulting)

"Die Unternehmen sollten nicht nur darauf hoffen, dass die deutsche Politik zeitnah Mittel und Wege finden wird, die Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden", sagt Wolfgang Hahn, Geschäftsführer der ECG Energie Consulting aus Kehl.

Zu der aktuellen Problematik erklärt Tobias Federico, Geschäftsführer von Energy Brainpool aus Berlin gegenüber dem ZDF: "Die gute Nachricht ist, dass wir durch diesen Winter kommen werden, weil wir genügend Erdgas in den Speichern haben. Spannend ist, wie der nächste Winter wird."

Inwieweit sich Deutschland auf russische Gaslieferungen verlassen könne, sieht Federico wie folgt: "Wir haben eine lange Historie mit Russland beziehungsweise den Vorgängerstaaten. So hat die Sowjetunion auch zu Kalten Kriegszeiten immer Erdgas nach Europa geliefert. So vermutet man, dass Russland ein zuverlässiger Vertragspartner ist. Doch unter den neuen Rahmenbedingungen würde ich doch ein gewisses Fragezeichen dahinter stellen wollen", gibt er zu Bedenken.

Deutschland zu stark auf russisches Gas angewiesen

Dass Nord Stream 2 auf Eis gelegt ist, sieht Federico nicht unbedingt als Problem, im Hinblick auf die Ausbauziele der erneuerbaren Energien und den Kohleausstieg hingegen schon. Doch Nord Steam 2 könne substituiert werden.

"Viel gravierender wäre es, wenn es zum kompletten Lieferstopp kommen würde." Deutschland habe sich zu abhängig von russischen Gaslieferungen gemacht, denn "wenn wir 55 Prozent des Erdgases aus Russland beziehen, dann ist das eine sehr hohe Abhängigkeit. Normalerweise wären etwa 20 Prozent aus einem Land zu beziehen gesund", erläutert Federico. Das zu substituieren, sei eine gewisse Herausforderung.

Als Ersatzenergie sieht Federico lediglich verflüssigtes Erdgas: "Für das LNG wären die USA ein sehr guter Exporteur, das Flüssiggas wird per Schiff nach Europa gebracht."

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Flaggen von der Ukraine und Russland
(Bild: jd-photodesign - stock.adobe.com)

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Dabei sei laut Hahn die aktuelle Preisentwicklung nur eines der aktuellen Energie-Risiken für die deutschen Unternehmen. Ein weiteres sei die mittel- bis langfristige Versorgungssicherheit: Viele Unternehmen blickten bereits auf den nächsten Herbst und Winter und fragten sich, ob die Gasspeicher dann wieder gefüllt seien, ob eine angemessene Alternative zu russischem Gas gefunden sein würde oder ob der Gasimport aus Russland komplett unterbrochen sein werde.

Was können Betriebe also tun? "Die Unternehmen sollten dabei allerdings nicht nur darauf hoffen, dass die deutsche Politik zeitnah Mittel und Wege finden wird, die Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden und in kurzer Zeit einen auch im Hinblick auf die Kosten angemessenen Ersatz findet. Stattdessen sollten sie auch unter diesen neuen Vorzeichen verstärkt die eigene Dekarbonisierung vorantreiben und Alternativen wie etwa Energie aus nachwachsenden Rohstoffen zügig in ihre Energieversorgung einbauen", rät Hahn. Wer solche Projekte bereits angestoßen habe, besitze einen wichtigen Vorsprung.

Rückblick: Wie sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zuspitzte

2014: Russland hält ein international nicht anerkanntes Referendum auf der Krim ab und gliedert sie als Landesteil ein. USA und EU verhängen Sanktionen gegen Moskau. In der ostukrainischen Region Donbass rufen die von Moskau unterstützten Separatisten die "Volksrepublik Donezk" aus, Luhansk folgt.

Februar 2015: Das Minsker Abkommen sieht eine Autonomie für die Separatistengebiete vor sowie die Kontrolle der Ukraine über ihre Grenze mit Russland.

Juli 2017: Die prorussischen Separatisten in Luhansk und Donezk rufen einseitig ihren neuen Staat "Kleinrussland" aus.

Januar 2018: Kiew stuft die abtrünnigen Gebiete im Osten als von Russland besetzt ein.

November 2018: Die russische Küstenwache setzt an der Meerenge von Kertsch drei ukrainische Marineschiffe mit 24 Matrosen an Bord fest. Kiew verhängt zeitweise Kriegsrecht. In den Separatistengebieten abgehaltene Wahlen werden international nicht anerkannt.

April 2021: Moskau zieht Truppen im Grenzgebiet zur Ostukraine zusammen und droht mit einem militärischen Eingreifen.

November 2021: Erneut konzentrieren sich ungewöhnlich große Truppenkontingente und moderne Waffen im russischen Grenzgebiet zur Ukraine. Der Westen spricht später von bis zu 150.000 Soldaten.

Januar 2022: Diplomatische Versuche auf verschiedenen Ebenen bringen weiterhin keine Lösung.

16. Februar: Die Nato-Verteidigungsminister billigen Vorbereitungen für eine Entsendung weiterer Kampftruppen ins östliche Bündnisgebiet.

21. Februar: Putin erkennt die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten an. Zudem sollen russische Soldaten in die ostukrainischen Separatistengebiete entsandt werden.

22. Februar: USA und EU sowie Verbündete verhängen Strafmaßnahmen gegen Russland. So legt Berlin die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 für unbestimmte Zeit auf Eis.

24. Februar: Der russische Präsident Wladimir Putin ordnet einen Auslandseinsatz des russischen Militärs in den Regionen Luhansk und Donezk offiziell an.

(Quelle: Dpa)

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