Korrelationsfreien Messen

Mit dem korrelationsfreien Messen präsentiert Zeiss eine Neuentwicklung, die der Automobilindustrie ermöglicht, noch effizienter zu fertigen. - (Bild: Zeiss)

Smartphones in der Mikroskopie, digitales Passameter, funkende Messgeräte, vernetzte Messmaschinen – die Branche erlebt gerade eine umfangreiche Digitalisierung der Messtechnik. Was die bisher eher „konservative Branche der Messtechnik“, so Nils Blondin, Geschäftsführer der Steinmeyer Feinmess Suhl, auf der Fachmesse Control darbot, ist Industrie 4.0 pur.

Das sieht Niels König, Leiter der Abteilung Produktionsmesstechnik am Fraunhofer IPT, ähnlich: „Die Digitalisierung ist der Haupttreiber für die meisten Neuentwicklungen in der Messtechnik.“ Einschränkend fügt er allerdings hinzu: „Doch einige nutzen das Schlagwort Industrie 4.0, um Vorhandenes neu zu labeln.“

„Messgeräte sollen nichts kosten und alles können – die Qualitätssicherung wurde in der Industrie als nicht wertschöpfend betrachtet.“ - Niels König, Leiter der Abteilung Produktionsmesstechnik am Fraunhofer IPT

Digitale Schnittstellen bei dem einen oder anderen Messgerät gebe es eigentlich schon recht lange – konservativ sei die Branche seiner Meinung nach daher nicht. Das eigentlich Neue sei: „Die Messtechnik gewinnt deutlich an Sichtbarkeit in der Produktion“, so König.

Produktioner hätten bislang kein Interesse daran gehabt, sich intensiver mit Messtechnik auseinanderzusetzen. „Messgeräte sollen nichts kosten und alles können – die Qualitätssicherung wurde in der Industrie als nicht wertschöpfend betrachtet“, so König. Mit Industrie 4.0 kehre sich das Paradigma nun um. Messgeräte werde als Lieferanten wertvoller Daten anerkannt.

Nur mithilfe vernetzter Daten von Sensor und Maschine könne man etwas über Produktion erfahren. Sie geben Auskunft über die aktuelle Güte des Prozesses oder den Zustand der Maschine. „In der Industrie sind Daten die Basis neuer Geschäftsmodelle. Diese Daten kommen von der Messtechnik und müssen digital vorgehalten werden“, sagt König. Die Digitalisierung schaffen nur interdisziplinäre Teams aus Messtechnik-Spezialisten und Produktionern.

In diesem Rahmen müsse auch ein Handmessgerät digitale Daten liefern. Bisher sei der Werker mit dem Handmessgerät ans Bauteil gegangen und habe die Werte händisch in Listen eingetragen, jetzt könne man sie per Tastendruck digital in eine Datenbank schreiben.

Digitalmikroskop Precipoint
Die Bedienbarkeit eines Digitalmikroskops, wie sie Precipoint biete ist ein spannender Ansatz und kommt der Generation ‚why‘ sehr entgegen. - (Bild: Produktion)

Neben der Digitalisierung trage auch die Verbesserung der Bedienbarkeit zu der engeren Verzahnung bei: „Die Technik muss auch Nicht-Experten zugänglich gemacht werden“, sagt König und berichtet von dem Messtechnik-Experten, der bislang im Labor saß. Ihm brachte ein Mitarbeiter aus der Fertigung das Prüfobjekt und nur er war in der Lage, die komplizierte Messmaschine oder das Mikroskop zu bedienen.

„Heute tun die Hersteller viel, um eine breitere Anwendbarkeit zu gewährleisten“, so König. Die Bedienbarkeit eines Digitalmikroskops, wie sie Precipoint biete (siehe unten), sei ein spannender Ansatz und komme der Generation ‚why‘ sehr entgegen. In einer Industrie 4.0 wird der Verschleiß des Werkzeugs direkt vor Ort untersucht – dazu brauche man robuste, einfach zu bedienende Messgeräte.

Im Produktionstakt korrelationsfrei messen

Zeiss korrelationsfreies Messen
Mit dem korrelationsfreien Messen präsentiert Zeiss eine Neuentwicklung, die der Automobilindustrie ermöglicht, noch effizienter zu fertigen. - (Bild: Spinnarke)

Kein hin und her zwischen Koordinatenmessgerät und Linie: Zeiss erfindet das korrelationsfreie Messen. Mit ihrem intelligenten System, bestehend aus Roboter, Sensor und Kamera, müssen Karosserieteile nicht länger in regelmäßigen Abständen auf einem Koordinatenmessgerät (KMG) nachgemessen werden. Die Abweichungen mussten bislang als Korrekturwerte an die Linie übertragen werden.

Mit dem korrelationsfreien Messen in der Produktionslinie erhalten die Hersteller bereits für das erste Bauteil die notwendige Sicherheit über die Maßhaltigkeit. „Das korrelationsfreie Messen wird die Inline-Messtechnik und letztlich auch die Fertigungswelt so nachhaltig verändern, dass wir im Zusammenhang mit dieser Lösung bereits von einem Game Change sprechen“, sagt Dr. Kai-Udo Modrich, Geschäftsführer der Carl Zeiss Automated Inspection. Er ist bei Zeiss für die Karosserie-Messtechnik zuständig, dort werden im Fertigungstakt innerhalb weniger Sekunden einige Dutzend Merkmale jedes Bauteils vermessen.

„Jedes Bauteil wird kontrolliert, das ergibt einen Trend, der wiederum an die Maschine oder Anlage zurückgespielt wird und für die Regelung des Prozesses verwendet werden kann“, so Modrich.

Ein Dichtigkeitsprüfgerät, das kommuniziert

Dr. Jochen Puchalla Inficon
Das neue Prüfgerät von Inficon detektiert Lecks bis in den Bereich von 10-5 mbar∙l/s. - (Bild: Spinnarke)

Es gibt viele Anwendungsfelder, in denen eine Dichtheitsprüfung erforderlich ist – doch nur wenige Prüfgeräte-Anbieter haben der Vernetzbarkeit ihrer Messgeräte soviel Aufmerksamkeit gewidmet wie Inficon. „Für die Fabrik von morgen sind wir mit vier Feldbusschnittstellen absolut führend“, sagt Dr. Jochen Puchalla, Digital Transformation Manager, Inficon, selbstbewusst.

„In China geht es mit der Batterieherstellung gerade richtig los!“ - Dr. Jochen Puchalla, Digital Transformation Manager, Inficon,

In der Entwicklung des Mischkonzerns haben die Ingenieure die Bedienung des Gerätes vereinfacht und nutzen das besonders kostengünstige Formiergas als Prüfgas. „Wir benötigen dadurch kein Vakuum, das ist das Besondere unseres Messgeräts“, so Puchalla. Neben der Dichtigkeit von Kühlkreisläufen, Motoren oder Bremsleitungen werden die Inficon Messgeräte auch in der Chipherstellung eingesetzt. „Sauerstoff muss während bestimmter Prozessschritte evakuiert werden“, erläutert der Inficon-Manager.

Doch viel spannender sei derzeit die Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien, denn auch dabei werden Dichtigkeitsprüfungen durchgeführt. Und dieser Markt sei gerade extrem dynamisch, so Puchalla: „In China geht es mit der Batterieherstellung gerade richtig los!“

Smartphone der Mikroskopie

precipoint
Dominik Gerber, Mitgesellschafter und Marketing-Chef von Precipoint präsentiert mit seinem Vertriebsteam das smarte Digitalmikroskop M8. - (Bild: Produktion)

Das Digital Mikroskop für den Werker 4.0 – wischend und klickend holt er sich die Details seines Bauteils auf den Schirm. „Wir haben alles digitalisiert und automatisiert. Okulare, Knöpfe oder Hebel gibt es an unserem Mikroskop nicht mehr“, berichtet Dominik Gerber, Mitgesellschafter und Marketing-Chef von Precipoint.

Produktionsmitarbeiter ohne Vorkenntnisse können mit dem robusten und doch extrem fein kalibrierten Digitalmikroskop M8 technische Bauteile direkt in der Fertigung prüfen und das hoch aufgelöst. Ihre Finger reichen aus, um durch die Proben zu navigieren. Komplizierte Konfigurationen des Digital Mikroskops entfallen komplett. Ob der Werker nun einen PC mit Touchscreen, ein Tablet oder ein Smartphone nutzt, spielt dabei keine Rolle.

iPhone kontrolliert Mikroskop

Precipoint hat das Apple-Bedienkonzept konsequent auf seinem industrietauglichen Digital Mikroskop M8, das zugleich auch Scanner ist, umgesetzt. Die Vergrößerungen werden digital in eine Datenbank gespeichert und können online, auch übers Internet, betrachtet werden. In der Life-Science-Branche hat sich das Digitalmikroskop bereits etabliert, die Industrie hingegen steht neu im Fokus des Unternehmens.

„Bei den Herstellern von Messtechnik handelt es sich um eine sehr konservative Branche.“ - Nils Blondin, Geschäftsführer Feinmess Suhl

„Wir haben nach der Methode ‚Lean Start-ups‘ einen Prototypen unseres Digital Mikroskops für die Industrie entwickelt. Den setzen wir jetzt Kunden aus“, sagt Gerber, der davon ausgeht, dass das M8 auch in der Industrie zum ‚Smartphone der Mikroskopie‘ wird.

Nur noch digital

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Das digitale Passameter in Nils Blondins Händen wurde 2016 mit dem Innovationspreis Thüringen ausgezeichnet. Es vermisst Präzisionsbauteile mit einer Messgenauigkeit von 0,1 μm und einem 4 mm hohen Messhub. - (Bild: Spinnarke)

Nils Blondin, Geschäftsführer der Feinmess Suhl, einem Tochterunternehmen der Steinmeyer-Gruppe, greift ein Messgerät aus der Reihe digitaler Passameter von dem Exponatentisch neben sich. „Passameter gibt es seit 50 Jahren. Sie waren allerdings analog. Jetzt gibt es sie auch digital“, so der Geschäftsführer. Er zeigt auf das integrierte kleine Display: „Sie haben eine digitale Anzeige und örtlich getrennt davon einen elektronischen Geber.“ Eine Selbstverständlichkeit ist dies allerdings nicht.

Ohne Schnittstellen gibt es nicht mehr

Für das Gerät in seinen Händen hat der Geschäftsführer Blondin 2016 den Innovationspreis Thüringens erhalten. „Bei den Herstellern von Messtechnik handelt es sich um eine sehr konservative Branche“, meint Blondin, der in der Branche größere Zurückhaltung gegenüber Schlagworten wie Digitalisierung und Industrie 4.0 beobachtete. „Das hat sich jetzt geändert“, berichtet der Geschäftsführer.

„Nur das, was wirklich wichtig ist, landet im Netz.“ -  Michael Skladnikiewitz, Marketingmanager Mahr

In Zukunft werde es keine Neuentwicklung ohne Schnittstellen für die Datenübertragung mehr geben. Die Daten aus den Messmaschinen und Geräten werden an weiterverarbeitende Systeme übertragen, seien es CAQ, Steuerungen, die Cloud oder ein Archiv. Feinmess Suhl hat diesen Weg bereits eingeschlagen.

Smart Metrology

digitale Bügelmessschraube Mahr
Die digitale Bügelmessschraube mit Funk von Mahr vereinfacht und beschleunigt die Qualitätssicherung in der Produktion. - Bild Spinnarke

Der Fertigungsmesstechnikspezialist Mahr setzt konsequent auf Digitalisierung: „Von der Handmesstechnik bis zur vollautomatischen Messmaschine sind die Mahr Produkte über Funk ans Firmennetz anbindbar“, berichtet Marketingmanager Michael Skladnikiewitz. Schließlich bestünden heute Nachweispflichten über „Alles und Jeden – sogar Messwerte, die mit Handmessgeräten erhoben wurden, müssen rückwirkend zuordenbar sein“, so Skladnikiewitz.

Weg mit Stift und Linse

Früher gab es Stift und Liste, heute gibt es Digitalisierung und Big Data. Doch was, wenn der Kunde nicht möchte, dass das Firmennetz mit gigantischen Mengen an Rohdaten geflutet wird? „Nur das, was wirklich wichtig ist, landet im Netz“, sagt Skladnikiewitz. Dazu wird die Mahr-Messtechnik immer intelligenter. Sie kann sogar selbstständig äußern, wenn eine Wartung oder ein Batteriewechsel ansteht – eben ‚SMAHRT Metrology‘

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