Milliardenhilfe in Aussicht
Industriestrompreis kommt: Entlastung geplant
Die Regierung will stromintensive Industrien massiv entlasten – mit günstigerem Industriestrom, neuen Gaskraftwerken und einem Milliardenfonds für Investitionen.
"Ein starkes Deutschland braucht eine starke Wirtschaft und sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz.
Güngör, Marvin Ibo)
Was plant die Koalition zur Entlastung der Industrie?
Die Koalitionsspitzen von CDU, CSU und SPD haben sich auf weitreichende Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie geeinigt. Ziel ist es, durch niedrigere Energiekosten sowie gezielte Förderinstrumente die Attraktivität des Standorts Deutschland zu erhöhen. Zentrale Elemente des Pakets sind ein subventionierter Industriestrompreis, der Bau neuer Gaskraftwerke sowie ein neuer Deutschlandfonds zur Mobilisierung privater Investitionen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) betonte in Berlin: „Ein starkes Deutschland braucht eine starke Wirtschaft und sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze.“ Der Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) erklärte: „Wir machen unsere Hausaufgaben als Regierung.“
Wie funktioniert der geplante Industriestrompreis?
Ab dem 1. Januar 2026 soll ein staatlich subventionierter Industriestrompreis eingeführt werden, der vorerst bis 2028 gelten soll. Der Zielpreis liegt bei 5 Cent pro Kilowattstunde – deutlich unter dem bisherigen Niveau für industrielle Großverbraucher.
Die Maßnahme richtet sich gezielt an stromintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, etwa aus der Stahl- und Chemieindustrie. Laut Bundesnetzagentur lagen die Strompreise im September für Industriefirmen ohne Vergünstigungen bei rund 16 Cent pro Kilowattstunde, für Großverbraucher mit bestehenden Vergünstigungen bei rund 10 Cent.
Die Finanzierung der Maßnahme soll über den Klima- und Transformationsfonds erfolgen. Klingbeil bezifferte die Kosten auf drei bis fünf Milliarden Euro. Eine Zustimmung der EU-Kommission steht allerdings noch aus, Brüssel hatte im Juni jedoch grundsätzlich grünes Licht für einen Industriestrompreis unter bestimmten Bedingungen gegeben.
Warum ist die Strompreiskompensation wichtig?
Zusätzlich zum Industriestrompreis soll die sogenannte Strompreiskompensation ausgeweitet und verlängert werden. Diese Kompensation entlastet Unternehmen von indirekten Kosten des CO₂-Emissionshandels.
Die Stahlindustrie fordert, den Industriestrompreis mit der Strompreiskompensation kombinieren zu dürfen – bislang verbietet die EU jedoch eine Doppelförderung.
Die Bundesregierung hat bereits eine Entlastung bei den Strom-Netzentgelten beschlossen. Eine allgemeine Senkung der Stromsteuer ist derzeit jedoch nicht vorgesehen.
Welche Rolle spielen neue Gaskraftwerke?
Ein weiteres zentrales Element des Maßnahmenpakets ist der Bau neuer Gaskraftwerke. Diese sollen künftig als flexible Backups einspringen, wenn die Stromversorgung durch erneuerbare Energien nicht ausreicht – etwa bei Windflaute oder Dunkelheit.
Bis 2038 will Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen, wodurch ein erheblicher Teil der sogenannten gesicherten Leistung verloren geht. Um Investitionen in neue Gaskraftwerke zu ermöglichen, ist eine staatliche Förderung geplant. Auch hier steht eine Zustimmung der EU-Kommission noch aus.
Laut Bundeskanzler Merz sollen im kommenden Jahr acht Gigawatt ausgeschrieben werden, mit geplanter Inbetriebnahme bis 2031. Die neuen Anlagen sollen technisch so ausgelegt sein, dass sie perspektivisch auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Die Dekarbonisierung soll spätestens bis 2045 abgeschlossen sein.
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist der Bau von bis zu 20 Gigawatt Gaskraftwerksleistung bis 2030 vorgesehen. Bereits im Juni hatte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ein erstes Ausschreibungsvolumen zwischen fünf und zehn Gigawatt angekündigt.
Was steckt hinter dem Deutschlandfonds?
Zur weiteren Unterstützung der Transformation soll ein neuer Deutschlandfonds aufgelegt werden. Er soll als Dachstruktur für verschiedene Finanzierungsinstrumente dienen, die im Koalitionsvertrag vorgesehen sind.
Laut Finanzminister Klingbeil sendet der Fonds ein klares Signal an private Investoren. Ziel ist es, eine zentrale Anlaufstelle für privates Kapital zu schaffen – insbesondere in den Bereichen Energie, Resilienz und sicherheitsrelevante Start-ups.
Deutschland hinkt international bei der Finanzierung junger, innovativer Firmen hinterher. Der Deutschlandfonds soll helfen, diesen Rückstand aufzuholen und Investitionen gezielter zu lenken.
Verbrenner-Aus bleibt strittig
Eine Einigung über das von der EU geplante Aus für neue Verbrenner-Fahrzeuge ab 2035 konnte die Koalition zunächst nicht erzielen. Kanzler Merz deutete an, dass beim Koalitionsausschuss noch am gleichen Abend eine Lösung möglich sei.
Aus seinem Umfeld hieß es jedoch, dass eine Verständigung „nicht zwingend“ zu erwarten sei. Neben dem Verbrenner-Aus war auch das Rentenpaket Teil der laufenden Gespräche. Merz kündigte an, sich in der EU für Änderungen an den geplanten Regelungen starkzumachen.
Ticketsteuer: Entlastung für die Luftverkehrsbranche
Auch die Luftfahrtbranche soll entlastet werden – allerdings nur kurz erwähnt am Ende der Sitzung. Zum 1. Juli 2026 soll die im Mai 2024 deutlich erhöhte Luftverkehrsteuer wieder gesenkt werden.
Bundeskanzler Merz bezifferte das Volumen auf etwa 350 Millionen Euro. Mögliche Steuerausfälle sollen im Verkehrsetat aufgefangen werden. Zudem plant die Regierung eine erste Senkung der Flugsicherungskosten ab 2026.
Die Luftverkehrsteuer war 2011 eingeführt worden und belastet insbesondere innerdeutsche und europäische Kurzstreckenflüge. Branchenvertreter kritisieren sie seit Jahren als Standortnachteil.
Mit Material der dpa
FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Industriestrompreis
Was ist ein Industriestrompreis?
Ein Industriestrompreis ist ein staatlich geförderter Stromtarif für energieintensive Unternehmen, der unter dem regulären Marktpreis liegt.
Welche Unternehmen profitieren davon?
Vor allem stromintensive Industrien wie Stahl- und Chemiekonzerne, die im internationalen Wettbewerb stehen.
Wie wird das finanziert?
Über den Klima- und Transformationsfonds – einem Sondertopf des Bundes.
Was ist die Strompreiskompensation?
Ein Ausgleich für Unternehmen für indirekte Kosten aus dem EU-Emissionshandel.
Wofür sind neue Gaskraftwerke notwendig?
Als Ergänzung zu erneuerbaren Energien zur Sicherstellung der Stromversorgung bei Bedarf.
Was ist der Deutschlandfonds?
Ein neuer staatlicher Investitionsfonds zur Mobilisierung privaten Kapitals für Infrastruktur, Energie und Start-ups.