Hochzeit in der A6-Montage. In der Automobilfertigung wird die 3D Karosseriemesstechnik immer

Hochzeit in der A6-Montage. In der Automobilfertigung wird die 3D Karosseriemesstechnik immer wichtiger. - (Bild: Audi)

Immer häufiger setzen Fertigungstechniker moderne Bildverarbeitung (IBV) ein. Komplizierte Aufgaben erledigen sie atemberaubend schnell. Ihre Wiederholgenauigkeit ist unübertreffbar. Außerdem werden auch komplexere Verfahren, wie 3D-Systeme, immer günstiger. Technologien, die bislang eher in der Welt des Computerspiels oder des Films anzutreffen waren, erleben derzeit ihre Hochzeit in der Industrie. “Insgesamt hat sich der Umsatz von 3D-Anwendungen und Produkten 2013 gegenüber 2012 um 23 Prozent erhöht. Die Unternehmen gehen von einem weiteren starken Wachstum dieser Anwendung aus”, berichtet Anne Wendel vom VDMA.

Keine Plug and Play-Lösungen

Doch der Weg zu einer stabil funktionierenden Lösung in der eigenen Produktion ist mitunter beschwerlich. Plug and Play-Lösungen gibt es nicht; und welches von Dutzend möglichen Verfahren das Richtige ist, kann der Produktioner kaum entscheiden.

Trotz aller Hürden – der Maschinenbauer Manz und der Automobilhersteller Audi setzen erfolgreich 3D-Lösungen ein. Ihre Erfahrungen veranschaulichen die Problematik:

Manz überprüft Profile von Laptopgehäusen

Manz, ein Hersteller von Produktionssystemen für die Display- und Solarindustrie, nutzt seit Langem die verschiedensten Bildverarbeitungstechnologien und Verfahren, so etwa für die Positionserkennung in Handlingsprozessen, oder die Messung von Spaltbreiten, die Prüfung von Oberflächen oder das Vermessen von Bauteilen. Bernd Sattler ist für die Bildverarbeitung und Messtechnik der Manz-Maschinen und Anlagen zuständig. 3D-Systeme – in dem Fall ein Lasertriangolationsensor – nutzt er für die Vermessung der Profile von Laptopgehäusen und Tastaturen. “Das ist eines der gängigen 3D, oder genaugenommen zweieinhalb-D-Verfahren”, erläutert Sattler. Um ein flächiges hochaufgelöstes Bild zu erstellen, muss der Sensor, auf einem präzisen Achssystem installiert, insgesamt elf Mal die Oberfläche des Laptops scannen. Nur so ist es möglich, die geforderte Orts- als auch Höhenauflösung überhaupt zu erreichen.

Insgesamt viel Aufwand, ‘nur’ um einen Alltags-Gebrauchsgegenstand zu vermessen. Doch wäre diese Messung mit keinem anderen Verfahren in dieser Genauigkeits- und Preisklasse möglich gewesen, so Sattler. Seine größten Einwände den IBV-Systemen gegenüber: “Die Schwächen der Systeme treten zutage, wenn die Oberflächen unterschiedlich beschaffen sind. Für reflektierende Oberflächen wie Glas braucht man einen anderen Sensor als für matte Oberflächen, die ähnliche Reflektionseigenschaften wie zum Beispiel Papier besitzen. So kann man Stereosysteme für 3D-Aufnahmen nur einsetzen, wenn die Objekte eine Textur haben. Das heißt, die unterschiedlichen Anforderungen von verschiedenen Materialien und deren Oberflächen lassen sich leider nicht mit einem System lösen. Das richtige System kann man nur auswählen, wenn man die unterschiedlichen 3D Verfahren und deren Vor- und Nachteile kennt.”

3D-System ist Erstläufer bei Audi

Im Falle Audi hingegen hatte man bislang noch keine Erfahrung mit 3D-Lösungen. Benjamin Bergdolt ist bei Audi in Neckars­ulm für die Planung von Informationsprozessen und deren Umsetzung in innovativen Shop­floor-IT Lösungen für die Fahrzeugfertigung zuständig. Auch die Teileverbauprüfung verantwortet er. Diese stellt mit Hilfe technischer Lösungen sicher, dass die richtigen Bauteile ins Fahrzeug kommen. Dazu nutzt Audi Scanner und Kameras. Vor etwa einem Jahr ergab sich die Herausforderung, einen bislang manuell durchgeführten Prozessschritt zu optimieren: die Positionskontrolle bestimmter Bauteile auf dem Fahrwerk vor der “Hochzeit”, dem Zusammenfügen von Fahrwerk und Karosserie.

“Die Hochzeit ist sehr komplex, daher müssen die Komponenten exakt positioniert sein”, so Bergdolt. 2D-Kameras konnte er nicht einsetzen. “Schwarze Feder auf schwarzem Hintergrund – das liefert zu wenig Kontrast. Außerdem sind die Federn unterschiedlich groß; nur die Höhe und Breite zu erfassen reichte nicht. “Es war ein Blick in die Tiefe notwendig, um zu vermeiden, dass beispielsweise die Federn vor dem Fügeprozess schräg im Raum stehen. So entschied er sich, 3D-Kameras auszuprobieren.”

Diese Station war ein Erstläufer, ein 3D-System in der Montage zu installieren”, so Bergdolt. “Nach einer Voranalyse installierten wir für den Lieferanten einen Testaufbau des Fahrwerks auf dem Werkstückträger. Darauf integrierte er die Kameratechnik und die notwendige Beleuchtung. Bis der Lieferant dann eine ideale Lösung gefunden hatte, vergingen zwei Wochen. Anschließend übertrugen wir das in die Fertigung. Schnell stellte sich heraus, dass eine 3D-Kamera deutlich komplexer einzustellen und zu kalibrieren ist als eine 2D-Kamera”, berichtet er.

Ein starker Partner

Die Station besteht aus mehreren 2D- und 3D-Kameras, diversen Beleuchtungslösungen und einem Industrie PC. Dort läuft eine Bildverarbeitungssoftware, die auf Halcon Bibliotheken basiert. Werden falsche Positionen der Federn erkannt, erfolgt keine Freigabe an die Fördertechnik und ein Mitarbeiter korrigiert die Positionen. Nach einer erneuten Kontrolle durch die Kamera gibt es die Freigabe zur “Hochzeit”, vorausgesetzt alles sitzt 100-prozentig.

Bergdolt fasst seine Erkenntnisse zusammen: “Die Projektierung von 3D-Kameras ist stark abhängig von dem Partner, der die Bildverarbeitung realisiert. Wie auch bei 2D-Lösungen ist es entscheidend, die Gegebenheiten in der Fertigung ausreichend zu berücksichtigen, damit das System möglichst schnell zur Verfügung steht.” Wermutstropfen, so Bergdolt weiter, bleibe der Anpassungsaufwand bei Änderungen an Produkt, Prozess oder Rahmenbedingungen. Denn dieser könne nur durch den Anlagenlieferanten oder Bildverarbeitungslieferanten durchgeführt werden.

Kompliziert, empfindlich, unflexibel

Anwender komplexer Bildverarbeitungslösungen bemängeln immer wieder, dass sie ohne die Hilfe externer Experten an ihren Installationen nichts verändern können. Stemmer Imaging ist so ein Experte – der Puchheimer Technologie-Lieferant vertreibt von der Kamera über die Optik bis zur Beleuchtung alles, was man in der Produktion und anderswo braucht, um optisch zu prüfen und zu erfassen. Außerdem schulen und trainieren die Stemmer-Mitarbeiter regelmäßig Kunden und Interessierte. Weil sie bei diesen Gelegenheiten immer wieder nach den Grundlagen der Bildverarbeitung gefragt wurden, erarbeiteten sie nach und nach “Das Handbuch der Bildverarbeitung”. Das umfangreiche Werk wird mittlerweile sogar an Universitäten und Hochschulen zur Vermittlung der Grundlagen eingesetzt – so groß ist der Informationsbedarf auf dem Gebiet. Aus diesem Werk entstammen (verkürzt) die Erläuterungen der gängigsten 3D-Techniken:

Lasertriangulation

Bei der Lasertriangulation fährt das Prüfobjekt unter einer scharfen Lichtlinie hindurch. Eine Kamera nimmt Bilder der Laserlinie auf, die aufgrund der Objektgeometrie eine Verformung erfährt. Aus den Höhenprofilen wird anschließend ein dreidimensionales Bild generiert. Erst nach der Umrechnung der Höheninformationen in echte 3D-Punktwolken (Cloud of points, COPs) ist ein Ausgleich von Positions- und Rotationsabweichungen der Objekte in allen sechs Freiheitsgraden möglich. Somit ist es nicht mehr notwendig, die Prüfobjekte hochgenau mechanisch auszurichten oder zuzuführen. Nachteil: Je nach Oberflächenform besteht die Gefahr, dass die Laserlinie von höheren Objektmerkmalen blockiert wird.

Stereo-Vision

Stereovision 3D-Druck

Bei der Stereovision werden zwei Kameras genutzt. – Bild: Halcon

Bei Stereo-Vision werden in Analogie zum Augenpaar des Menschen zwei Kameras genutzt. Mit Hilfe eines Triangulationsverfahren ist es anschließend möglich, aus den beiden 2D-Bildern ein dreidimensionales Bild zu errechnen. Voraussetzung, um jeden Objektpunkt des Prüflings eindeutig je einem Pixel in den beiden 2D-Bildern zuordnen zu können, sind allerdings Referenzmarken auf dem Objekt. Im Produktionsumfeld muss deshalb eine sehr genaue Eignungsprüfung vorgenommen werden. Häufig anzutreffen hingegen ist dieses Verfahren in der Koordinatenmesstechnik, der 3D-Vermessung mit Robotersystemen sowie bei der 3D-Visualisierung von Arbeitsräumen. Bild: Halcon

Streifenprojektion

Streifenlichtprojektion

Die Messungen bei der Streifenlichtprojektion erfolgen rasend schnell. – Bild: Fraunhofer

Auch die Streifenprojektion beruht auf dem Triangulationsverfahren. Sie erfordert ruhende Objekte. Die Messungen sind extrem schnell. Diese Technik arbeitet mit codiertem Licht, das mit Hilfe hochauflösender Mikrospiegel-Displays auf das Objekt gestrahlt wird. Die Lichtstreifen erzeugen aufgrund der Höhenstruktur des Objekts ein Lichtmuster, das aufgenommen wird. Daraus kann ein 3D-Bild errechnet werden. Im Gegensatz zu einem Laserscanner erlaubt die Streifenprojektion die Auswertung der Lichtintensität in jedem einzelnen Kamerapixel. Die Höhenauflösung verbessert sich so um mehr als den Faktor zwei.

Shape from Shading

Shape from Shading

Shape from Shading eignet sich vorallem für die Oberflächeninspektion. – Bild: Fraunhofer

Bei dieser Methode werden Grauwertbilder einer Oberfläche bei Beleuchtung aus verschiedenen Raumrichtungen aufgenommen. Anhand der unterschiedlichen Schattierungen werden Bilder der Oberfläche errechnet, die sowohl die räumliche Struktur als auch die Textur widerspiegeln. Mit dem Shape-from-Shading-Verfahren erhält man allerdings nur Informationen über die Neigung und Krümmung der Oberfläche. Diese Technik eignet sich für die Oberflächeninspektion. Selbst bei stark spiegelnden Oberflächen lassen sich Merkmale der Topologie von denen der Textur (Helligkeit) klar trennen und hochaufgelöste Intensitätsbilder erzeugen.

Interferometrie

Interferometer

Das Interferometer-Prinzip leicht anhand eines Schemas erklärt. – Bild: Creative Communs Muskid

Bei der Weißlichtinterferometrie wird ein Objekt mit weißem Licht bestrahlt. Ein Strahlteiler spaltet das Licht so, dass ein Teil auf einen Referenzspiegel, der andere auf das Objekt trifft. Die beiden Lichtstrahlen werden dann reflektiert und treffen in einer Monochromkamera wieder aufeinander. Durch vertikales Durchscannen des Objekts erhält man ein 2D-Interferogramm, anhand dessen dann ein 3D-Bild errechnet wird. Diese Methode eignet sich, um die Rauheit oder die Topographie einer Oberfläche zu überprüfen, oder die Dicke transparenter Schichten zu bestimmen. Sie liefert sehr hohe Auflösungen, kann aber keine hohen Geschwindigkeiten erzielen.

Time of Flight

TOF Kamera Boxen

Time-of-Flight-Kameras messen Distanzen. – Bild: Captaindistance

Time-of-Flight-Kameras sind 3D-Kamerasysteme, die mit dem Laufzeitverfahren “Time of Flight” – kurz ToF – Distanzen messen. Dazu werden Lichtpulse ausgesendet und die Zeit, die das Licht bis zum Objekt und wieder zurück benötigt, gemessen. Die Systeme können im Entfernungsbereich von einigen Dezimetern bis etwa 40 Metern eingesetzt werden.

Da die gemessene Zeit direkt proportional zur Distanz ist, liefert die Kamera für jeden Bildpunkt die Entfernung des darauf abgebildeten Objekts. Die erreichbare Auflösung ist relativ gering. Geeignete Anwendungen sind zum Beispiel in der Logistikbranche die Depalettierung oder die Füllstandkontrolle von Regalen und Paletten.

Sabine Spinnarke

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