Zum Gipfelauftakt machte der Maschinen- und Anlagenbau seine Erwartungen gegenüber der Politik klar. Dabei traf Bundeskanzler Friedrich Merz auf eine Branche, in der die Stimmung mehr als angespannt ist.
Daniela HoffmannDanielaHoffmann
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Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Rede auf dem Deutschen Maschinenbaugipfel in Berlin - veranstaltet von "Produktion" und dem VDMA.(Bild: Anna McMaster)
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„Wir stehen heute an einem Kipppunkt, nicht nur wirtschaftlich, auch gesellschaftlich, denn wenn die demokratische Mitte jetzt nicht liefert, gewinnen die Ränder“, erklärte VDMA-Präsident Bertram Kawlath. Die Stimmung in der Branche sei nicht nur angespannt, sondern wütend und enttäuscht. Eine solch lange Phase ohne Wirtschaftswachstum habe man in der Bundesrepublik Deutschland noch nie erlebt. „Die Lage ist ernst, sie ist bedrohlich“, betonte Kawlath. Die Furcht vor Reformen stünde „wie der Elefant im Raum“.
„Immer mehr unserer Unternehmen stehen vor tiefen Einschnitten, Arbeitsplätze gehen verloren – während die Politik eine zwingend gebotene Reform nach der anderen verschiebt oder zerredet“, so der VDMA-Präsident. Zugleich erlebe man Offenheit der neuen Regierung, gemeinsam nach Lösungen etwa zum Bürokratieabbau zu suchen. „Ich hoffe zutiefst, dass wir hier nächstes Jahr stehen und sagen können, die Wirtschaftswende hat funktioniert“, so Kawlath.
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Handeln statt analysieren
Gerade der Arbeitsplatzabbau trage dazu bei, dass Menschen das Vertrauen in den Staat verlören. Er kritisierte zudem, dass der Zoll-Deal für Teile der Branche – anders als erhofft – keine Stabilität bringe. „Immer mehr europäische Maschinen werden in den USA unverkäuflich – und die USA sind der größte Exportmarkt außerhalb der EU. Die Zollregeln müssen überarbeitet werden, dieser Deal belastet uns einseitig“, so Kawlath.
Der Maschinenbau habe immer wieder bewiesen, dass er schnell sein könne. Zugleich stoße man immer wieder an Grenzen des Systems. Kawlath monierte vor allem die überkomplexen Förderprogramme, die damit sinnlos würden. Es brauche Maßnahmen, die Zuversicht vermitteln. Dazu gehöre eine Senkung des Unternehmenssteuersatzes, die Genehmigungsersteilung in deutlich höherer Geschwindigkeit und kreativere Lösungen für den Arbeitsmarkt mit weniger ideologischen Blockaden: Die Demografie zwinge zum Handeln, so der Präsident. „Wir brauchen Entscheidungen, die den industriellen Mittelstand entlasten – und zwar sofort“, sagte Kawlath unter Applaus und ergänzte: „Kleine Korrekturen reichen nicht, wir brauchen die Wirtschaftswende“. Die Botschaft ist klar: Die Zeit des Analysierens ist vorbei, es muss endlich gehandelt werden.
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Merz wirbt für Verteidigungsausgaben
„Wir sind Zeitzeugen einer geradezu fundamentalen Veränderung der politischen und ökonomischen Machtzentren auf der Welt“, merkte Merz an. Keiner könne heute mit Gewissheit sagen, wo wir in diesem Kräfteverhältnis in zehn Jahren stehen. Daher sei ihm besonders wichtig, das Land so zu führen, dass vor allem der Frieden und die Freiheit auf dem europäischen Kontinent bewahrt werden, warb Merz für die geplanten Ausgaben in die Verteidigung.
„Wenn es Europa nicht gut geht, dann geht es Deutschland überdurchschnittlich schlecht“, konstatierte Merz. Daher sei das Zusammenwachsen in der Außen- und Sicherheitspolitik, genauso wie in der Innen- und Rechtspolitik und vor allem in der Wirtschaftspolitik und in der Standortpolitik weiter wichtig. Mit 450 Millionen Einwohnern und Konsumenten könne man eine „größere Kraft sein“.
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Bundeskanzler Friedrich Merz (li.) und VDMA-Präsident Bertram Kawlath. Der VDMA-Präsident empfing den Kanzler freundlich - gleichwohl sprach er die nicht zufriedenstellende Situation als auch die Erwartungen des Maschinen- und Anlagenbaus an die Regierung mit Nachdruck an.(Bild: Anna McMaster)
Erfüllungsaufwand in Unternehmen soll um 25% sinken
Angesichts der Branchen-Forderungen sagte Friedrich Merz, man habe zu Beginn der Amtszeit bereits dreimal 30 Prozent regressive Abschreibung für Investitionen in den Unternehmen ermöglicht, sodass in den ersten zweieinhalb Jahren einer Investition zwei Drittel „abgespielt“ werden könnten. Zudem bringe man erste Schritte für einen weitgehenden Bürokratierückbau auf den Weg. „Unser Ziel ist, den Erfüllungsaufwand in den Unternehmen in den nächsten eineinhalb Jahren um rund 25 Prozent zu senken. Das sind Kosten von etwa zehn Milliarden Euro in den Unternehmen, die wir entlasten wollen bei der Bürokratie“, so der Bundeskanzler.
Zudem wolle man bis Ende des Jahres die Gasspeicherumlage abschaffen und damit die Belastung in den Unternehmen um sechs Milliarden senken. Merz zufolge sollen mit der Senkung der Netzentgelte und Stromsteuer auf das europäische Minimum rund 600.000 Unternehmen profitieren, ein Rückgang der Belastung um vier Milliarden. Diese Vorhaben seien auf dem gesetzgeberischen Weg und sollen zum 1. Januar 2026 in Kraft treten.
Auch auf die von Bertram Kawlath angesprochene Disparität beim Zoll-Deal ging Merz ein. Man unterstütze die EU-Kommission dabei, bei Aluminium und Stahl Lösungen zu erzielen und sei hier auf einem guten Weg. Es gelte zu zeigen, dass die Abhängigkeiten nicht einseitig seien.
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Deutlicher Bürokratieabbau geplant
Im neuen Haushalt für 2026 werde man mit dem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur neue Wege im Hinblick auf Investitionen gehen, da „der Verfall unserer Infrastruktur keinen Aufschub duldet“, so Friedrich Merz. Zugleich kündigte er Einsparungen in der Sozialpolitik an, nicht nur beim Bürgergeld, sondern auch bei den sozialen Sicherungssystemen Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung.
„Wir müssen in diese Systeme bessere Anreize einbauen, mit den Ressourcen, die wir haben, sparsamer umzugehen“, so Merz. Eine Milliarde Arztbesuche in Deutschland pro Jahr seien „ein zweifelhafter europäischer Rekord“. Darüber hinaus habe man sich soeben darauf geeinigt, eine sogenannte Aktivrente zum 1. Januar 2026 einzuführen, um Menschen mit einem Freibetrag von 2.000 Euro einen Anreiz zu geben, freiwillig über das 67. Lebensjahr hinaus zu arbeiten.
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Ziel sei nun, einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Vertrauen und weniger Misstrauen in Form von Regularien einzuleiten. Gestern sei die Frist abgelaufen, in der die Ministerien Vorschläge für den Abbau von Regularien und Gesetzen machen können. Die Umsetzung sei nun einfacher möglich, weil das Digitalisierungs- und Staatsmodernisierungsministerium mit den nötigen Kompetenzen dafür ausgestattet sei. Bundesminister Karsten Wildberge werde dafür im Herbst entsprechende Vorschläge machen. „Deutschland hat kein Konjunkturproblem, sondern Deutschland hat ein strukturelles Wachstumsproblem“, konstatierte der Bundeskanzler. Aus diesen strukturellen Verwerfungen herauszukommen, erfordere grundlegende Korrekturen im bestehenden Regelwerk.
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Zum Gipfel-Auftakt sprach auch Morten Bødskov, dänischer Minister für Industrie, Wirtschaft und Finanzen. Dänemark gilt als Vorzeigeland bei der Digitalisierung und hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Moderatorin Ursula Heller zitierte eine Studie des ifo-instituts, der zufolge Deutschland seine Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen könne, wenn es dem dänischen Beispiel folgt. “Wir brauchen die deutsche Industrie: Sie sind das Rückgrat der europäischen Wirtschaft“, sagte Morten Bødskov. Anstatt in der EU wurde in den letzten Jahren am meisten in China und den USA in klimafreundliche Kraftstoffe investiert, denn hier träfen die Unternehmen auf lange komplexe Genehmigungsverfahren.
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„Wenn wir uns nicht verändern, verlieren wir Investitionen, Jobs, Wachstum und mehr gesellschaftlichen Fortschritt. Tatsächlich steht genau das im Zentrum der dänischen EU-Ratspräsidentschaft“, so Bødskov. Dazu seien eine schnellere Entscheidungsfindung und mehr Geschwindigkeit bei Genehmigungsverfahren notwendig, um ein stärkeres, wettbewerbsfähigeres Europa zu schaffen. Das sei auch wichtig, weil sich die Menschen immer mehr Sorgen machten. „Wir brauchen keine Reden mehr, wir brauchen Aktion“, bekräftigte auch der dänische Wirtschaftsminister.