Buchstaben XaaS auf einem Tablett

Der Begriff XaaS steht für 'Anything as a Service' und beschreibt somit alle Dienstleistungen, die online angeboten werden. - (Bild: stock.adobe/rangizz)

Die Digitalisierung bringt neue Geschäftsmodelle mit sich. Eines davon ist XaaS, was für "Anything as a Service" steht. Die Definition ist folgende: Im Rahmen von XaaS-Modellen werden Produkte oder Dienstleistungen nicht mehr verkauft, sondern nutzungsabhängig vergütet. Industriebetriebe kaufen sich zum Beispiel keinen Roboter mehr, sondern 500 vom Roboter gebohrte Löcher pro Tag. Abgerechnet wird somit die Leistung "Löcher bohren per Roboter".

Doch warum sollten Industriebetriebe solche XaaS-Modelle nutzen?

„Der Hauptgrund ist die geringe Anfangsinvestition“, erklärt Silvester de Keijzer von Hahn Robshare. Denn es gebe in der Regel keinen Kaufpreis und keine Implementierungskosten. Darüber hinaus müssen XaaS-Nutzer kein zusätzliches Lager oder andere Hardware selbst erwerben. Ein zweiter Grund für ein XaaS-Modell ist laut de Keijzer die Entlastung des eigenen Mitarbeiters. Denn der technische Support und die Expertise der Anbieter von XaaS-Lösungen stellen sicher, dass sich die Mitarbeiter weiterhin auf ihre grundlegenden Aufgaben konzentrieren können, berichtet der Firmenchef. Bezieht man Software über ein XaaS-Modell, geht es darum, automatisiert aktuelle Releases zu erhalten. "Der Vorteil von XaaS ist, dass der Abonnent immer von den aktuellsten Funktionen und Updates profitiert", bringt es Thomas Hoger von 3spin auf den Punkt.

Was ist nun aber der konkrete Vorteil bei der Nutzung von XaaS-Modellen?

Bei BMW geht es vor allem um Standardisierung und eine damit einhergehende Vereinfachung von Prozessen. Der Autobauer sieht XaaS grundsätzlich als Philosophie, die in der IT schon weit verbreitet genutzt wird. Nun soll diese Philosophie auch in Produktionsumgebungen sinnvoll eingesetzt werden. Im Bereich Mensch-Roboter-Kollaboration  wird daher ein bereits standardisiertes Sensorik-System genutzt.

Grundsätzlich setzt der Autobauer in verschiedenen Fertigungsbereichen auf das XaaS-Modell. „Unsere BMW-IOT-Plattform hilft, Smart-Data-Analytics-Anwendungen schnell und unkompliziert anzubinden“, berichtet Torsten Krzywania von BMW. So kann man eine große Menge an Daten in Echtzeit analysieren und im Sinne des maschinellen Lernens in notwendige Automatismen überführen. XaaS ist aber laut BMW auch im Umfeld von Assistenzsystemen hilfreich.

Fischer wiederum hat das interne Weiterbildungsportal ‚Qualify@fischer‘ als XaaS-Modell umgesetzt. „Allgemeine Informationen zu Veranstaltungen, Verfügbarkeiten und anstehende Termine sind so rund um die Uhr tagesaktuell einsehbar“, erklärt Enrico Schmidt von Fischer. XaaS ermöglicht dabei durch den Einsatz von Standardsoftware eine schnelle Einführung von Standardprozessen mit kurzer Projektlaufzeit und geringen Projektkosten, berichtet Kollege Reiner Müller.

Wolfgang Dorst, Director Business Development Industrie 4.0 bei ROI

Wolfgang Dorst
(Bild: ROI)

"Die meisten Unternehmen nutzen Digitalisierung für Operational Excellence, also zur Prozessverbesserung. Neue Geschäftsmodelle erschließen noch wenige."

Industrieunternehmen können XaaS-Modelle aber nicht nur sinnvoll nutzen. Sie können auch ihr eigenes Portfolio um XaaS erweitern. Wie verdient man nun als Maschinenbauer Geld mit XaaS? Wie die Managementberatung ROI mitteilt, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder übernimmt der Maschinenbauer selbst den XaaS-Service für den laufenden Einsatz der Maschine beim Kunden. Oder er integriert einen XaaS-Service-Provider – sprich ein unabhängiges Unternehmen – in sein Wertschöpfungsnetzwerk. Auch die Integration von Finanzdienstleistern kann laut ROI sinnvoll sein, wenn das XaaS-Modell einen Leasingvertrag beinhaltet. Aber auch der Kunde – in diesem Fall der Nutzer der Maschine – kann Teil des Netzwerks sein. Das Erlösmodell ändert sich aus Sicht von ROI je nach Netzwerkstruktur und angebotenem Wertversprechen.

Gerade für Anlagenbauer ist XaaS ein lukratives Geschäftsmodell. Das berichtet ein Branchen-Insider. Wenn man als Anlagenbauer XaaS anbiete, dann stelle man im Servicevertrag den Betrieb der Anlage sicher. Man erhalte aber auch sehr viele Daten über die Anlage. Und da alle Anlagenkomponenten über eine Plattform¬lösung in der Cloud vernetzt sein müssen, sei der sogenannte "Login" sehr hoch. Für Anlagennutzer sei es dadurch relativ schwer, zu einem Wettbewerber zu wechseln.

Doch wie garantiert man als XaaS-Anbieter die Verfügbarkeit?

Hahn Robshare arbeitet dazu mit Servicetechnik-Partnern. „Die stellen sicher, dass wir unsere Dienstleistungen innerhalb von maximal zwei Stunden Wartezeit erbringen können“, verrät CEO de Keijzer. 3spin bietet eine webbasierte Plattform zur Erstellung von Virtual Reality Trainings als XaaS-Modell an. Hinsichtlich Verfügbarkeit setzt die Firma auf bestehende Infrastruktur. "Unser Service wird in der Regel in der Azure-Cloud von Microsoft betrieben", erklärt Co-Inhaber Hoger.

Wie ROI mitteilt, lässt sich das Verfügbarkeits-Risiko durch das Sammeln und die systematische Auswertung von Informationen über die Nutzung des Produkts für das Wartungsmanagement reduzieren. Die Beratung empfiehlt außerdem, technisch organisatorische Maßnahmen für die Gewährleistung von IT-Security, Safety und Robustheit vorzusehen. Weiterhin erfordere die Umstellung auf ein XaaS-Modell auch Änderungen in Aufbauorganisation und Unternehmenskultur.

Was sollten Maschinenbauer schließlich beachten, wenn sie ihre Produkte als XaaS-Lösung anbieten wollen? Wie Marcus Fehling von Siemens weiß, bietet die für das XaaS-Modell notwendige Datenanalyse Potenzial für weitere Geschäftsmodelle. Da der Xaas-Anbieter weiß, welche Materialien über welchen Zeitraum in welcher Quantität verarbeitet werden, könnte er etwa die Beschaffung, Zwischenlagerung und Organisation der Logistik für diese als Dienstleistung anbieten, erläutert der Trend Evangelist. „Er könnte dabei sogar aufgrund der größeren Einkaufsvolumina günstigere Preise erzielen“, verdeutlicht Fehling. Anbieter von XaaS-Lösung verfolgen seiner Meinung nach zudem in besonderem Maße das kaufmännische Minimalprinzip. Das heißt, sie wollen das geforderte Ergebnis mit minimalem Aufwand erzielen.

"Da der XaaS-Anbieter weiß, welche Materialien wann in welcher Quantität verarbeitet werden, könnte er etwa die Beschaffung als Dienstleistung anbieten"

Marcus Fehling, Siemens

ROI rät, das Werteversprechen des XaaS-Modells aus kundenorientierter Sicht zu entwickeln. Wichtig sei zudem, nur Internet-fähige Maschinen oder Anlagen als XaaS-Modelle anzubieten. Und neue Rahmenbedingungen, etwa bei der Bilanzierung von Leasing, sollten von Anfang an berücksichtigt werden. "Der digitale Reifegrad der produzierenden Unternehmen hat in Deutschland in den vergangenen Jahren extrem zugenommen", sagt Wolfgang Dorst von ROI abschließend. Die meisten Unternehmen nutzen Digitalisierung aus seiner Sicht jedoch aktuell für Operational Excellence. Neue Geschäftsmodelle wie XaaS erschlössen noch wenige.

Warum sollten Industriebetriebe XaaS-Modelle nutzen?

Thomas Hoger, 3spin: "Aus meiner Sicht kann ich insbesondere über Software sprechen, und die ist ja heutzutage ohnehin das Herz fast jeden physischen Produkts. In einer Welt, in der sich alles immer schneller bewegt, kann man es sich kaum noch leisten, mit einer stationär installierten Software zehn Releases hinter dem Wettbewerb zu sein. Der Vorteil von XaaS ist, dass der Abonnent immer von den aktuellsten Funktionen und Updates profitiert. Zudem besteht auf Wunsch ein Echtzeit-Rückkanal, um die Effektivität und Effizienz zu erfassen und somit aktiv Einfluss auf den Entwicklungsprozess der Anwendung zu nehmen. Außerdem zahlt man im Idealfall nur dann, wenn man den Service auch nutzt, das spart Kosten und erhöht die Flexibilität."

Interview: XaaS und Verantwortung

Marcus Fehling
(Bild: Siemens)

Herr Fehling, worüber muss man sich im Klaren sein, wenn man XaaS-Modelle anbietet?

XaaS-Modelle basieren darauf, dass der Anbieter einer solchen Leistung mehr Verantwortung im Wertefluss des Kunden übernimmt und entsprechende Garantien ausspricht. 

Und was heißt das konkret?

Damit ergibt sich eine der großen Herausforderungen dieses Geschäftsmodells: die Bewertung und Minimierung des eigenen Risikos. Wenn eine Maschine verkauft wurde, liegt es in der Verantwortung des Käufers, sorgfältig damit umzugehen, die Wartungsintervalle einzuhalten, Ersatzteile vorzuhalten und gegebenenfalls einen entsprechenden Wartungsvertrag abzuschließen. Es liegt im Interesse des Käufers, seine Investition zu schützen und den Wertefluss zu erhalten. Sobald nun aber nur noch die Leistung der Maschine angeboten wird, verschiebt sich diese Verantwortung zum Anbieter. Es liegt in seinem Interesse, die vertraglich zugesicherte Leistung zu erhalten. Das heißt, er muss sich um all die vorher genannten Dinge kümmern.

Inwieweit ist ein PaaS-Angebot wie Mindsphere die Basis, um die Risiken rund um ein XaaS-Modell zu minimieren?

Um dies effektiv tun zu können, muss der XaaS-Anbieter vorab wissen, wie seine Maschine sich unter welchen Bedingungen verhält. Wie man also rechtzeitig erkennen kann, wann es zu einer Störung kommt und wodurch diese verursacht wird. Hier setzt unser offenes cloudbasiertes IoT-Betriebssystem Mind­sphere an. Im Kern ist es ein Platform-as-a-Service-Angebot, das es Anwendern aus verschiedenen Branchen so einfach wie möglich machen soll, durch Analyse von Daten ihrer Assets die Produktivität, Qualität und Effizienz zu erhöhen. Zusammen mit dem Mindsphere-Partnernetzwerk bietet Mind­sphere damit die Werkzeuge, um die notwendigen Daten einzusammeln, gezielt zu analysieren und Antworten zu den genannten Fragen zu liefern. Auf Basis dieser Datenanalysen können Anwender, beispielsweise OEMs, die Risiken die mit diesem neuen Geschäftsmodell verbunden sind, minimieren und profitable Xaas-Modelle anbieten.

Vereinfacht es sich so auch für mittelständische Maschinenbauer, XaaS-Geschäftsmodelle gewinnbringend anzubieten?

Mindsphere wurde mit dem Ziel entwickelt, den Anwender soweit wie möglich von den nicht wertschöpfenden Anteilen der Digitalisierung zu befreien. Das heißt: Der Nutzer muss kein  Experte für digitale Cloud-Plattformen werden, um sicher und zuverlässig die Informationen zu bekommen, die für ein neues Geschäftsmodell, wie XaaS, wichtig sind. Mit Bezug zu XaaS liegt der entscheidende Vorteil, gerade für den mittelständischen Maschinenbauer, in der Offenheit der Mindsphere-Plattform. Man könnte auch sagen: in ihrer hohen Integrationsfähigkeit. Damit ist es möglich, die Welt der Produktion beispielsweise mit der Welt der Ressourcenplanung zu verbinden.

Welchen Vorteil bietet das genau?

Um ein Beispiel zu nennen: Wenn der XaaS-Anbieter mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit frühzeitig weiß, wo demnächst ein besonderes Ersatzteil benötigt wird, gewinnt er zusätzliche Zeit, um das Ersatzteil zu beschaffen und den Service für den Austausch zu planen. Das Wissen über das Ob und Wann kommt aus der Produktionswelt. Die Frage, wo ein Ersatzteil in welcher Menge verfügbar ist und wie sich die Auslastung der Service-Fachkräfte darstellt, kommt aus der Welt der Ressourcenplanung. Gewinn erzielt der Anbieter dann, wenn er seine Lagerbestände reduzieren, die kürzesten und preiswertesten Transportwege nutzen und seinen Service optimal auslasten kann.

 

Marcus Fehling arbeitet als Trend Evangelist Mindsphere bei Siemens. Mindsphere ist die Cloud-Lösung von Siemens für industrielle IoT-Projekte.

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