Europa rüstet sich für Rohstoff-Krisen
EU-Kommission plant zentralen Rohstoffeinkauf
Lieferengpässe, Handelskonflikte, geopolitischer Druck: Die EU zieht wirtschaftspolitisch die Zügel an – und setzt auf gemeinsamen Rohstoffeinkauf.
Europa ist an vielen Stellen abhängig von Rohstoffimporten - nun will die EU-Kommission Lieferengpässen entgegentreten.
Dmitri - stock.adobe.com)
Europäische Einkaufskraft bündeln
Die Europäische Union will in der Versorgung mit Rohstoffen strategischer vorgehen und setzt auf einen koordinierten Ansatz. Die EU-Kommission kündigte an, ein europäisches Zentrum zur Koordination von Rohstoffeinkäufen und Vorräten ins Leben zu rufen. Unternehmen sollen dabei unterstützt werden, ihre Nachfrage zu bündeln und künftig gemeinsam einzukaufen.
Mit dieser Maßnahme soll nicht nur die Versorgungssicherheit gestärkt, sondern auch die Abhängigkeit von Drittstaaten reduziert werden. Die geplante Rohstoffplattform soll insbesondere den Mittelstand und energieintensive Branchen entlasten, die von internationalen Versorgungsengpässen besonders betroffen sind.
Reaktion auf geopolitische Spannungen
Das Thema Rohstoffe auf "Technik & Einkauf"
Der Hintergrund für die neue wirtschaftspolitische Ausrichtung ist eindeutig: Die EU ist in hohem Maße von Rohstoffimporten abhängig. Besonders deutlich wurde dies, als China Exportkontrollen für seltene Erden verhängte. Diese Entscheidung hatte massive Auswirkungen auf verschiedene europäische Industriezweige – von der Halbleiterproduktion bis zur Automobilbranche.
Ein weiteres Beispiel für diese Verwundbarkeit lieferte der Streit um den niederländischen Chiphersteller Nexperia. Als Peking Exportbeschränkungen für Nexperia-Chips einführte, gerieten auch deutsche Autohersteller unter Druck. Die EU-Kommission zieht aus diesen Erfahrungen Konsequenzen.
Härtere Gangart gegenüber Drittstaaten
Die Kommission will künftig eine deutlich strategischere Wirtschaftspolitik betreiben. Dazu gehört, das wirtschaftliche Gewicht der EU sowie den Zugang zum Binnenmarkt gezielter als Druckmittel einzusetzen. Bestehende Instrumente sollen unabhängig von ihrem ursprünglichen Zweck proaktiv genutzt werden.
Konkret geht es etwa um Anti-Dumping-Zölle, Maßnahmen gegen ungewollte Übernahmen europäischer Unternehmen durch ausländische Investoren oder den Ausschluss von Firmen aus Drittstaaten bei öffentlichen Ausschreibungen.
Zitat aus dem EU-Parlament
Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, bringt es auf den Punkt: „Es ist wohl vor allem den aktuellen Exportbeschränkungen Chinas für seltene Erden zu verdanken, dass die EU hier jetzt endlich die nächste Stufe zündet.“
Insbesondere der drohende Auslieferungsstopp bei Chips von Nexperia habe die Schwachstellen in den europäischen Lieferketten deutlich gemacht. Solche Ereignisse haben offenbar den Handlungsdruck in Brüssel erhöht.
Maßnahmen zur Abschreckung
Ein weiteres Ziel der neuen Kommunikation der Kommission ist es, Drittländer davon abzuhalten, wirtschaftliche Abhängigkeiten als geopolitisches Druckmittel gegen die EU einzusetzen. Die Strategie setzt auf Abschreckung: Wer den europäischen Binnenmarkt als Absatzmarkt nutzen möchte, soll sich an faire Regeln halten.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die EU-Staaten und die Industrie in Zukunft wirtschaftliche Kosten in Kauf nehmen müssen, um die strategische Sicherheit zu erhöhen. Die Reduktion von Abhängigkeiten hat dabei Priorität – auch wenn dies höhere Investitionen und komplexere Lieferketten bedeutet.
Neue Anforderungen an Unternehmen
Die EU-Kommission kündigt zudem an, Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen zu wollen. Es sollen Mechanismen entwickelt werden, um Betriebe dazu anzuhalten, sich von mindestens zwei verschiedenen Lieferanten beliefern zu lassen. Ziel ist es, Engpässe abzufedern und bei zukünftigen Krisen widerstandsfähiger zu sein.
Dabei geht es nicht nur um große Konzerne, sondern auch um kleine und mittlere Unternehmen, die häufig besonders verwundbar gegenüber globalen Marktverwerfungen sind.
Mit Material der dpa
FAQ – Häufig gestellte Fragen zur neuen EU-Rohstoffstrategie
- Was plant die EU konkret? - Ein europäisches Zentrum zur Koordination von Rohstoffeinkäufen und Vorräten sowie eine Rohstoffplattform zur Bündelung der Unternehmensnachfrage.
- Warum geht die EU-Kommission diesen Schritt? - Als Reaktion auf Exportkontrollen und geopolitische Spannungen – insbesondere durch China – will die EU ihre wirtschaftliche Sicherheit erhöhen.
- Welche wirtschaftspolitischen Instrumente werden überdacht? - Einsatz von Anti-Dumping-Zöllen, Schutz vor Firmenübernahmen aus Drittstaaten, Ausschlüsse bei öffentlichen Ausschreibungen.
- Welche Rolle spielt die Industrie? - Unternehmen sollen stärker verpflichtet werden, ihre Lieferketten zu diversifizieren und sich von mehreren Zulieferern beliefern zu lassen.
- Gibt es bereits erste Beispiele für diese neue Strategie? - Die Reaktionen auf die Exportbeschränkungen für seltene Erden und Chips aus China zeigen, wie ernst die Lage ist und wie dringend Handlungsbedarf besteht.