45 Prozent planen Markteintritt

Das deutsche Geschäftsmodell ist vorbei: Defense als Lösung?

Der Hoffnung, dass die bisherigen Geschäftsmodelle irgendwann wieder funktionieren könnten, erteilte Sicherheitsexperte Christian Mölling auf dem Maschinenbau-Gipfel eine Absage. Er gab gute Tipps, wie sich der Maschinenbau auf dem Verteidigungsmarkt orientieren kann.

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Auch wenn der Defense-Bereich als neue Einnahmequelle verlockend anmutet, sollten sich Maschinenbauer mit Blick auf Chancen im Defense-Bereich nicht in Träumen verlieren, sondern den Business Case zu ermitteln.
Auch wenn der Defense-Bereich als neue Einnahmequelle verlockend anmutet, sollten sich Maschinenbauer mit Blick auf Chancen im Defense-Bereich nicht in Träumen verlieren, sondern den Business Case zu ermitteln.

Eine TED-Umfrage unter den Teilnehmenden, welche Herausforderungen derzeit im Kontext Defense bestehen, gaben rund 45 Prozent an, Überblick zu suchen und einen Markteintritt zu planen. Jeweils ein Fünftel beschäftigt sich demnach damit, die eigene Skalierbarkeit zu planen und umzusetzen, respektive ihre IT-Security und Geheimschutz zu stärken.

Sicherheitsexperte Dr. Christian Mölling, Senior Advisor beim European Policy Center, gab auf dem Maschinenbau-Gipfel zunächst eine Einordnung der aktuellen Situation. Spätestens schon seit 2008 mit Russlands Angriffskrieg gegen das Land Georgien laufe ein tiefgreifender Wandel. „Seitdem kann man über Konflikte und Krisen zeigen, wie die Welt sich mit hoher Geschwindigkeit weiter verändert“, sagte der Experte. Zugleich habe eine Verschiebung der Kaufkraftverhältnisse in den letzten Jahrzehnten stattgefunden und die Entwicklung bei Patenten. „Wir haben ein neues Gravitationszentrum, das in Asien liegt“, konstatierte Mölling. Was zurzeit noch fehle sei das Nachvollziehen – obwohl diese Entwicklung schon im Gange war – das insbesondere in Deutschland schwerfalle.

Es habe im Grunde eine Anomalie in der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges bis jetzt bestanden, in der etwa die Sicherheitspolitik für uns keine Rolle gespielt habe und die Ökonomie auf einen Extra-Track gelaufen sei. Darauf habe das deutsche Geschäftsmodell beruht, das eine Energiepartnerschaft mit Russland, eine Handelspartnerschaft mit China, eine Sicherheitspartnerschaft mit den USA und eine politische Partnerschaft mit der EU umfasste. Dieses politische Bündnis wollten nun Kräfte von außen zerstören.

Für den Experten heißt das: Das deutsche Geschäftsmodell ist zu Ende gekommen. Jetzt befinde man sich jedoch in einem Systemkonflikt, bei dem sehr unterschiedliche Modelle wie Demokratie und Diktatur, Markt- und Planwirtschaft aufeinanderprallen. Solche Konflikte seien besonders intensiv, da sie Existenzfragen für die beteiligten Systeme bedeuten. Hinzu komme ein nationales Unterinvest in Sicherheit. „Das heißt, wenn man das alles zusammenzieht, kann man sagen: Das Ei kriegen Sie nicht mehr in die Schale zurück!“, stellte Mölling klar.

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Der Maschinenbau werde zunehmend spüren, dass der Staat aus politischen Gründen nicht mehr alle Märkte öffnen will. „Die einzige Frage aus meiner Sicht ist nur noch: Schaffen wir es, das neue Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft konstruktiv zu definieren und daraus eine Win-Win-Situation zu machen?“, konstatierte Mölling.

Hier sei es problematisch auf alten Renditen zu beharren, die in vielen Bereichen schon gar nicht mehr da seien. Chancen gebe es vor allem in neuen Segmenten oder mit den alten Produkten in neuen Märkten. „Das bedeutet wahrscheinlich, dass Sie erst einmal Kosten für Transformation und Risiken einfahren und keine höhere Rendite haben werden“, so Mölling. Je länger diese Erkenntnis hinausgezögert werde, desto mehr Zeit gehe verloren, während die Konkurrenz bereits handle.

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Mölling mahnte jedoch, sich mit Blick auf Chancen im Defense-Bereich nicht in Träumen zu verlieren, sondern den Business Case zu ermitteln. Die Zahlen seien in der unter 32 Staaten beschlossenen Verteidigungsplanung der NATO vorhanden – und entsprechend könnten die Marktpotenziale errechnet werden. Da die Ausstattung bisher so schlecht sei, hätten nahezu alle benötigten Güter Priorität, vor allem jedoch Munition, offensive oder defensive Raketen.

Die Unternehmen müssten sich zudem bewusst machen, dass es sich dabei um einen politischen Markt handle: Investments könnten sich etwa in Friedenszeiten wieder ändern, aber auch, wenn mehr Kriege kämen. Er mahnte auch, sich nicht vom Hype um Drohnen blenden zu lassen:„Einzelne Leute können über Drohnen reich werden – also nicht auf Werbesprüche reinfallen. Das ist nicht die Art, wie die NATO kämpfen wird“, fasste Christian Möllering zusammen. Man werde eher einen intelligenten Mix zwischen Drohnen und klassischen Systemen haben müssen, als dass die Drohnen tatsächlich alles das ersetzen, was zurzeit für Europa geplant werde. Dennoch seien Defense-Startups wichtig, um Innovationssignale in die eher behäbige Rüstungsindustrie zu senden.

Sein Rat: „Wenn Sie in den Rüstungsmarkt wollen: das ist ein hochdynamisches Ding. Nehmen Sie sich die Zeit, sehr genau zu überlegen, was Sie da machen wollen, machen können – und vor allen Dingen machen Sie eine geopolitische Analyse über Ihre Märkte!“.

überarbeitet von: Dietmar Poll