Rückkehr zu alten Mustern: Unsere Kolumnistin beobachtet, dass sich in schwierigen Zeiten viele Menschen eine starke Führungsperson wünschen, die alles regelt. Doch das Problem sei, dass dies heute nicht mehr funktioniere.

Rückkehr zu alten Mustern: Unsere Kolumnistin beobachtet, dass sich in schwierigen Zeiten viele Menschen eine starke Führungsperson wünschen, die alles regelt. Doch das Problem sei, dass dies heute nicht mehr funktioniere. (Bild: Cagkan - stock.adobe.com)

Ich schreibe hier regelmäßig auf Grundlage meiner Erfahrungen und Überzeugungen über neue Arbeitsmethoden, mehr Eigenverantwortung von Mitarbeitenden und weniger Top-Down-Entscheidungen in Unternehmen. Nun sind wir in einer Zeit angekommen, in der diese Werte in der Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt werden: In schwierigen Zeiten haben viele Menschen das Gefühl, dass jetzt jemand Starkes kommen muss, der alles regelt und die Welt dann wieder in Ordnung ist.

Das Problem dabei ist allerdings, dass diese Art der Lösung heute nicht mehr funktioniert. Es gibt niemanden mehr, der die Welt mit all ihren Herausforderungen in Personalunion überblickt und im Sinne der Mehrheit die Dinge regeln kann. Der Wunsch danach ist nur menschlich. Aber auch zutiefst kindlich. Denn die Vorstellung, dass jemand kommt und alles wieder „heile“ macht, kommt aus unserer Kindheit, als wir tatsächlich ohnmächtig waren und uns in solche Fantasien rein geträumt haben. Manchmal konnten unsere Eltern sie auch erfüllen.

Das ist Viktoria Schütz

Viktoria Schütz ist geschäftsführende Gesellschafterin von Deguma.
Viktoria Schütz ist geschäftsführende Gesellschafterin von Deguma. (Bild: Deguma)

Viktoria Schütz ist geschäftsführende Gesellschafterin der Deguma-Schütz GmbH. Sie leitet das Familienunternehmen seit 2019 in zweiter Generation. Davor arbeitete sie unter anderem bei Zalando und Bionade. Schütz studierte Global Management in Bremen, São Paulo und Shanghai sowie Marketing-Management an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

 

Schütz setzt sich sehr für das Thema New Work ein und hat bei sich im Unternehmen die Vier-Tage-Woche eingeführt.

Chance das Wissen der Menge zu nutzen wird vertan

In Krisen und Konflikten zeigt sich, dass viele von uns in archaische und kindliche Muster verfallen. Dann werden neue Arbeitsmethoden als nicht hilfreich wieder verworfen und instinktiv mit der schlechten Lage in Verbindung gebracht. Hierarchische Führung statt Mitentscheidung und Leistungsforderung statt Zusammenarbeit stehen als Heilsbringer wieder im Fokus.

Wenn wir uns dieser Wunschvorstellung hingeben und vor allem danach handeln, weil wir uns ohnmächtig fühlen, als Menschen, die sich jemanden wünschen, der uns die Verantwortung abnimmt, einerseits und als Führungskräfte, die denken, jetzt müssen sie wieder mit harter Hand durchgreifen, weil sonst nichts funktioniert, andererseits, dann vertun wird die Chance, das Wissen und die Motivation der Vielen zu nutzen, die wir jetzt mehr denn je benötigen.

Einfache Lösungen existieren in unserer komplexen Welt nicht mehr

In Zeiten, in denen viele Menschen aufgrund der Überforderung nicht mehr führen wollen, schaffen wir dadurch wieder eine Kultur, die ohne Führung nicht mehr funktioniert. Dabei leben wir in einer Welt, die nicht mehr von Einzelnen erfasst werden kann und deshalb ist es nach wie vor unabdingbar, so viele Menschen wie möglich zu befähigen, ihr volles Potenzial zu nutzen.

Ich selbst finde die aktuelle Situation mit ihren anhaltenden und sich summierenden Polykrise ermüdend und frustrierend. Auch ich wünsche mir manchmal, dass jemand kommt und mit einem Zauberstab dafür sorgt, dass ich einfach meine Arbeit machen und mein Leben leben kann. Aber so jemand wird nicht kommen. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, mich selbst politisch zu engagieren. Denn denjenigen, die damit verführen, dass sie besagte zauberhaften Lösungen haben, denen möchte ich dann doch nicht das Feld überlassen.

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