Das Thema Arbeitszeit polarisiert heutzutage wie nie. Während die eine Seite nach alternativen Arbeitszeitmodellen verlangt, scheint auf der anderen Seite Zeit immer noch DER Maßstab für Leistung zu sein und es werden 42-Stunden- oder 6-Tage-Wochen gefordert.
Da ich mich seit einiger Zeit in der Praxis mit dem Thema beschäftige, möchte ich die Diskussion mit den folgenden Fragen um verschiedene Perspektiven ergänzen:
- Wird Zeit als Leistungsmesser der heutigen Arbeitsverteilung und Arbeitsweise noch gerecht?
- Wieso benötigen Menschen heutzutage augenscheinlich mehr Zeit außerhalb der Erwerbsarbeit?
- Was wären Alternativen zu Zeit als Leistungsmesser?
Die 40-Stunden-Woche wurde ab den 50er-Jahren Schritt für Schritt eingeführt. Sie beruht auf der Aufteilung 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit und 8 Stunden schlafen und auf der Annahme eines Alleinverdiener-Modells. Seitdem sind 40 Stunden der Vollzeit-Standard. Durch den technischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte benötigen wir heutzutage weit weniger Zeit, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Trotzdem hat sich der Standard nicht entsprechend verkürzt.
Das ist Viktoria Schütz
Viktoria Schütz ist geschäftsführende Gesellschafterin der Deguma-Schütz GmbH. Sie leitet das Familienunternehmen seit 2019 in zweiter Generation. Davor arbeitete sie unter anderem bei Zalando und Bionade. Schütz studierte Global Management in Bremen, São Paulo und Shanghai sowie Marketing-Management an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
Schütz setzt sich sehr für das Thema New Work ein und hat bei sich im Unternehmen die Vier-Tage-Woche eingeführt.
Benötigen Menschen heute tatsächlich mehr Zeit für ihre privaten Angelegenheiten als früher?
Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Das 40-Stunden-Modell geht davon aus, dass ein Mann 100 Prozent Erwerbsarbeit und eine Frau 100 Prozent der Sorgearbeit leistet. Die Erwerbsarbeit von Frauen hat sich allerdings von 16 Prozent in 1991 auf 73 Prozent in 2022 (DIW 2024) erhöht. Das beutet, dass sie weniger Zeit mit Sorgearbeit verbringen können.
Hier entsteht die große Lücke: Sorgearbeit lässt sich selten outsourcen oder delegieren (einerseits liegt es in der Natur der Sache, andererseits an fehlenden Betreuungsplätzen). Deshalb ist der Ruf nach Teilzeitmodellen so hoch. Denn einerseits liegt es heute noch in der Verantwortung der Frauen, beides zu vereinbaren. Andererseits muss die fehlende Zeit für Sorgearbeit anderweitig aufgefangen werden. Männer müssten ebenfalls in Teilzeit arbeiten, um das tun zu können. Meine These ist, dass zwei Menschen in jeweils einer Teilzeit von 30 Stunden produktiver und motivierter sind, als zwei Menschen mit der Aufteilung 20:40. Hinzu kommt Zeit, die für körperliche Bewegung (gesund bis ins hohe Alter bleiben) und Ehrenamt (gesellschaftlich notwendig) benötigt wird.
Welcher Leistungsmesser für Arbeit wäre besser als Zeit?
Wenn wir nun eigentlich mehr Menschen in Erwerbsarbeit haben, die aber nicht mehr im historischen Vollzeit-Standard von 40 Stunden arbeiten, wie können wir in den Unternehmen Zeit sparen und welche Leistungsmesser von Arbeit wären vielleicht eigentlich sinnvoller?
An erster Stelle muss hier meiner Meinung nach die Potenzialentfaltung stehen (siehe Kolumne „Die Menschen in Ihrem Unternehmen - fühlen sie sich sicher?“), um Zeit einzusparen. Darüber hinaus sind bessere Alternativen zu Zeit als Leistungsmesser in meinen Augen: Engagement, Loyalität und Gesundheit. Denn wir benötigen heutzutage in allen Bereichen Mitarbeitende, die Lösungen entwickeln, mitdenken und engagiert sind, Verantwortung übernehmen und loyal sind. Denn dann bringen Menschen sich so ein, dass Unternehmen und Team profitieren. Das gleicht meiner Erfahrung nach das Arbeiten in Teilzeit aus.
Was ist Ihre Meinung zu dem Thema? Schreiben Sie mir info@viktoria-schuetz.de