Der Industriestandort Deutschland gerät in Gefahr. Doch noch ist es nicht zu spät, sich auf seine exzellenten Fähigkeiten zu besinnen und die Position im globalen Wettbewerb wieder zu stärken.

Der Industriestandort Deutschland gerät in Gefahr. Doch noch ist es nicht zu spät, sich auf seine exzellenten Fähigkeiten zu besinnen und die Position im globalen Wettbewerb wieder zu stärken. (Bild: hkama - stock.adobe.com)

Deutschland hat seine einstige Vorreiterrolle in der industriellen Produktion eingebüßt, andere Nationen holen auf. Statt Überheblichkeit ist es Zeit, die Herausforderungen anzupacken. Nur so bleiben Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit gesichert. Was Achim Kampker, Lehrstuhlleiter des Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen fordert, um Deutschland und Europa wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Der Lehrstuhlleiter betont die Notwendigkeit, in Deutschland über das bloße Diskutieren hinauszugehen. „Wir arbeiten tatsächlich miteinander,“ beginnt er, „und ich glaube, das ist etwas, was wir in Deutschland noch viel mehr brauchen.“ Er beschreibt die Tendenz, sich zu oft in Diskussionen zu verlieren, und fordert stattdessen gezielte Handlungen. „Wir müssen realistisch sein und erkennen, dass es eine Menge gibt, was bei uns im Argen liegt,“ ergänzt er und fügt hinzu, dass dies keinesfalls nur ein politisches Thema sei. Es sei auch an den Unternehmen, Verantwortung zu übernehmen.

Kampker schildert seine Erfahrungen aus den letzten Jahren und beschreibt, wie häufig der Faktor Geschwindigkeit in Deutschland eine Herausforderung darstellt. Er nennt Genehmigungsverfahren und Beauftragungen als Beispiele und spricht auch über die oft langwierigen Diskussionen mit Partnern und Kunden. „Auch wir selbst müssen uns immer wieder hinterfragen, ob wir schnell genug sind und ob wir die richtigen Prioritäten setzen,“ sagt er und betont die Wichtigkeit der Selbstreflexion.

PEM-Leiter Professor Achim Kampker
Zitat

"Wir setzen Dinge auch wirklich um. Das hat uns - wenn wir uns noch mal daran erinnern - in der Vergangenheit wirklich groß und erfolgreich gemacht", sagt PEM-Leiter Professor Achim Kampker.

(Bild: Campus Forum / PEM der RWTH Aachen)

Dennoch sieht Kampker auch Erfolge in der Vergangenheit: „Deutschland war früher erfolgreich, weil wir Dinge umgesetzt haben und uns auf unsere Stärken verlassen konnten.“ Er plädiert dafür, dass Deutschland diese Stärken wieder entdeckt und sie aktiv nutzt. Denn wir setzen Dinge auch wirklich um und das hat uns, wenn wir uns noch mal daran erinnern, in der Vergangenheit wirklich groß und erfolgreich gemacht. „Anstatt nur über andere zu reden, sollten wir uns an die eigene Nase fassen und das, was wir beeinflussen können, auch wirklich umsetzen,“ rät er.

Ein aktuelles Hindernis sieht Kampker in der Kürzung der Forschungsförderung. „Die Forschungsförderung wird quasi auf null gesetzt,“ stellt er kritisch fest und fordert, dass sich dies wieder ändern müsse, damit Deutschland sein Innovationspotenzial voll ausschöpfen kann. „Wir müssen das Beste aus dem machen, was uns zur Verfügung steht,“ betont er und fordert einen effizienteren Umgang mit den Ressourcen, die noch zur Verfügung stehen.

Warum gewinnt Europa an Produktionsattraktivität?

Kampker spricht auch über die Vielfalt der Technologien, die für die Energiewende relevant sind, und kritisiert die Ansicht, man solle sich auf nur eine Technologie konzentrieren. „Ich halte die Aussage, dass man aufgrund von Ressourcen nur auf eine Technologie setzen kann, für vollkommenen Quatsch,“ betont er leidenschaftlich. In seinen Augen ist die Diversität in der Technologie ein entscheidender Vorteil für Deutschland, der dringend bewahrt werden muss. Technologien wie Brennstoffzellen, Elektrolyseure und Batterien seien alle notwendig, um die verschiedenen Anwendungsbereiche der Energiewende abzudecken. „Für den Standort ist es extrem wichtig, diese Vielfalt zu erhalten und weiterzuentwickeln,“ sagt er.

Batterieproduktion, E-Motoren und Elektrolyseure

Kampker geht im Detail auf drei spezifische Technologiebereiche ein, die aus seiner Sicht von besonderer Bedeutung für die Zukunft sind: Batterieproduktion, E-Motoren und Elektrolyseure. „Unser Schwerpunkt ist die Produktion,“ erklärt er und beschreibt die zahlreichen Herausforderungen, die damit verbunden sind. Er betont, dass es wichtig sei, dass diese Technologien miteinander vernetzt sind und eng zusammenarbeiten.

„Viele Personen werden sich erinnern, wie die Diskussion früher war: Man meinte, dass Deutschland die Produktion gar nicht mehr brauche und sich auf die Entwicklung konzentrieren sollte.“ Doch heute sei klar, dass Produktion und Entwicklung eng miteinander verbunden seien und zusammengeführt werden müssen. „Denn da sind wir eines Besseren belehrt worden, die Sachen hängen eben eng miteinander zusammen“, betont er.

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Welche Zukunftstechnologien enormes Potenzial haben

Er spricht weiter über die Bedeutung der praxisnahen Forschung und die Kritik, die häufig an Hochschulen geäußert wird, dass diese oft Probleme lösen, die es in der Realität gar nicht gibt. Kampker betont, dass es die Aufgabe der Forschung sei, die realen Probleme der Industrie zu verstehen und praktikable Lösungen zu finden. „Deshalb arbeiten wir eng mit der Industrie zusammen,“ erklärt er und beschreibt die vielfältigen Kooperationen, die aufgebaut wurden, um die Forschungsarbeit praxisnäher zu gestalten.

Kampker unterstreicht auch das enorme Potenzial, das in den Zukunftstechnologien liegt, und beschreibt, wie wichtig es sei, die marktwirtschaftlichen Aussichten zu nutzen. „Ob Batterie, E-Motor, Brennstoffzelle oder Elektrolyseur – wenn auch nur ein Teil davon Realität wird, ist das ein Markt, auf dem wir unseren Anteil sichern müssen,“ sagt er überzeugt. Er sieht die technologischen Entwicklungen als Chance, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken und in internationalen Märkten erfolgreich zu sein.

Elektromotor als 'Herzstück' in der Industrie

Ein Thema, das in der öffentlichen Diskussion oft übersehen werde, sei der E-Motor, so der Lehrstuhlleiter. Er beschreibt den E-Motor als das 'Herzstück' und verweist auf das Wachstumspotenzial, das in diesem Bereich liegt. „Im Bereich Elektrolyseur stehen uns alle Türen offen,“ sagt Kampker und betont, dass Deutschland in diesem Bereich gut positioniert sei. Das Zusammenspiel zwischen Maschinen- und Anlagenbau sowie Produktdesign sei ein wichtiger Erfolgsfaktor, und er fordert, dass diese Bereiche weiterhin eng kooperieren.

Die Bürokratie in Deutschland sieht Kampker als eines der größten Hindernisse für die wirtschaftliche Entwicklung. „Es wird immer davon gesprochen, dass Bürokratie reduziert werden muss,“ erklärt er und bemerkt, dass 100 Prozent der Befragten immer betonen, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Doch trotz der allgegenwärtigen Zustimmung sei es seit Jahren nicht gelungen, diese Probleme grundlegend zu lösen. „Es ist nicht nur die Aufgabe der Bundesregierung oder der Kommunen, sondern auch der Unternehmen,“ sagt Kampker und fordert dazu auf, sich den bürokratischen Herausforderungen zu stellen und effizientere Prozesse zu schaffen.

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Steigerung der Produktivität von essentieller Bedeutung

In diesem Zusammenhang möchte Kampker noch einmal auf ein Thema hinweisen, „das teilweise vermischt wird und wo wir meiner Meinung nach mehr Fokus benötigen.“ Es geht nicht nur um Elektromobilität, sondern vor allem um die Produktivität.“ Er erläutert, dass Produktivitätssteigerungen der Schlüssel zum Wohlstand und zu hohen Löhnen gewesen seien und dass Deutschland in dieser Hinsicht lange als Vorreiter gegolten habe. „Wir haben über viele Jahrzehnte einen sehr, sehr guten Job gemacht.“

Wie Digitalisierung die europäische Produktion stärkt

Indirekt fügt er hinzu, dass jedoch aktuelle Zahlen zeigen, dass Deutschland nicht mehr an der Spitze liege oder dass andere Länder deutlich aufgeholt hätten. Seiner Meinung nach habe sich eine Haltung etabliert, wonach Deutschland als führende Exportnation unangefochten sei. „Wir müssen uns auf den Hosenboden setzen, jede Form von Überheblichkeit schnell abschütteln, falls sie noch vorhanden ist“, fordert Kampker, und meint, man müsse das Thema Produktivität wieder in den Fokus rücken.

Abschließend spricht Kampker über die Bedeutung der dualen Ausbildung und die Notwendigkeit, schneller zu werden, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. „Wir müssen schneller werden, um den Herausforderungen in Bereichen wie KI, Batterie, E-Motor und Brennstoffzelle gerecht zu werden,“ fordert er.

Digitalisierung und Künstliche Intelligenz betrachtet er als zentrale Zukunftsthemen, die in Kombination mit innovativen Produktionsmethoden enormes Potenzial bieten. „Wenn wir Digitalisierung und die richtige Hardware-Technologie kombinieren, können wir einen Riesenschritt in der Produktivität machen,“ schließt Kampker ab und sieht in dieser Strategie die Möglichkeit, die industrielle Stärke Deutschlands zu revitalisieren.

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