Ein Finger deutet auf ein Euro-Symbol

Machine-to-Machine-Payment soll eine der nächsten Schritte bei der Automatisierung sein. - (Bild: Sikov - stock.adobe.com)

Herr Dr. Beier, was kann ich mir denn unter Machine-to-Machine-Payment genau vorstellen?

Dr. Nils Beier (Leiter des Bereichs Banken und Public Sector bei Accenture Strategy in DACH): Die „Maschine“ – Maschine in Anführungszeichen, weil es eher die Software in der Maschine ist – kontrolliert, steuert, bestellt und interagiert mit anderen Maschinen. Sie schließt auch Verträge und wickelt Zahlungen ab. Der erste Schritt war, dass Maschinen von Softwareprogrammen gesteuert werden und mit anderen Maschinen vernetzt sind. Diese technischen Voraussetzungen sind also schon da. Die Interaktion zwischen den Maschinen werden in Zukunft nun noch vielfältiger werden und Zahlungen werden eine weitere Dimension der Automatisierung sein.

Nehmen wir als Beispiel eine Maschine, die ein neues Ersatzteil braucht. Viele Maschinen sind ja inzwischen schon so weit, dass sie selbst erkennen, wann ein Teil ausgetauscht werden muss. Bei Machine-to-Machine-Payments würde die Maschine sich dann automatisch selbst ein Ersatzteil bestellen und bezahlen?

Beier: Normalerweise läuft es ja so ab, dass die Bestellung in das System eingeht und der Zulieferer liefert ein Ersatzteil. Parallel dazu findet dann die Rechnungsstellung – wahrscheinlich in einem Buchungssystem – statt.

Dieser Prozess hat aber auch Limitationen und Voraussetzungen: Das Verhältnis zum Zulieferer muss bekannt sein, das Unternehmen muss wissen, dass es bei diesem Zulieferer das Ersatzteil gibt und es muss ein Preis vereinbart worden sein. Dieses Set-up ist zwar gut durchoptimiert, aber nicht hocheffizient.

In unserem Beispiel würde die Maschine automatisch selbst schauen, welche Zulieferer das Ersatzteil anbieten und automatisiert auch mit einem neuen Anbieter, der das Teil günstiger anbietet, einen Vertrag abschließen. Das heißt, Unternehmen und Zulieferer kennen sich gar nicht, es läuft alles automatisch über die Maschine ab.

Das ist Experte Nils Beier

Dr. Nils Beier

Dr. Nils Beier ist Leiter des Bereichs Banken und Public Sector bei Accenture Strategy in DACH. Er hat über 20 Jahre Erfahrung in der Strategie-Beratung. Beier hat unter anderem für den juristischen Dienst der Europäischen Kommission gearbeitet und am Max Planck Institut für Innovation und Wettbewerb promoviert. (Bild: Accenture)

Wie weit ist denn die deutsche Industrie schon? Ist Machine-to-Machine-Payment ein Thema?

Beier: Es ist ein großes Thema. Wir sind da auch relativ weit, weil wir ein typisches Maschinenbauerland sind. Die deutschen Unternehmen haben umfassende Supply Chains. Ich würde sagen, Deutschland ist schon ein Standort, der weltweit führend ist was die Automatisierung von Produktionsprozessen angeht. Deshalb ist Machine-to-Machine-Payment schon ein wichtiges und großes Thema, denn das trägt natürlich zur weiteren Optimierung und Automatisierung bei.

Es gibt bereits verschiedene Prototypen, die derzeit laufen. Verschiedene Banken versuchen mit Großkonzernkunden im kleinsten Testumfeld Dinge zu entwickeln. Daimler Trucks hat zum Beispiel zusammen mit der Commerzbank einen Use Case gemacht. (Anmerkung der Redaktion: Mehr dazu lesen Sie am Ende des Textes.)

Und auch die neue Mobilität mit selbstfahrenden Autos wird davon abhängen, dass die Autos Zahlungen für Dinge wie Tanken und Parkgebühren selbst abwickeln.

Welche Herausforderungen beziehungsweise Hindernisse gibt es denn noch? Ich denke da vor allem an das Thema Datenschutz.

Beier: Ja, Datenschutz ist ein Thema, aber auch Sicherheit. Denn die Systeme sind ja sehr offen. Bei der IT-Sicherheit gibt es noch viele rechtliche Aspekte, die geklärt werden müssen. Denn unsere Gesellschaft ist nicht darauf ausgelegt, dass Maschinen selbstständig Verträge abschließen. Da muss sich sicher noch einiges weiterentwickeln.

Dann ist auch das Thema Identifizierungen eine Herausforderung. Also wer ist das eigentlich, mit dem meine Maschine kommuniziert? Die Technologie ist auch noch ein Thema, aber eher ein kleineres, denn technologisch ist das ganze schon relativ weit gedacht. Es geht da zum Beispiel um Normierungsthemen: Also welche Plattform wird genutzt. Denn das Ganze macht natürlich erst Sinn, wenn es international anwendbar ist. Und dafür müssen sich die großen Wirtschaftsräume auf Vorgaben und Standards einigen.

Mit internationalen Standards tun sich die Wirtschaftsräume ja oft schwer. Das wird also wahrscheinlich noch etwas dauern, bis da Entscheidungen gefallen sind, oder?

Beier: Ja, das glaube ich auch. Es ist aber schwierig zu sagen, wie viele Jahre es dauern wird. Das wird in fünf Jahren nicht getan sein. Ich gehe aber davon aus, dass das Thema signifikanter werden wird und wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren Veränderungen sehen werden.

Wenn ich das richtig verstanden haben, testen bisher nur die großen Konzerne das Zahlungsmodell. Welche Vorteile hat Machine-to-Machine-Payment denn für den Mittelstand?

Beier: Da gibt es verschiedene Vorteile. Einer ist natürlich der reine Effizienzgewinn in den Produktionsketten. Es gibt aber auch Vorteile bei den Finanzierungen. Diese Art des Bezahlens bringt viele neue Möglichkeiten. Denn dadurch können auch Kleinstbeträge kostengünstig abgerechnet werden. Das sind Geschäftsmodelle, die wir noch gar nicht auf dem Schirm haben, weil sie noch nicht realisierbar sind. Und solche Infrastrukturen bieten natürlich auch kleineren Mittelständlern unglaubliche Möglichkeiten.

Die Möglichkeiten des Mittelstands sind auch Thema im Podcast Industry Insights. Welche Zukunftsperspektiven die "Stimme des Mittelstands", Vanessa Weber, sieht, hören Sie hier: 

 

Den Podcast finden Sie auf bei Spotify und Apple Podcasts.

 

Sie haben es schon angesprochen: Um voranzukommen, braucht es nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Finanzdienstleister. Wie sehen die denn das Thema?

Beier: Die Banken arbeiten heute schon eng mit ihren Kunden, zum Beispiel der Automobilindustrie, an dem Thema und diskutieren das in größeren Runden. Es wird immer zusammen in Gruppen entwickelt, weil immer mehr in Ecosystemen gedacht wird. Denn wir sind heute nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse der Kunden, alleine zufrieden zu stellen. Also zum Beispiel beim Thema Klimaschutz. Da muss branchenübergreifend gearbeitet werden.

Beim Thema Digitalisierung hat sich Deutschland ja noch nicht wirklich behaupten können. Warum sind Sie denn optimistisch, dass das bei Machine-to-Machine-Payments jetzt anders laufen wird?

Beier: Es wird klappen, weil das offensichtlich der nächste Schritt der Automatisierung sein wird. Es ist antiquiert, dass Zahlungen durch Menschen ausgeführt werden, wenn das auch automatisch passieren kann.

Die Zahlmethode wird also auf alle Fälle kommen. Die Frage ist natürlich, ob Deutschland und der europäische Wirtschaftsraum es hinbekommen, vorne mit dabei zu sein. Ich hoffe es, denn die Voraussetzungen dazu sind da. Wir haben den Mittelstand, der kreativ und innovativ sein sollte. Noch fehlt es aber leider an einigen Dingen wie zum Beispiel Kapital, Technologieverständnis, Unternehmertum und die Kultur, Themen einfach mal auszuprobieren. Daran sollte gearbeitet werden.

Beim Thema Voraussetzungen ist natürlich auch die Politik gefordert, da als Regulator schneller zu handeln. Wir haben, wie gesagt, das Potenzial, es zu schaffen und deshalb bin ich durchaus hoffnungsvoll, dass wir in dem Bereich eine wichtige Rolle einnehmen werden.  

Praxisbeispiele: Commerzbank testet neues Bezahlsystem

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(Bild: Production Perig - stock.adobe.com)

Die Commerzbank hat als erste deutsche Bank eine auf Blockchain basierende Zahlungslösung für Machine-zu-Machine-Payment entwickelt und 2019 ein Pilotprojekt mit Daimler Trucks durchgeführt. Dabei ging es um eine voll automatisierte Zahlungsabwicklung von Ladevorgängen zwischen einer Tankladesäule für Elektrizität und einem Lastkraftwagen-System.

 

Bei der Transaktion hat die Commerzbank zunächst Euro auf die Blockchain gebracht und anschließend das sogenannte „Cash on Ledger“, also das Geld auf der Blockchain, Daimler Trucks für die Abwicklung der Bezahlvorgänge zur Verfügung gestellt.

 

„Nachdem wir mit vergangenen Pilotprojekten vor allem Wertpapiertransaktionen vollständig digitalisiert und über die Blockchain-Technologie abgewickelt haben, rücken für uns nun DLT-basierte Payment-Strukturen in den Fokus. Denn als Bank sehen wir unseren Auftrag selbstverständlich auch in der Schaffung neuer digitaler Zahlungsarchitekturen für unsere Kunden“, sagte Stephan Müller, Bereichsvorstand Transaction Banking, 2019.

 

Dieses Jahr haben Commerzbank, Evonik und BASF in einem gemeinsamen Projekt erstmals erfolgreich eine gemeinsame Blockchain-Plattform zur effizienten Abwicklung von bilateralen Supply-Chain-Prozessen zwischen Unternehmen im Livebetrieb getestet. Dabei konnten gegenseitige Forderungen von Evonik und BASF mittels eines programmierten Zahlungsprozesses hochautomatisiert und volldigital geprüft, gezahlt und verbucht werden. „Programmierbares Geld hat ein enormes Potential für die weitere Digitalisierung von Lieferketten. Mit diesem Projekt sind wir beim Einsatz von Blockchain-basierten Zahlungsverkehrslösungen wieder einen deutlichen Schritt weiter“, sagte Carsten Bittner, Bereichsvorstand Technology Foundations.

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