Die grüne Transformation läuft auf Hochtouren und nimmt auch in der Industrie immer konkretere Formen an. Einer PWC-Studie zufolge gehört Nachhaltigkeit bereits bei 74 Prozent der Befragten zur Unternehmensstrategie – Tendenz steigend. Ein wesentlicher Hebel für den nachhaltigen Wandel ist und bleibt die Dekarbonisierung. Mit ihr gelingt es Unternehmen nicht nur, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, sondern auch langfristig Kosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Die Treiber für die Dekarbonisierung der Wertschöpfungsketten sind vielfältig. So sorgen etwa immer häufiger die Kundenerwartungen dafür, dass Unternehmen mit einer hohen Dringlichkeit ihre Emissionen reduzieren. Gerade große OEMs erwarten von ihren Zulieferern immer häufiger nachhaltige Praktiken und die strikte Einhaltung von neuen Umweltstandards. Und das betrifft nicht nur Produktionsprozesse, sondern oft die gesamte Lieferkette. Heißt: Es gilt unter bestimmten Umständen nachzuweisen, dass auch emissionsarme Materialien, wie Werk- und Grundstoffe, verantwortungsvoll beschafft werden.
Neben den sich verändernden Kundenerwartungen ist auch die wachsende Anzahl an Regulierungen und gesetzlichen Vorgaben ein zentraler Treiber, der Unternehmen dazu bringt, ihre Emissionen zu reduzieren. In der EU hat beispielsweise die Verabschiedung der Anti-Greenwashing-Richtlinie einen spürbaren Effekt auf die Dekarbonisierung.
Denn die neuen Regeln haben unter anderem zur Folge, dass Aussagen mit Fakten untermauert werden müssen und Unternehmen ihre CO2-Kompensationsprogramme in Zukunft nicht mehr ohne Weiteres in ihre Netto-Null-Bilanz einfließen lassen dürfen. Die Folge: Es braucht eine Strategie für „echte“ Dekarbonisierungsmaßnahmen. Doch das bringt Herausforderungen mit sich.
Fachkonferenz: Die CO2-neutrale Fabrik
Experten aus Wissenschaft, Forschung und Industrie tauschen sich jedes Jahr auf der Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik zu den aktuellen Themen rund um klimaneutrale Industrie aus.
Prof. Alexander Sauer hat 2023 einen Vortrag zum Thema "Defossilierung der Produktion" gehalten. Im Podcast Industry Insights hat er die wichtigsten Punkte zusammengefast. Hier klicken, um zur Folge zu kommen!
Weitere Beiträge, die sich mit den Themen der Konferenz beschäftigen, finden Sie in unserem Fokusthema CO2-neutrale Industrie. Hier geht's entlang!
Die nächste Fachkonferenz findet 2025 statt. Hier gibt es weitere Informationen: Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik
Indirekte Emissionen bleiben problematisch
Vor allem große Industrieunternehmen stehen bei der Dekarbonisierung vor einer Vielzahl von Hürden, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft erschweren. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die Scope-3-Emissionen in den Griff zu bekommen. Diese umfassen indirekte Emissionen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen, einschließlich der Emissionen von Lieferanten, Kunden und anderen Geschäftspartnern.
Die Komplexität und Vielfalt der Lieferketten machen es oft schwierig, genaue Daten zu erheben und effektive Maßnahmen zur Reduktion dieser Emissionen zu implementieren. Darüber hinaus fehlt es häufig an Transparenz und Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette, was die Überwachung und Kontrolle der Scope-3-Emissionen zusätzlich erschwert.
Neben diesen indirekten Emissionen stellen auch technologische Barrieren in gewissen Branchen ein Problem dar. Viele industrielle Prozesse sind energieintensiv und basieren auf fossilen Brennstoffen. Zwar sind für viele davon bereits Lösungen am Markt verfügbar, etwa Elektrokessel zur Prozessdampferzeugung. Gleichzeitig ist die Grünstrombeschaffung nur ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, das Funktionieren neuer Technologien im Gesamtsystem zu beurteilen.
Podcast: Geas Chief Sustainability Officer über die Reduzierung von Scope-3-Emissionen
Umstellung ist immer mit Investitionen verbunden
Gelingt es, sie in bestehende Systeme einzubinden, ohne dass es zu Redundanzverlusten kommt? Dabei sind auch Erfahrungswerte wichtig – je mehr erneuerbare Lösungen zum Einsatz kommen, desto größer ist die Datenbasis entlang der gesamten Lieferantenkette. Diese Lernerfahrungen erst zu machen, erfordert dabei durchaus ein gewisses Commitment.
Die initiale Umstellung auf klimafreundlichere Prozesse und Technologien ist immer mit Anfangsinvestitionen verbunden, die für viele Unternehmen eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Hinzu kommt die schwankende Verfügbarkeit von nötigen Ressourcen und Technologien, was die Umsetzung von Dekarbonisierungsstrategien ebenfalls verzögert oder verteuert.
Insbesondere kleinere Zulieferer und Unternehmen in Entwicklungsländern könnten Schwierigkeiten haben, das erforderliche Kapital zu mobilisieren oder Zugang zu den neuesten Technologien zu erhalten.
Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie
Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".
Um die klimaneutrale Industrie auch real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.
Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.
Mit zirkulärer Wertschöpfung neue Potenziale erschließen
Die Mittel und Methoden der Kreislaufwirtschaft spielen eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung. Sie helfen dabei, das traditionelle lineare Wertschöpfungsmodell durch ein zirkuläres zu ersetzen und somit auch Emissionen einzusparen. Aktuell ist unsere Weltwirtschaft nur circa zehn Prozent zirkulär und statt lediglich den Status quo zu dekarbonisieren, sollte die richtige Strategie darauf abzielen, Abfälle als wertvolle Rohstoffquellen zu nutzen und dadurch den Ressourcenkreislauf zu schließen.
Dieser Schritt erfordert einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie Produkte entworfen, hergestellt und entsorgt werden. Neue Produkte müssen so konzipiert sein, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer leicht recycelt und wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt werden können. Das reduziert nicht nur den Bedarf an neuen, oft kohlenstoffintensiven Rohstoffen, sondern minimiert auch den Abfall, die damit verbundenen Emissionen und auch die Gesamtkosten.
Nur so können wir das Dekarbonisierungspotenzial maximieren und optimal ausnutzen. Studien zeigen, dass zirkuläre Modelle etwa die Hälfte des Gesamtpotenzials ausmachen, indem sie Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette reduzieren.
Ist nachhaltige Transformation teuer?
Ein weit verbreitetes Missverständnis besteht darin, dass die nachhaltige Transformation für Unternehmen zwangsläufig teurer wird. Tatsächlich zeigt sich, dass Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig an vielen Stellen Einsparungen erzielen können. Gerade jetzt, da viele Industrieanlagen in den Reinvestitionszyklus kommen, sollten Unternehmen die Möglichkeit nutzen, ihre Investitionen kritisch zu prüfen und naheliegende Möglichkeiten zu nutzen, um auf nachhaltige Technologien umzusteigen.
Denn in der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien bei industriellen Anlagen nur geringfügig mehr als ein Neubau kostet. Diese Investitionen rechnen sich, wenn man die effizienteren Prozesse, steigenden CO2-Kosten und die langen Laufzeiten der modernen Anlagen berücksichtigt. Effizienzsteigerungen in Produktionsprozessen führen oft zu erheblichen Kosteneinsparungen, da weniger Energie und Ressourcen benötigt werden.
Darüber hinaus stärkt der Einsatz effizienterer Technologien die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, indem sie deren Abhängigkeit von schwankenden Energiepreisen reduzieren und regulatorische Risiken minimieren.
Mit geringem Aufwand große Wirkung erzielen
Unternehmen, die gezielt dekarbonisieren möchten, sollten zunächst eine umfassende Treibhausgasbilanz erstellen, um eine klare Baseline ihrer aktuellen Emissionen zu kennen. Dies bildet die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen und ermöglicht es, realistische und wissenschaftlich fundierte Klimaziele, zum Beispiel Science Based Targets, zu setzen. Diese Ziele sollten ambitioniert, aber erreichbar sein, um sowohl den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden als auch einen echten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Ein wichtiger Schritt ist es, sogenannte "Low Hanging Fruits" zu identifizieren und anzugehen – also Maßnahmen, die mit vergleichsweise geringem Aufwand eine große Wirkung erzielen können. Wer beispielsweise Standorte in sonnenreichen Regionen betreibt, sollte als erstes über die Installation von Solaranlagen nachdenken, um kosteneffiziente Emissionsreduktionen zu erzielen. Es geht darum, mit jedem investierten Euro den maximalen Effekt zu erzielen.
Dabei ist ein konstantes Monitoring der ergriffenen Maßnahmen wichtig, um den Fortschritt zu verfolgen und sicherzustellen, dass die gesetzten Ziele erreicht werden. Durch regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen können Unternehmen flexibel auf Herausforderungen reagieren und ihre Strategien kontinuierlich verbessern.