Beschaffung anders denken

Neues Mindset für die Verteidigung?

Der Verteidigungsbereich könnte neue Chancen für den Maschinenbau bieten, wofür einige Hürden zu nehmen sind. Politik, Verbände und Unternehmen wollen nun intensiv an Lösungen für eine verlässliche, agilere Beschaffung und Produktentwicklung arbeiten

Veröffentlicht Geändert
In einer Podiumsdiskussion auf dem Maschinenbau-Gipfel kamen gemeinsamen mit Moderator Thomas Schiemann, Geschäftsführer VDMA Sicherheitssysteme, eine Reihe von Perspektiven und Handlungsempfehlungen zusammen.
In einer Podiumsdiskussion auf dem Maschinenbau-Gipfel kamen gemeinsamen mit Moderator Thomas Schiemann, Geschäftsführer VDMA Sicherheitssysteme, eine Reihe von Perspektiven und Handlungsempfehlungen zusammen.

„Ein Grund-Learning, auch als junges Verteidigungsunternehmen, ist tatsächlich: Die Beschaffung hält mit der technologischen Entwicklung nicht Schritt. Das muss man einfach so sagen“, stellte etwa Britta Jacob klar, Leiterin Bereich Defense bei ARX Robotics GmbH. Es gebe immer noch sehr strenge Vergabeverfahren mit sehr restriktiven Leistungsbeschreibungen. Das Problem sei, man denke in der Beschaffung immer noch an ein fertig entwickeltes Produkt, zu dem vorher sehr detaillierte Leistungsbeschreibungen gemacht werden, so Jacob, die zuvor die Grünen-Minister*innen Baerbock und Habeck beriet. „Was wir heutzutage aber brauchen, sind Fähigkeiten, die durch softwaredefinierte Systeme zur Verfügung gestellt werden. Nur das entscheidet heute über den Vorteil in der modernen Gefechtsführung, auf dem modernen Gefechtsfeld“, erklärte die Expertin.

Neue Wege in der Beschaffung

Problematisch seien weniger die rechtlichen Vorgaben, sondern ein Umdenken und neues Mindset „weg vom fertig entwickelten Produkt, hin zu einem, das sich per se immer weiter entwickeln muss, dessen Fähigkeiten ständig updated und upgraded werden müssen“. Dafür brauche es agile Rahmenverträge und kampferprobtes Nutzerfeedback wie jetzt aus der Ukraine, wo die eigenen Produkte derzeit im Einsatz seien.

Auch Vivian Tauschwitz, MdB der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Verteidigungsausschuss, ist der Meinung, dass mehr Beschleunigung in die Planung und Beschaffung gebracht werden muss. Es sei jedoch auch wichtig, die Expertise der Soldaten und Soldatinnen, die mit den Produkten umgehen müssten, stärker in den Produktionsweg einzubeziehen. „Wir sprechen von hochkomplexen Systemen, die vielleicht an mancher Stelle auch gar nicht so komplex sein müssten – und auch einfach in der Beschaffung wesentlich einfacher werden oder anders gehandhabt werden könnten“, so Tauschwitz.

Top-Herausforderungen im Bereich Defence

Aus Sicht von Andreas Evertz, CEO Flender International GmbH, die unter anderem Antriebstechnologie für die Sicherheitsindustrie herstellt, sind die Herausforderungen je nach Unternehmen sehr unterschiedlich. Für einige bedeute es keine Veränderung, weil die produzierten Güter auch in der Verteidigungsindustrie gebraucht würden, etwa Kräne. „Wir werden auch andere Unternehmen haben, die ganz stark davon betroffen sind, weil sie wirklich sehr direkt in diese Lieferketten einliefern können“, sagte Evertz. Hier sei eine Analyse wichtig, welche Rolle man hier spielen könne, um sich richtig zu positionieren.

Aktuelle Meldungen aus der Industrie

Energiekrise, Lieferengpässe, Fachkräftemangel: Die Industrie steht vor vielen Herausforderungen. Alle Meldungen aus Maschinenbau und Co finden Sie in unserem News-Blog. Hier klicken!

„Es geht los mit der Thematik: Will ich oder will ich nicht? Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Thema, das wir verändern müssten: Dass Invest in Verteidigung und Sicherheit nicht ein Buh-Wort ist“, so Evertz. In den letzten Jahrzehnten habe es eine relativ abgekapselte Defense-Industrie mit wenigen Unternehmen und einigen Systemhäusern gegeben. Da sei der Zugang für die anderen Unternehmen im Maschinenbau sehr limitiert und es brauche Handlungsempfehlungen, um in diesen Markt hereinzukommen. Hier sei eine gute Zusammenarbeit von politischer Seite wichtig.

Die Verteidigungsfähigkeit im geplanten Zeitrahmen herzustellen, funktioniere nur, wenn der Maschinenbau zusammenhält und sich die Unternehmen auch dazu bekennen, glaubt der Flender-CEO. Für viele Unternehmen, die vielleicht bereits die Verteidigungsindustrie beliefern, geht es demnach um die Frage der Skalierung. „Im Vergleich zur Vergangenheit bedeutet das letztendlich, dass sich die Kapazitäten in allen Bereichen um einen Faktor zwei oder drei erhöhen müssen“, erklärte Dr. Jakob Stöber, Partner Defense bei McKinsey&Company.

Wissen, was die Industrie bewegt!

Newsletter-Produktion

Alles zu Industrie 4.0, Smart Manufacturing und die ganze Welt der Technik.

Newsletter gratis bestellen!

Mehr Verbindlichkeit

Wann könne es denn verbindliche Aussagen aus der Politik geben, wollte Moderator Thomas Schiemann wissen. In diesen Wochen werde im Rahmen der Haushaltsplanung für dieses und nächstes Jahr immerhin über Zahlen gesprochen, so Vivian Tauschwitz. Wichtig sei, dass Politik und Bundeswehr auch das abrufen, was bestellt worden ist. „Da können wir noch besser werden und das auch politisch besser begleiten“, sagte die Abgeordnete. Das sei wichtig, „damit die Industrie sich auch auf uns verlassen kann“. Zudem erinnerte Tauschwitz daran, dass im Konfliktfall digitale Lösungen oft nicht mehr funktionieren. Alles müsse auch ohne Internet oder Satellit funktionieren.

überarbeitet von: Dietmar Poll