Der autonome, mobile Inspektionsroboter RB-Watcher Reality Capture der United Robotics Group-Tochter Robotnik Automation für den Bereich ‚Inspection & Maintenance‘.

Der autonome, mobile Inspektionsroboter RB-Watcher Reality Capture der United Robotics Group-Tochter Robotnik Automation für den Bereich ‚Inspection & Maintenance‘ sorgt für maximale Arbeitssicherheit, bewährt sich unter schwierigen Konditionen und ermöglicht durch Kameras und Sensoren sowie Echtzeitübermittlung eine vorausschauende Wartung. (Bild: Kim Vorwerk)

Nach Angaben der ‚International Federation of Robotics‘ erledigen in deutschen Produktionsshallen bereits heute so viele Roboter wie in keinem anderen europäischen Land Tag für Tag ihren Job – mehr Roboter in der Fertigung gibt es nur in Ostasien. Über die Bedeutung der Service-Robotik auf dem Hintergrund des aktuellen Fachkräfte- und Personalmangels sprach PRODUKTION mit Thomas Hähn, CEO und Gründer der United Robotics Group. Hähn wird auf dem Maschinenbau-Gipfel zusammen mit Patrick Schwarzkopf (VDMA Robotik+Automation) und Dr. Oliver Stettes (Institut der deutschen Wirtschaft) zum Thema "Perspektive Robotik - Wohin sie uns bringen wird" diskutieren.

Nicht nur der VDMA bezeichnet den Fachkräfte- und Personalmangel als das größte Problem des deutschen Arbeitsmarktes. Wie sehen Sie das? 

Thomas Hähn: Das sehen wir auch so. Laut einer Studie der Bundesagentur für Arbeit fehlen in jedem sechsten Beruf heute Fachkräfte. Das gilt vor allem für Pflegeberufe, aber auch für den Metallbau und die Gastronomie. Daher spielt die Automatisierung eine immer größere Rolle. Servicerobotik kann Personalknappheit abfedern – nicht umsonst erwartet der VDMA einen Umsatz von 16,2 Milliarden Euro im Gesamtjahr 2023 für die Automatisierungsbranche. Schon 2021 war der Absatz von Servicerobotern um ganze 37 Prozent gestiegen.  

Zudem stellen nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie höhere Krankheitsstände von Beschäftigten – auch als Folge des Personalmangels – eine zusätzliche Herausforderung dar. Dies gilt besonders für den Bereich der Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe, in denen vor allem Muskelerkrankungen ins Gewicht fallen.  

Inwieweit ist die Service-Robotik relevant bei der Lösung dieses Problems?

Hähn: Lange Zeit wurde befürchtet, dass Roboter den Menschen die Arbeit wegnehmen. Das hat sich geändert: Heute geht es um den Ausgleich fehlender Fachkräfte. Im Dienstleistungssektor ist der Bedarf besonders hoch. Wenn hier Serviceroboter bestimmte Routinetätigkeiten übernehmen, entlastet das die Belegschaften. Gleichzeitig können sie sich verstärkt auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren. Mit CobiotX der United Robotics Group steht die neue, dritte Generation von Servicerobotern zur Verfügung, die genau hier ihre Potentiale ausschöpfen kann – zum Beispiel im Gesundheitswesen oder Gastgewerbe.

Serviceroboter, die Medikamente bereitstellen, im Restaurant servieren und abräumen oder repetitive Arbeiten übernehmen, sind ein Teil der Lösung. Dazu gehört aber auch ein entsprechender gesellschaftlicher Diskurs: Die Menschen, die bislang diesen Tätigkeiten mit geringerer Wertschöpfung nachgingen, brauchen einen parallel ablaufenden gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess, um für sich neue Perspektiven zu erschließen.

Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

Deutscher Maschinenbau-Gipfel

Der Maschinenbau-Gipfel 2023 ist vorbei - hier können Sie die Highlights Revue passieren lassen:

 

Die Veranstalter des Maschinenbau-Gipfels, VDMA und PRODUKTION freuen sich, wenn Sie auch 2025 in Berlin dabei sind!

 

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In welchen Bereichen außer der industriellen Fertigung ist der Einsatz von Robotern denkbar oder schon Fakt, um den Fachkräftemangel und den allgemeinen Personalmangel aufzufangen? 

Hähn: Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass unsere Roboter mit und für den Menschen, aber nicht an seiner Stelle arbeiten sollen. So können sich die Betroffenen auf Interaktionen konzentrieren, für die es Kreativität, Fürsorge, Service und Sozialkompetenz braucht. 

Bei der United Robotics Group agieren wir in sechs Bereichen: ‘Hospitality und Catering’, wo Serviceroboter beispielsweise Speisen und Getränke aus der Küche zum Gast bringen, aber auch ‘Intralogistik’ zur Verbindung von Produktionsinseln in Fabriken. Im Bereich ‘Inspection & Maintenance’ können Roboter Live-Aufnahmen in einen Kontrollraum übertragen, während sie im Bereich ‘Education’ beim Erlernen von Fremdsprachen unterstützen. Nicht zuletzt sind Serviceroboter in den Sektoren ‘Healthcare’ und ‘Life Science’ im Einsatz – unter anderem in der Arbeit mit traumatisierten Patientinnen und Patienten und zur Automation von Laboren, wo ebenfalls ein Fachkräftemangel herrscht.

Thomas Hähn, CEO und Gründer der United Robotics Group.
Thomas Hähn, CEO und Gründer der United Robotics Group. (Bild: United Robotics Group)

Welche technischen Möglichkeiten und welche Technologien können hier kurzfristig, welche dauerhaft zum Einsatz kommen? Ihr CobiotX Plato ist ja schon ein echter Medien-Star unter den Cobiots: Wo macht er sich besonders nützlich?

Hähn: Als erster Cobiot der United Robotics Group wurde Plato zunächst für das Gastgewerbe vorgestellt, wo er das Personal bei einer Vielzahl von täglichen Aufgaben unterstützt und somit die Arbeitsbedingungen spürbar verbessert. Seine autonome mobile Plattform und das intelligente Indoor-Navigationssystem an Bord erlauben zum Beispiel das Abräumen und Ausliefern von Speisen. Plato eignet sich aber auch für den Einsatz im Gesundheitssektor etwa für den Transport oder die Verteilung von Medikamenten. 

Pepper wiederum ist ein humanoider Roboter, der ebenfalls im Gesundheitswesen eingesetzt wird und beispielsweise mit traumatisierten oder Alzheimer-Patientinnen und Patienten arbeiten kann. Als erster seiner Art erkennt Pepper Gesichter und einfache Emotionen – und interagiert per Touchscreen direkt mit seinem Gegenüber.  

Nicht zuletzt gibt es mit uMobileLAB eine CobiotX-Lösung für die Automatisierung von Laboren. Sie kann 24 Stunden am Stück eingesetzt werden und lässt sich auch autonom kontrollieren, was die Mitarbeitenden in den Laboren entlastet.

Robotik, Digitalisierung, künstliche Intelligenz oder auch Automatisierung helfen heute schon, wenn Personal fehlt! Machen diese Technologien aber nicht auch den ein oder anderen Beruf langfristig komplett überflüssig?

Hähn: Unsere Serviceroboter oder die Technologie, die wir mit ihnen schaffen, sind nicht dafür bestimmt, den Menschen zu ersetzen. Vielmehr sollen sie den Menschen unterstützen und assistieren. Andererseits wirken sie auch dem Fachkräftemangel in vielen Bereichen entgegen. Insgesamt sehen wir großes Potenzial im Bereich der Servicerobotik. Hier geht es um die Frage, wie Roboter Aufgaben übernehmen, die wir nicht erledigen können, weil das Personal fehlt oder an welcher Stelle sie menschliche Kräfte freisetzen für Aufgaben, die nur Menschen wirklich gut erledigen können.

Dadurch, dass die Menschen in Europa und auf der Welt älter werden, nehmen auch die chronischen Leiden zu und das erhöht den Stress auf die Gesundheitssysteme. Nur durch den Rückgriff auf Automation und Robotik in diesen Bereichen werden wir unseren Standard halten oder gar verbessern können.

Ein Inspektionsroboter wie ANYmal von ANYbotics vereint heute schon viele Aspekte, die für das Berufsbild ‚Wartung & Instandhaltung’ relevant sind? Ist das bei Cobots in den oben angesprochenen Bereichen auch denkbar?

Hähn: Ja, durchaus. Unser jüngst akquiriertes Tochterunternehmen Robotnik Automation vertreibt Robotiklösungen im Bereich ‘Inspection & Maintenance’. Wir verfügen über Systeme und Software, die Wartungsteams maßgeblich unterstützen. Sie sorgen für maximale Arbeitssicherheit, bewähren sich unter schwierigen Konditionen – und ermöglichen durch Kameras und Sensoren sowie Echtzeitübermittlung eine vorausschauende Wartung.

Zum Einsatz kommen solche Lösungen wie der mobile Roboter RB-Watcher RC beispielsweise bei Sicherheitsdienstleistern. Sie gibt Alarm, kann Gesichter unkenntlich machen und beinhaltet 3D Point Maps für BIM. Weiterhin kann sich der Laufroboter SPOT gut in unwegsamen Umgebungen bewegen, das Umfeld genau beobachten, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und -qualität messen und Anomalien erkennen.

Was ist heute in im Bereich der Service-Robotik wirklich schon machbar? Wo liegen die Grenzen – technische wie ethische? 

Hähn: Von der Software her ist sehr vieles möglich. Doch müssen wir uns fragen, was wir zulassen wollen. Der Mensch muss die Kontrolle behalten, es braucht Sicherheitsbarrieren und auch Regulierung. Wichtig ist, dass Serviceroboter sympathisch wirken. Das Aussehen spielt eine Rolle, aber auch die Bewegungen und interaktive Kommunikation. Das Design des Roboters muss freundlich sein.  

Dazu gehen wir Partnerschaften mit Kliniken, Hochschulen und Instituten ein. Zudem arbeiten bei der United Robotics Group nicht nur Ingenieure und Techniker zusammen, sondern zum Beispiel auch Philosophen, die sich damit beschäftigen die verschiedenen Customer Use Cases aus dem Blickwinkel der jeweils betroffenen Personengruppe zu beschreiben und daraus Rückschlüsse zu ziehen, wie die jeweilige automatisierte Lösung genau aussehen sollte. 

Die technische Herausforderung: den Cobiots bei komplexen Abläufen die Ausführung von Bewegungen beizubringen. Mithilfe von KI lernt der Roboter, sich in allen Umgebungen zu orientieren. Wichtig sind auch eine einfache, intuitive Bedienbarkeit, die Erfüllung hoher Sicherheitsanforderungen sowie die Einhaltung ethischer Richtlinien. Wir haben eine Verantwortung und müssen wissen, was wir als Gesellschaft zulassen wollen und was nicht.  

Lesenswertes rund um den Maschinenbau-Gipfel

Ist der Mensch im Bereich manueller Tätigkeiten eines Tages überhaupt noch von Nöten, um die vielfältigen Jobs zu stemmen? Oder haben wir dann alle so viel mehr Freizeit, weil wir vielleicht nur ein, zwei Stunden am Tag arbeiten müssen?

Hähn: Die Idee, dass Roboter die ganze Arbeit erledigen, während sich die Menschen entspannt zurücklehnen, stammt aus einer Zeit, die mehrere Jahrzehnte zurückliegt – und ist nie über das Stadium einer Vision hinausgekommen. Tatsächlich geht es nicht darum, die Menschen für das Arbeitsleben überflüssig zu machen. Im Gegenteil: Roboter unterstützen die Menschen dadurch, dass sie Routineaufgaben übernehmen, die oft sehr anstrengend sind. Die Menschen haben dann Zeit und Kapazität, sich Tätigkeiten mit höherer Wertschöpfung zu widmen – was erfahrungsgemäß nicht in einer oder zwei Stunden am Tag erledigt ist.

Es gibt Experten, die unterscheiden zwischen ‚grundsätzlich automatisierbar‘ und ‚wirtschaftlich automatisierbar‘ und sagen, nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch wirtschaftlich sinnvoll. Wie sehen Sie das und wo liegen hier die Grenzen im Einsatz von Cobots?

Hähn: Diese Aussage hat mit Sicherheit eine Daseinsberechtigung, wird aktuell jedoch überholt. In immer mehr Wirtschaftsbereichen würde eine Aufrechterhaltung des Tagesgeschäfts ohne Automatisierung und Robotik schlicht nicht mehr möglich sein. Der Druck in den Branchen ist so groß, dass die Gegenüberstellung eher lautet: was ist automatisierbar und wie kann ich es möglichst schnell einsetzen, um meinen Regelbetrieb zu gewährleisten. Die grundsätzliche Automatisierbarkeit steigt rasant an und die Grenzen im Einsatz von Cobots verschieben sich stetig.

Bearbeitet von Anja Ringel und Sabine Königl.

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