In Chile entsteht das Extremely Large Telescope ELT. Mit seinem 39‑Meter‑Spiegel wird es das größte optische und infrarote Teleskop der Welt und könnte sogar Exoplaneten sichtbar machen. Die deutsche Industrie ist mit zentralen Komponenten beteiligt.
Das Extremely Large Telescope (ELT) der Europäischen Südsternwarte (European Southern Observatory, ESO) entsteht in der chilenischen Atacama-Wüste.(Bild: ESO)
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ELT - Ein neuer Maßstab in der Astronomie
Die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory, ESO) baut auf dem chilenischen Berg Cerro Armazones das Extremely Large Telescope (ELT). Es wird das größte optische und infrarote Teleskop der Welt sein. Seine primäre Spiegelfläche mit 39 Metern Durchmesser besteht aus 798 sechseckigen Segmenten – jedes so groß wie ein Esszimmertisch – und ist darauf ausgelegt, 100 Millionen Mal mehr Licht zu sammeln als das menschliche Auge. Das ELT soll Bilder liefern, die 15‑mal schärfer sind als die der heute größten Teleskope und mehr Licht sammeln als sämtliche existierenden 8‑ bis 10‑Meter‑Teleskope zusammen. Die ESO plant einen Betrieb von mindestens 30 Jahren, die Baukosten belaufen sich laut ESO‑FAQ auf rund 1,45 Milliarden Euro (2023er‑Preise).
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Von der Vision zum Bau: eine kurze Geschichte des ELT
Der Traum von einem Riesenteleskop reift in Europa seit den 1990er‑Jahren. 2012 genehmigte der ESO‑Rat das ELT‑Programm, zwei Jahre später erhielt Cerro Armazones in der Atacama‑Wüste den Zuschlag als Standort. Die Wahl fiel auf den 3046 Meter hohen Berg, weil die Luft dort extrem trocken ist: Die Region erhält im Jahresmittel nur rund 100 Millimeter Regen, die relative Luftfeuchtigkeit liegt bei 15 Prozent, und das nächtliche „Seeing“ – ein Maß für die atmosphärische Unruhe – beträgt im Median lediglich 0,67 Bogensekunden. 2017 fand die Grundsteinlegung statt, im April 2025 feierte das Projekt sein „Topping‑out“, als die gewaltige Kuppel ihre höchste Position erreichte und chilenische und ESO‑Flaggen gehisst wurden. Bis Mitte 2025 waren laut ESO bereits etwa 60 Prozent des Projekts abgeschlossen.
Die Bauarbeiten sind komplex: Neben dem Ausheben des Felssporns musste eine 80 Meter hohe, 86 Meter breite und 74 Meter tiefe Rotunde aus Stahl und Beton errichtet werden, in der sich das drehbare Teleskop samt Kuppel bewegt. Die rotierende Kuppel wiegt allein 6100 Tonnen. Erste Aufnahmeinstrumente und Spiegelsegmente werden derzeit in Europa fertiggestellt; die Montage in Chile soll bis 2027 dauern, First Light, also die erste Beobachtung, ist nach ESO‑Planung für 2028 vorgesehen.
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Komplizierte Baustelle: Die Errichtung des ELT ist alles andere als trivial.(Bild: ESO)
Technik der Superlative: 39‑Meter‑Spiegel und adaptive Optik in ELT
Herzstück des ELT ist der primäre Spiegel. Er besteht aus 798 hexagonalen Segmenten, die wie ein Bienenwabenmuster zusammengesetzt sind. Einschließlich Reservesegmente produziert die deutsche Firma Schott AG im Werk Mainz insgesamt 949 Rohlinge aus Zerodur‑Glaskeramik. Das Material dehnt sich bei Temperaturänderungen kaum aus und wurde bereits für das Very Large Telescope (VLT) verwendet. Schott fertigte auch die Rohlinge für die 4 m großen Sekundär‑, Terziär‑ und Quartärspiegel – der M2‑Spiegel wird der größte konvexe Spiegel der Welt. Die Rohlinge werden in Frankreich bei Safran Reosc geschliffen und poliert; anschließend werden sie in Chile mit einer hochreflektierenden Silberschicht versehen und später alle 18 Monate neu beschichtet.
Technik der Superlative: 39‑Meter‑Spiegel und adaptive Optik in ELT
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Herzstück des ELT ist der primäre Spiegel. Er besteht aus 798 hexagonalen Segmenten, die wie ein Bienenwabenmuster zusammengesetzt sind. Einschließlich Reservesegmente produziert die deutsche Firma Schott AG im Werk Mainz insgesamt 949 Rohlinge aus Zerodur‑Glaskeramik. Das Material dehnt sich bei Temperaturänderungen kaum aus und wurde bereits für das Very Large Telescope (VLT) verwendet. Schott fertigte auch die Rohlinge für die vier Meter großen Sekundär‑, Terziär‑ und Quartärspiegel – der M2‑Spiegel wird der größte konvexe Spiegel der Welt. Die Rohlinge werden in Frankreich bei Safran Reosc geschliffen und poliert; anschließend werden sie in Chile mit einer hochreflektierenden Silberschicht versehen und später alle 18 Monate neu beschichtet.
Damit die Segmente perfekt zusammenspielen, benötigt das ELT feinfühliges High‑Tech: Etwa 4500 Sensorpaare des deutsch‑französischen Konsortiums FAMES (Micro‑Epsilon, Deutschland, und Fogale Nanotech, Frankreich) messen die relative Position der Segmente mit einer Genauigkeit von wenigen Nanometern – die Sensoren können laut ESO sogar das Gewicht eines Grashüpfers wahrnehmen, der eine Millionstel Millimeter Verschiebung erzeugen würde. Rund 2394 Aktuatoren des Karlsruher Herstellers Physik Instrumente (PI) bewegen die Segmente in drei Freiheitsgraden (Piston, Tip und Tilt) ebenfalls mit Nanometerpräzision. Lasertracker der Firma Hexagon Metrology helfen beim Justieren der Segmente, und die Laserführungssterne stammen vom bayerischen Unternehmen Toptica Projects: Es liefert sechs 22‑Watt‑Laser, die in 90 Kilometer Höhe Natrium‑Atome zum Leuchten anregen und künstliche Sterne für die adaptive Optik erzeugen.
Die optische Architektur des ELT besteht aus fünf Spiegeln. Neben dem primären Spiegel gibt es einen vier Meter großen Sekundärspiegel (M2), einen tertiären Spiegel (M3) und einen adaptiven Spiegel (M4), der sich mit über 5000 Aktoren verformen lässt, um atmosphärische Turbulenzen in Echtzeit zu korrigieren. Diese adaptive Optik wird durch die Laserleitsterne angeregt: Acht Laser erzeugen helle Punkte am Himmel, deren Verzerrung durch die Erdatmosphäre gemessen und sofort kompensiert wird. So entstehen extrem scharfe Bilder, die sonst nur im Weltraum möglich wären. Hinter M4 sitzt Spiegel M5, der das Licht stabilisiert, bevor es in die Instrumente gelenkt wird. Dieses Fünf‑Spiegel‑Design ist einzigartig und verleiht dem ELT eine enorme Lichtsammelfläche und optische Korrektur.
Dieses Rendering des Extremely Large Telescope (ELT) basiert auf dem detaillierten Bauplan des Teleskops. Das riesige Gehäuse des Sekundärspiegels ist in der Mitte des Bildes deutlich zu erkennen. Es befindet sich an der Spitze der Teleskopstruktur, hoch über dem riesigen 39-Meter-Hauptspiegel.(Bild: ESO / L. Calçada / ACe-Konsortium)
Wissenschaftliche Ziele des ELT: von Exoplaneten bis zur Kosmologie
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Warum all diese Anstrengungen? Das ELT soll drängende Fragen der modernen Astronomie beantworten. Das Spektrum reicht von der Suche nach erdähnlichen Exoplaneten über die Beobachtung der allerersten Sterne und Galaxien bis hin zur Untersuchung der dunklen Materie und dunklen Energie. Laut ESO kann das ELT winzige Helligkeitsschwankungen messen, um Planeten zu entdecken, die um fremde Sterne kreisen, und ihre Atmosphären auf Biosignaturen untersuchen.
Das hochauflösende Spektrometer ANDES (ArmazoNes High Dispersion Echelle Spectrograph) wird etwa Hinweise auf Leben in Exoplaneten‑Atmosphären suchen, die ersten Sterne im Universum aufspüren, Variationen in den Naturkonstanten testen und die kosmische Expansion präzise vermessen.
Das Instrument MICADO (Multi‑AO Imaging Camera for Deep Observations) liefert nahe‑infrarote Bilder mit der feinsten Auflösung des ELT. Die Kamera wird federführend vom Max‑Planck‑Institut für extraterrestrische Physik (MPE) gebaut, mit Unterstützung der Universitätssternwarte München, des Instituts für Astrophysik Göttingen und des Max‑Planck‑Instituts für Astronomie (MPIA). Sie zielt auf die Erforschung von Sternhaufen, Schwarzen Löchern und weit entfernten Galaxien.
METIS, das Mid‑Infrared ELT Imager and Spectrograph, untersucht Wärmeemissionen bei 3–13 Mikrometern. Das MPIA liefert die Voroptik und Kameraeinheiten sowie das adaptive Optik‑Subsystem. Dieses Instrument wird protoplanetare Scheiben, die Atmosphären junger Gasriesen und Exoplaneten im mittleren Infrarot untersuchen
Die neue Spektrographen‑Generation MOSAIC ist ein Mehrfachobjekt‑Spektrograph, der Licht von vielen Himmelskörpern gleichzeitig analysiert. Er wurde entwickelt, um die Materieverteilung vom Zentrum der Milchstraße bis zu den fernsten Galaxien zu kartieren und die Entstehungsgeschichte des Universums zu rekonstruieren
Diese Instrumente sind notwendig, weil das ELT allein so viel Licht sammelt, dass es unzählige Objekte gleichzeitig untersuchen kann. Neben Exoplaneten und frühen Galaxien werden Astronominnen damit die chemische Zusammensetzung von Sternen im galaktischen Zentrum und die Dynamik Schwarzer Löcher studieren. Die hohe Spektralauflösung von ANDES soll sogar winzige zeitliche Änderungen der feinen Strukturkonstanten aufspüren, eine fundamentale Größe in der Physik. In Kombination mit den Daten von Satelliten wie Euclid oder dem James Webb Space Telescope wird das ELT die dunkle Energie präziser messen und damit die Expansion des Universums genauer bestimmen.
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Deutsche Beteiligung am ELT: Industrie und Forschung im Überblick
Die Bundesrepublik zählt zu den größten Geldgebern des ELT und ist maßgeblich an Forschung und Bau beteiligt. Mehrere deutsche Institute entwickeln Instrumente oder liefern Schlüsseltechnologien:
Schott AG (Mainz): liefert alle Spiegelrohlinge aus ZERODUR® für die Spiegel M1 bis M4, insgesamt 949 Segmente. Die Produktion ist die größte Zerodur‑Bestellung der Unternehmensgeschichte.
Micro‑Epsilon (Ortenburg) & Fogale Nanotech (Frankreich): Im Konsortium FAMES fertigen sie 4500 Paare nanometrisch genauer Rand‑Sensoren, die den Versatz der Spiegelsegmente messen und so die globale Form des Hauptspiegels kontrollieren.
Physik Instrumente (Karlsruhe): liefert rund 2394 Aktuatoren, die jedes Segment in drei Freiheitsgraden verstellen können. Ohne diese elektromechanischen Stellglieder könnte der Spiegel seine Form nicht halten.
Hexagon Metrology: stellt Lasertracker bereit, mit denen die Segmente während der Montage und im Betrieb präzise ausgerichtet werden.
Toptica Projects (Gräfelfing): produziert gemeinsam mit MPB Communications sechs Leitstern‑Laser mit jeweils 22 W Leistung bei 589 nm, die in die obere Atmosphäre schießen und Natrium‑Atome anregen, um künstliche Sterne für die adaptive Optik zu erzeugen.
ebm‑papst (Mulfingen): liefert 28 FanGrid‑Module mit insgesamt 168 hocheffizienten RadiPac‑EC‑Lüftern. Diese Ventilatoren versorgen die Laser mit sauberer, temperaturstabilisierter Luft und müssen den staubigen, dünnen Bedingungen in 3000 m Höhe standhalten.
GF Piping Systems: stattet die Wasch‑ und Strippanlage für die regelmäßige Reinigung der Spiegelsegmente mit automatisierten Ventilen, Sensoren und Prozessleittechnik aus. Alle 18 Monate werden zwei Segmente pro Tag entbeschichtet, gereinigt und neu versilbert; ohne diese Anlage würde der Spiegel an Reflexionskraft verlieren.
Auf wissenschaftlicher Seite ist Deutschland ebenfalls stark vertreten. Das MPE führt das MICADO‑Konsortium an, das MPIA liefert Komponenten für MICADO und METIS. Am Spektrometer ANDES beteiligen sich das Leibniz‑Institut für Astrophysik Potsdam, die Universität Göttingen, das Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (Landessternwarte), das Thüringer Landessternwarte Tautenburg und die Hamburger Sternwarte. Das Potsdamer Institut und die Heidelberger Landessternwarte sind auch am Mehrfachobjekt‑Spektrographen MOSAIC beteiligt.
Warum der Aufwand? Bedeutung und Ausblick
Die Fertigstellung des ELT ist ein Paradigmenwechsel für die Astronomie. Das Teleskop verspricht, Fragen zu beantworten, die bislang unlösbar schienen: Gibt es in der Milchstraße erdähnliche Planeten, die mit heute verfügbaren Instrumenten nicht nachweisbar sind? Welche chemische Zusammensetzung besaßen die ersten Sterne, und wie verteilte sich Materie im frühen Universum? Wie beeinflusst dunkle Materie die Galaxienbildung, und ist die dunkle Energie konstant oder variabel? Die enorme Lichtsammlung und die adaptive Optik des ELT machen es möglich, einzelne Sterne in fernen Galaxien zu untersuchen und die Rotation Schwarzer Löcher direkt zu messen.
Der wissenschaftliche Nutzen steht dabei in Beziehung zu den Kosten. Die ESO betont, dass der Bau des ELT „vollständig finanziert“ ist und dass die Betriebskosten von rund 50 Millionen Euro pro Jahr durch die Mitgliedsländer getragen werden. Die Investition wird durch das Potenzial gerechtfertigt, Antworten auf grundlegende Fragen der Menschheit zu liefern. Zudem wird die Technologie weiterentwickelt: Die Rand‑Sensoren, Aktuatoren und Zerodur‑Spiegel könnten später in anderen wissenschaftlichen Anlagen oder der Industrie Anwendung finden. Auch die beteiligten Firmen gewinnen Know‑how und internationale Sichtbarkeit.
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Topping‑out und erster Blick: Stand im Sommer 2025
Seit dem „Topping‑out“ am 16. April 2025, bei dem die Kuppel ihren höchsten Punkt erreichte und mit den Flaggen von Chile und der ESO geschmückt wurde, geht es beim ELT Schlag auf Schlag: Die erste Schiebetorhälfte der Kuppel ist montiert, die zweite im Bau. Die spiegelpolierten Segmente werden ab 2026 nach Chile transportiert und auf dem Berg montiert. Die Laser, Sensoren und Aktuatoren werden integriert. Die ESO rechnet damit, dass im Jahr 2028 das erste Licht einfällt und die Astronominnen und Astronomen der Welt in die Frühzeit des Kosmos blicken können.
In den kommenden Jahrzehnten soll das ELT mit Nachfolgeinstrumenten erweitert und immer wieder auf den neuesten Stand gebracht werden. Wie beim Very Large Telescope, das seit 25 Jahren das Rückgrat der europäischen Bodenastronomie bildet, wird die Anlage 30 bis 40 Jahre in Betrieb bleiben. Ein Generationenprojekt also – und ein Symbol dafür, wie internationale Zusammenarbeit wissenschaftliche Grenzen verschiebt.
FAQ zum Extremely Large Telescope (ELT)
Was ist das ELT? – Das Extremely Large Telescope ist ein optisch‑infrarotes Teleskop der ESO auf Cerro Armazones in Chile. Es besitzt einen 39‑Meter‑Spiegel aus 798 Segmenten und wird das größte Teleskop seiner Art sein. Das ELT bündelt 100 Millionen Mal mehr Licht als das menschliche Auge und liefert 15‑mal schärfere Bilder als heutige Großteleskope.
Wann wird das ELT in Betrieb gehen? – Die Bauarbeiten begannen 2017. Die erste Beobachtung („First Light“) ist nach derzeitigem Zeitplan für 2028 vorgesehen.
Welche deutschen Unternehmen sind beteiligt? – Schott liefert die Zerodur‑Spiegelrohlinge; Micro‑Epsilon und Fogale Nanotech liefern als Konsortium FAMES rund 4500 Nanometer‑Sensoren; Physik Instrumente stellt die rund 2394 Aktuatoren für die Spiegelsegmente her; Hexagon Metrology liefert Lasertracker; Toptica Projects produziert Laserleitsterne; ebm‑papst und GF Piping Systems sorgen für Lüftungs‑ und Reinigungstechnik.
Warum baut man das ELT? – Das ELT soll erdähnliche Exoplaneten entdecken und deren Atmosphären nach Biomarkern durchsuchen, die ersten Sterne und Galaxien im Universum beobachten, die Naturkonstanten überprüfen und die kosmische Expansion vermessen. Es wird auch die Entstehung von Planeten und Sternen in höchster Auflösung studieren.
Wie hoch sind die Kosten und wer bezahlt? – Die ESO gibt die Baukosten (Preisbasis 2023) mit rund 1,45 Milliarden Euro an. Die jährlichen Betriebskosten von etwa 50 Millionen Euro tragen die Mitgliedsländer der ESO. Deutschland gehört zu den größten Beitragszahlern.