Eine Hand in Deutschlandfarben und eine in Russlandfarben geben sich die Hand.

Trotz politischer Spannungen sind die deutsch-russischen Handelsbeziehungen weiter gut. - (Bild: ThorstenSchmitt - stock-adobe-com)

Das europäisch-russische Verhältnis leidet derzeit durch die Verurteilung des Oppositionellen Alexei Nawalny. Auf politischer Seite kündigte die EU neue Sanktionen gegen die Verantwortlichen an. Aber wie sehen die die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen aus? Immerhin ist Russland ein wichtiger Absatzmarkt für die Industrie.

Sven Flasshoff ist Geschäftsführer des VDMA in Russland Er sagt im Gespräch mit PRODUKTION: „Den Maschinenbauern ging es bis Ende des Jahres vergleichsweise gut. Der Gesamtexport des deutschen Maschinenbaus ist letztes Jahr um rund zwölf Prozent gesunken. Nach Russland aber nur um 1,8 Prozent. Das ist ein recht ordentliches Ergebnis. Auch jetzt höre ich aus den Gesprächen heraus, dass die Stimmung grundsätzlich gut ist.“

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der Deutsch-Russische Wirtschaftsbund. In einer Umfrage mit über 200 Mittelständlern gaben 52 Prozent an, sie halten eine Verbesserung des Russlandgeschäfts für „mindestens wahrscheinlich“. Zum Vergleich: vor einem Jahr waren es nur 41 Prozent, im Herbst 2020 45 Prozent.

Coronakrise: So ist die Situation in Russland

Rund die Hälfte der Befragten (53 Prozent) erwarten Auswirkungen der Coronakrise – ein Drittel weniger als im Herbst. „Im Maschinenbau haben sich die Corona-Auswirkungen nicht so deutlich niedergeschlagen“, sagt Flasshoff. Er berichtet von der Corona-Situation vor Ort: „Russland war im Frühjahr auch im Lockdown, im Sommer ist dann aber deutlich gelockert worden. Seit Sommer gibt es im privaten Bereich keine Kontaktverbote mehr, die Menschen wurden sogar dazu aufgerufen innerrussisch zu reisen.“

In Moskau haben die Restaurants und der Einzelhandel seit Sommer durchgehend wieder offen. Von den Zahlen her habe sich Russland ähnlich wie Deutschland entwickelt: Im Herbst/Winter waren die Zahlen hoch, seit Januar sinken sie wieder, berichtet er.

Während private Reisen also innerhalb des Landes erlaubt sind, sieht es mit Geschäftsreisen nach Russland ganz anders aus. Laut Flasshoff sind die geschlossenen Grenzen derzeit ein großes Problem für die deutschen Maschinenbauer. „Vertragsverhandlungen lassen sich natürlich auch über Teams oder Zoom abhalten, aber es gibt Dinge, die kann man nicht auf Distanz lösen – zum Beispiel die Montage oder Servicearbeiten“, sagt er.

Geschäftsreisen nach Russland sind quasi nicht möglich

„Es ist derzeit nicht einfach, Monteure ins Land zu bringen. Gerade gab es dazu wieder eine Verfahrensänderung. Das heißt, dass Monteurreisen jetzt eventuell wieder um einige Wochen nach hinten verschoben werden müssen.“ Für einen Großteil der EU-Länder gilt demnach: „Seit dem 18. März 2020 – also seit einem Jahr – kommen normale Geschäftsreisende faktisch nicht ins Land.“

Das ist nicht nur für Exporteure ein Problem, sondern auch für die Unternehmen vor Ort: „Die russischen Kunden sagen auch, dass sie die ausländischen Monteure brauchen und machen deshalb Druck“, so Flasshoff.

Ohne Reisemöglichkeiten werde es keinen wirklichen Aufschwung geben, bilanziert Thomas Overbeck, Präsident des Deutsch-Russischen Wirtschaftsbundes in einer Mitteilung. Die Umfrage des Verbandes ergab, dass 33 Prozent der befragten Unternehmen von den Kontakt- und Reiseeinschränkungen betroffen sind. Genauso viele sehen als Folge der Krise einen Umsatz- und Auftragseingang.

Die weiteren Auswirkungen der Pandemie sehen Sie in der Grafik:

Auswirkungen von Corona auf das Russlandgeschäft
Nur für neun Prozent hatte Corona positive Auswirkungen auf das Russlandgeschäft. - Grafik: Anja Ringel; Quelle: Umfrage des Deutsch-Russischen Wirtschaftsbundes

Müssen ausländische Firmen bald höhere Importsubstitutionen zahlen?

In den kommenden Monaten könnte noch ein weiteres Problem für die deutschen Unternehmen dazu kommen – höhere Importsubstitutionen. Flasshoff erklärt: „Es hat sich abgezeichnet, dass sie erhöht werden, aber wie hoch war eine große Überraschung für alle. Eine Verdopplung oder Verdreifachung hat sich nicht abgezeichnet.“

Darum geht es: Drei Branchen (Landtechnik, Baumaschinen und Forstwirtschaft) sollen nach einem Entwurf der russischen Regierung demnächst ein Vielfaches der sogenannten Utilization Fee bezahlen. Das heißt, beim Inverkehrbringen der Waren, muss der Fee an das Finanzamt bezahlt werden. Zwar müssen russische Hersteller den Betrag ebenfalls zahlen, sie bekommen aber im Gegenzug Subventionen. Für einen neuen Traktor mit 300 PS mussten Hersteller bisher 9.500 Euro an das Finanzamt zahlen. Sollte der neue Beschluss in Kraft treten wären es dann rund 33.000 Euro.

„Russland will weg davon, dass im Land, überspitzt formuliert, überwiegend Rohstoffe gefördert werden und man alles andere aus dem Ausland einkaufen muss. Deshalb auch Maßnahmen wie der Utilization Fee, durch die man die lokale Produktion stärken möchte“, erklärt er.

Beschlossen ist der Entwurf noch nicht. „Der Teilbereich des Maschinenbaus, der davon betroffen wäre, blickt mit gemischten Gefühlen in die Zukunft“, sagt Flasshoff. Er geht davon aus, dass das Gesetz dieses Jahr noch – vielleicht sogar noch im ersten Quartal – in Kraft treten wird.

Das sind die Industrietrends 2021

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(Bild: littlewolf1989 - stock.adobe.com)

Was sind die Trends für 2021? Wie schätzt die Industrie die wirtschaftliche Lage ein? PRODUKTION hat beim VDMA, VDW, ZVEI und den Unternehmen ZF und Ceratizit nachgehakt. Wir wollten wissen:

Welche Schulnote würden Sie der Konjunktur für das Jahr 2021 geben? Was erwarten Sie von der neuen US-Regierung für die deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen? Die Antworten gibt es hier. 

Wie hat Corona die Zusammenarbeit innerhalb der Unternehmen verändert? Hier geht es zum zweiten Teil der Industrietrends.

Werden die Firmen Lieferketten infolge des Corona-bedingten Zusammenbruchs der Supply Chains dauerhaft anpassen? Werden die Lieferketten wieder regionaler? Alles zum Thema Lieferketten lesen Sie hier.

(Bild: littlewolf1989 - stock.adobe.com)

Deutsche Autobauer investieren in Russland

Insgesamt sieht Flasshoff die deutsch-russischen Handelsbeziehungen positiv: „Die Stimmung ist so, dass man in der Wirtschaft eher zuversichtlich in die Zukunft schaut. Es gibt viele Möglichkeiten für gemeinsame Wirtschaftsprojekte. Die Sanktionen sind für die Wirtschaft negativ, aber sie sind leider da, und man muss offenbar noch länger mit ihnen leben. Und auch das Damoklesschwert neuer Verwerfungen und möglicher Sanktionen schwebt nun schon seit Jahren über den Unternehmen, man hat sich mit diesem Umstand fast schon arrangiert“, sagt er.

So investieren die deutschen Autobauer auch wieder vermehrt in Russland. Opel hat zum Beispiel ein Comeback gestartet, nachdem sich der Autobauer während der Weltwirtschaftskrise 2015 aus dem russischen Markt zurückgezogen hatte. Opel-Chef Michael Lohscheller kündigte vergangenes Jahr an, dass der Autobauer sein Engagement schrittweise ausbauen und pro Jahr mindestens ein Modell nach Russland bringen will. Mehr zum Wiedereinstieg Opels lesen Sie hier.

Mercedes hat 2019 sein neues Werk in der Region Moskau eröffnet und mehr als 250 Millionen Euro investiert. Wie das Werk arbeitet und in welche Maschinen das Geld floss, erfahren Sie hier.

Russland treibt Digitalisierung voran

Auch aus russischer Sicht laufe die Zusammenarbeit mit deutschen Firmen gut, so der VDMA-Russland-Chef. „Deutsche Unternehmen haben hier seit Jahrzehnten einen guten Ruf. Es gab einen kleinen Ausreiser 2014/15, als es mit den Ereignissen in der Ukraine losging und die Emotionen hochkochten. Ansonsten ist die Zusammenarbeit aber relativ normal und es gibt keine Vorbehalte“, sagt Flasshoff.

Als Rohstoffland wird in Russland stark in eben diese investiert. „Rohstoffe und Grundstoffindustrie sind wichtige Standbeine der russischen Wirtschaft“, sagt Flasshoff. „Da wird auch sehr viel investiert, man ist technisch sehr modern, und auch Energieeffizienz und Umweltthemen werden nicht aus dem Blick verloren. Aber auch Pharma, Flugzeugindustrie oder Maschinenbau sind im Fokus. Die russische Regierung treibt die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mit Nachdruck erfolgreich voran, das wird auch in der Industrie nochmal verstärkt kommen.“

Und wie geht es für die deutschen Maschinenbauer in Russland weiter? „Bei unserer letzten Umfrage im Herbst waren die Mitglieder für 2021 positiv gestimmt. Deutlich mehr als 50 Prozent erwarten, dass ihr Umsatz besser wird als 2020“, so Flasshoff.

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