Werkzeuge effizient und für beste Bauteilqualität drucken
Weniger Gewicht, kürzere Zykluszeiten, bessere Bauteilqualität: Additiv gefertigte Werkzeuge setzen neue Standards im Werkzeugbau – Fraunhofer IWU zeigte auf der Blechexpo, wie aus Forschung industrielle Effizienz wird.
Redaktion ProduktionRedaktionProduktion
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Additiv gefertigtes, topologieoptimiertes Segment eines Presshärtewerkzeugs.(Bild: Fraunhofer IWU)
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Die additive Fertigung, insbesondere das Verfahren Laser Powder Bed Fusion (LPBF), eröffnet dank großer Gestaltungsfreiheit neue Wege im Werkzeugbau. Das Fraunhofer IWU erschließt dieses Potenzial in zwei Forschungsvorhaben, »AdTopoTool und »Ewam. Das Ziel besteht darin, effizientere Werkzeuge für die Blechwarmumformung und das Spritzgießen beschleu-nigt zu entwickeln und herzustellen. Davon profitiert auch die Qualität des Bauteils, das sich mit solchen Werkzeugen in kürzerer Zeit produzieren lässt.
Die Projekte AdTopoTool und Ewam liefern nicht nur die theoretische Grundlage, sondern direkt anwendbare Methoden und Tools, mit denen sich die Vorteile additiver Fertigung in die Realität überführen lassen. Besonders wichtig: Mit den Ergebnissen entsteht kein exklusives Hochtechnologieprodukt, sondern eineskalierbare Lösung für den breiten Markt.
Links: Originalwerkzeug; rechts: das topologieoptimierte Seg-ment wurde additiv hergestellt. Die Kühlkanäle sind gleichmäßig über die Werkzeugfläche verteilt und für ein besseres Temperatur-management näher an der Oberfläche platziert.(Bild: Fraunhofer IWU)
AdTopoTool: effiziente Materialverteilung im Werkzeug senkt das Gewicht um rund 30 Prozent
In vielen Werkzeugbaubetrieben kommen auch heute noch konventionelle Fertigungsverfahren und erfahrungs-basierte Designs zum Einsatz. Dies geht in der Regel mit geometrischen Einschränkungen und einem sehr hohen Werkzeuggewicht einher. In der Folge leiden Fertigungs-zeiten und Bauteilqualität häufig unter unzureichendem Temperaturmanagement. Im Forschungsvorhaben AdTopoTool konnten die Projektpartner Fraunhofer IWU, Werkzeugbau Winkelmühle GmbH und H+E Produktentwicklung GmbH nachweisen, dass additiv gefertigte Werkzeuge mit topologie- und kühlkanaloptimierten Geometrien einen erheblichen Mehrwert bieten – trotz hoher Anforderungen an die thermomechanische Belastbarkeit und das Temperaturmanagement des Werkzeugs. Topologieoptimierung bedeutet dabei, durch intelligente Materialverteilung bzw. mit Hilfe einer verbesserten geometrischen Gestaltung von Kühlkanälen das Werkzeug gleichzeitig auf minimales Gewicht und maximale Steifigkeit auszulegen.
Deutliche Gewichtsreduzierung dank AdTopoTool: Beispiel eines Spritzgusswerkzeugs (links Originalwerkzeug, rechts: Topologieoptimierung).(Bild: Fraunhofer IWU)
Am Beispiel der Produktionsprozesse Spritzgießen und Presshärten wurde eine numerische Methode entwickelt, mit der sich das Belastungs-und Strukturverhalten thermisch hochbeanspruchter Werkzeuge zuverlässig vorhersagen lässt. Diese Methode kam für die Topologieoptimierung und Auslegung der Kühlkanäle je eines Demonstratorwerkzeugs für das Spritzgießen sowie für das Presshärten zum Einsatz. Die Forschenden validierten außerdem die optimierten und additiv gefertigten Werkzeuggeometrien im Labormaßstab.
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Das Ergebnis: Eine Gewichtsreduktion des Spritzgusswerkzeugs um ca. 34 Prozent und des Presshärtewerkzeug-Segments um ca. 28 Prozent, ohne dass die Anforderungen an die Formstabilität beeinträchtigt werden.
Durch effizientere Temperiersysteme können die Zykluszeiten der spritzgegossenen Bauteile um 60 Prozent und die Wärmebehandlung der pressgehärteten Bauteile um fast die Hälfte verkürzt werden. Dabei kann in einigen Fällen sogar eine Verbesserung der Qualität und Maßhaltigkeit der Endprodukte erreicht werden.
Von händisch ausgelegten, konventionell gefertigten Kühlkanälen zur additiven Produktion nach Ewam-Ansatz.(Bild: Fraunhofer IWU)
Ewam : automatische Temperier-Kanalkonstruktion für additiv gefertigte Werkzeuge
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Fehlende Erfahrung mit additiver Fertigung, eine aufwändige Auslegung der Temperiersysteme und lückenhafte Konstruktionsrichtlinien stehen einem breiten Einsatz dieser Technologie jedoch bislang im Weg. Um solche Hürden zu überwinden, entwickelt das Fraunhofer IWU im aktuellen Projekt Ewam (Effizienter Werkzeugbau mit Additiver Fertigung) eine skriptbasierte, automatische Temperierungsauslegung. Weniger manueller Aufwand und eine verkürzte Entwicklungszeit für das Werkzeug sollen zu einer deutlichen Effizienzsteigerung führen. Ziel ist ein Software-Plug-in für die automatische Konstruktion von additiven Temperiersystemen unter Berücksichtigung von Vorgaben der additiven Fertigung sowie der Ergebnisse von thermischen, strömungs-technischen und Belastungsanalysen. Damit das Plug-in nach dem Marktstart zügig Verbreitung finden kann, wird es in einer universellen Programmier-sprache erstellt und mit verschiedenen 3D-CAD-Programmen kompatibel sein.
Schematischer Workflow einer automatisierten Kühlkanalkonstruktion.(Bild: Fraunhofer IWU)
Welche Vorteile bietet LPBF gegenüber konventionellen Verfahren?
Der LPBF-Prozess (Laser Powder Bed Fusion) ermöglicht ein präzises, schichtweises Aufbauen metallischer Bauteile direkt aus CAD-Daten. Im Werkzeugbau bedeutet das:
Freie Geometriewahl: Komplexe Strukturen und innenliegende Kanäle realisierbar
Gewichtsersparnis: durch gezielte Topologieoptimierung
Integrierte Funktionalitäten: z. B. Temperiersysteme direkt im Bauteil
Kurze Iterationszyklen: durch direkte Umsetzung der CAD-Konstruktion
Die Anwendung des Laser-Powder-Bed-Fusion-Verfahrens, eine optimierte Werkzeuggeometrie, die tatsächliche Prozessbelastungen berücksichtigt, sowie eine intelligente Werkzeugkühlung schaffen für mittelständischer Werkzeugbauer einen echten Mehrwert. Das Fraunhofer IWU hat sich auf die Fahnen geschrieben, neue Maßstäbe für schnell umsetzbare, ressourceneffiziente und hochwertige Werkzeuglösungen zu setzen.
5 FAQs zur Additiven Fertigung im Werkzeugbau
Lohnt sich additive Fertigung für mittelständische Betriebe? Ja – durch kürzere Zykluszeiten, weniger Materialeinsatz und optimierte Kühlung kann sich der Einsatz schnell rechnen, besonders bei komplexen Werkzeugen.
Welche Vorteile bringt der 3D-Druck konkret? Leichtere Werkzeuge (bis zu 34 Prozent), schnellere Produktion (bis zu 60 Prozent Zykluszeit), integrierte Kühlung, bessere Maßhaltigkeit und mehr Designfreiheit.
Was sind typische Einstiegshürden? Fehlendes Know-how, aufwendige Kanalplanung und hohe Anfangskosten. Neue Tools wie EWAM automatisieren und vereinfachen den Einstieg.
Muss das ganze Werkzeug gedruckt werden? Nein. Häufig reicht es, nur Einsätze oder Segmente additiv zu fertigen – ideal für hybride Werkzeuglösungen.
Welche Materialien werden verwendet? Hauptsächlich Werkzeugstähle wie 1.2709 (Maraging), H13-ähnliche Legierungen oder Edelstähle – je nach Belastung und Anwendung.