
Künstliche Intelligenz gilt als Innovationsmotor, doch nicht jede Investition zahlt sich aus. Während einige Maschinenbauer bereits messbare Erfolge erzielen, kämpfen andere mit technischen Hürden und mangelnder Akzeptanz. (Bild: DailyStock - adobe.stock.com)
Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Kaum ein anderes Thema dominiert in den letzten Monaten so konstant die Medien wie die Entwicklungen im Bereich KI. Insbesondere seit Anfang des Jahres tobt ein gefühlter Gigantenkampf zwischen den USA und China über die Fähigkeiten der landeseigenen KI-Modelle. Deutschland findet in dieser Diskussion kaum statt. Welche Auswirkungen hat dies auf den deutschen industriellen Mittelstand? Erst einmal keine. Es zeigt jedoch, dass die Entwicklungen rund um KI eine Geschwindigkeit angenommen haben, die es keinem Unternehmen gestattet, sich nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen.
KI-Transformation findet in drei übergeordneten Bereichen statt
Potenziale für den industriellen Maschinenbau sind bereits greifbar und benötigen nicht immer, wie oftmals angenommen, aufwendige und teure Initiativen. Es ist jedoch wichtig, dass Potenzialbereiche durch KI in drei Kategorien aufgeteilt werden: Persönliche Produktivität, Prozessoptimierungen und Produktinnovationen. Im Bereich der persönlichen Produktivität gibt es bereits Unmengen an Möglichkeiten für Mittelständler zu handeln.
DSGVO-konforme KI-Lösungen erhöhen nicht nur die Produktivität der Mitarbeiter innerhalb eines sicheren Rahmens, sondern – und das ist noch wertvoller – bieten den Mitarbeitern gleichzeitig praxisorientiert den Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Laut einer Studie von McKinsey nutzen Mitarbeiter KI-Tools dreimal häufiger, als ihre Führungskräfte erwarten. Insbesondere Mittelständler müssen daher sichere KI-Applikationen bereitstellen, um zu verhindern, dass Mitarbeiter auf private Tools ausweichen, welche erhebliche Sicherheitsrisiken darstellen würden.
Wie steigert KI die persönliche Produktivität?
Der große Vorteil ist, dass sich Lösungen zur persönlichen Produktivitätssteigerung der Mitarbeiter kostengünstig, sicher und ohne relevante Aufwände in der Datenakquise abbilden lassen. Durchaus komplexer sind Anwendungsbereiche im Bereich der Prozessoptimierung und Produktinnovation. Daher empfiehlt es sich sequenziert vorzugehen und zunächst KI im Bereich der persönlichen Produktivitätssteigerung einzusetzen. Neben den Produktivitätspotenzialen erlauben solche Initiativen es den Mitarbeitern erstes Vertrauen in die Technologie aufzubauen.
Welche KI-Potenziale gibt es für den Mittelstand?
Um Prozessoptimierungen effektiv voranzutreiben, sollten alle Bereiche eines Unternehmens nicht nur hinsichtlich KI geschult werden, sondern auch dazu angeregt werden, ihre Geschäftsprozesse zu überprüfen. Zentrale Fragen wie „Welche Aufgaben lassen sich mit Hilfe von KI besser gestalten?“ und „Wo sind unsere Prozesse noch manuell und langsam?“ bilden den ersten Schritt, um gezielte Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.
Prozessoptimierungen sind nicht immer datenintensiv
Besonders im Maschinenbau gibt es Potenziale in nahezu allen Geschäftsbereichen. In Kernbereichen wie dem IP-Management, der Projektplanung oder auch der Angebotserstellung gibt es oft Prozesse, die im Vergleich zum heutigen Technologiestandard langsam und vergleichsweise ungenau sind. Ein häufiges Missverständnis, welches Maschinenbauer davon abhält, Potenziale zu nutzen, ist die Annahme, dass für die Umsetzung solcher Anwendungsfälle Millionen von Trainingsdaten gesammelt werden müssen. Heute sind jedoch bereits vortrainierte KI-Modelle verfügbar, die sich mit firmeneigenem Wissen in einem gesicherten Umfeld anreichern lassen.
Ein Beispiel eines solchen Anwendungsfalles liegt beispielsweise im technischen Service, indem Betriebsanleitungen oder Informationen zu technischen Daten chatbar gemacht werden und somit Servicevorgänge schneller und besser bearbeitet werden können. Aufwändige Dateninitiativen sind in diesen Bereichen nicht notwendig. Um schnell und effektiv von KI zu profitieren, sollten sich insbesondere Maschinenbauer verstärkt auf solche Anwendungsfälle konzentrieren.
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Künstliche Intelligenz als Kundenangebot ist die Königsdisziplin
Für die meisten Maschinenbauer ist die Erweiterung ihres Maschinenportfolios um Services und insbesondere KI-Software ein naheliegender Schritt. Damit diese Lösungen jedoch echte Kundenmehrwerte bieten und auch wirtschaftlich sind, benötigen sie Daten – in vielen Fällen sogar Echtzeitdaten aus dem Maschinenbetrieb. Beispiel für derartige Kundenangebote sind unter Anderem Lösungen die über Predictive Maintenance oder Betriebsempfehlungen die Gesamtanlageneffektivität (OEE) versuchen zu steigern.
Maschinenbauer stoßen dabei jedoch oft auf zwei elementare Probleme: Entweder ist das bestehende Portfolio nicht ausreichend mit Schnittstellen oder Sensorik ausgestattet, um die erforderlichen Daten zu sammeln, oder es gibt Widerstände von den Kunden selbst, wenn es darum geht, auf reale Produktionsdaten zuzugreifen. Die Entwicklung eigener KI-Lösungen erfordert daher mehr als nur technische Nachrüstungen. Es benötigt einen co-kreativen Entwicklungsansatz, in dem eine enge Zusammenarbeit mit Kunden als Grundvoraussetzung verstanden wird.
Welche Risiken birgt der KI-Hype für Maschinenbauer?
Selbst wenn eine KI-Lösung technisch erfolgreich entwickelt scheint, garantiert dies noch nicht, dass sie auch effektiv vom Kunden und dessen Mitarbeitern genutzt wird. Oftmals werden so große Versprechungen seitens des Maschinenbauers zur teuren Enttäuschung des Kunden. Die Empfehlung lautet daher, nicht sofort mit enormen Investitionen zu starten, sondern durch Pilotprojekte nutzerzentrierte Anwendungsfälle zu identifizieren und diese dann in einer gemeinsamen Roadmap umzusetzen.
KI-Hype darf nicht zu überhasteten Entscheidungen führen
Obwohl die Potenziale in den Bereichen der persönlichen Produktivität und Prozessoptimierungen durchaus greifbar sind, bedarf es in der Entwicklung von eigenen KI-Produkten der Klärung von einer Vielzahl an Fragen und Abwägungen. Insbesondere Entscheidungen hinsichtlich technischer Infrastruktur sollten mit Bedacht getroffen werden, denn sie haben maßgeblichen Einfluss auf die zukünftige Flexibilität der KI-Lösungen.
Viele mittelständische Unternehmen setzen auf externe KI- & Cloud-Dienstleister, was jedoch Abhängigkeitsrisiken bergen kann. Um Abhängigkeit zu vermeiden, sollten Unternehmen in ihren Entscheidungen auf offene Standards, abgekapselte Business Logik und gängige Schnittstellen achten, die einen späteren Anbieterwechsel oder eine interne Lösungserweiterung vereinfachen. Eine Cloud-agnostische Strategie, bei der sichergestellt wird, dass eine Anwendung auch bei verschiedenen Anbietern läuft, bietet zusätzliche Flexibilität.
Besonders für datensensible Anwendungen können dazu lokale Anbieter eine sinnvolle Ergänzung sein. In jedem Fall müssen klare vertragliche Regelungen zur Datenweitergabe und Ausstiegsszenarien getroffen werden. So bleibt die Kontrolle über die eingesetzten Technologien auch beim Hinzuziehen von externer Expertise und Technologien gewährleistet.
Aktuelle Meldungen aus der Industrie
Energiekrise, Lieferengpässe, Fachkräftemangel: Die Industrie steht vor vielen Herausforderungen. Alle Meldungen aus Maschinenbau und Co finden Sie in unserem News-Blog. Hier klicken!
Menschliche Expertise bleibt unverzichtbar
Trotz aller Begeisterung für die aktuellen Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz darf der Mensch nicht aus dem Zentrum rücken. Ob im internen Einsatz von KI oder in der Entwicklung eigener Softwareprodukte, es ist entscheidend, dass das größte Potenzial der Technologie in der Erweiterung menschlicher Fähigkeiten liegt, nicht in deren Ersetzen. Ein 'Human-in-the-Loop'-Ansatz, bei dem KI Empfehlungen liefert statt eigenständig Entscheidungen zu treffen, ist nicht nur für die Mitarbeiterakzeptanz von zentraler Bedeutung, sondern auch technisch einfacher umzusetzen.
Die Automatisierung von ganzen Geschäftsprozessen ist derzeit unrealistisch. Überautomatisierung birgt die Gefahr, dass sich Fachkräfte zu sehr auf automatisierte Entscheidungen verlassen und ihre eigene Expertise somit mittelfristig verkümmert. Zudem wird der Umgang mit unvorhergesehenen Situationen erschwert, wenn Mitarbeiter zu stark auf die Entscheidungen einer KI vertrauen, ohne diese nachvollziehen zu können. Gerade im industriellen Mittelstand, wo implizites Fachwissen einen der wertvollsten Vermögenswerte darstellt, wäre eine solche Entwicklung desaströs. Generell sollte daher der Grundsatz etabliert werden: Künstliche Intelligenz soll monotone und komplexe Aufgaben erleichtern und menschliche Intuition und Erfahrung ergänzen, nicht ersetzen.
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Mit Augenmaß bringt KI auch für mittelständische Maschinenbauer Erfolg
Stand heute ist KI weder teures Leuchtfeuer noch der weiße Ritter. Sie ist jedoch der transformative Treibstoff, der Marktführer von Verlierern trennen wird. Insbesondere für Mittelständler muss sie als essenzielles Werkzeug verstanden werden, um im internationalen Wettbewerb weiter relevant zu bleiben. Anwendungsfälle für KI lassen sich in jedem Unternehmen finden. Wichtig ist vielmehr, wie diese Anwendungsfälle priorisiert und umgesetzt werden. Es ist nicht ausreichend, eine fehlende Datenstrategie oder den Mangel an hochqualitativen Daten als Ausrede zu nutzen, um KI-Initiativen aufzuschieben.
Eine Vielzahl von, insbesondere internen, Anwendungsfällen lassen sich ohne umfangreiche Datenstrategie oder akribische Selektion von Cloudanbietern umsetzen. Viel wichtiger für diese Anwendungen ist, dass sie nutzerzentrisch entwickelt werden und sich effektiv in die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter integrieren lassen. Bei der Entwicklung von kundengerichteten Lösungen bleiben diese Voraussetzungen weiterhin relevant, erfordern jedoch zudem eine sorgfältige Auswahl der Technologie und eine engere Zusammenarbeit mit den Kunden.
überarbeitet von: Dietmar Poll