Der Eingangsbereich von Voith in Heidenheim - mit der einstigen Schlosserei hat der Weltkonzern von heute nur noch wenig gemeinsam.

Der Eingangsbereich von Voith in Heidenheim - mit der einstigen Schlosserei hat der Weltkonzern von heute nur noch wenig gemeinsam. (Bild: Voith)

"Produktion"-Serie Engineering Excellence

Engineering Excellence
(Bild: Photocreo Bednarek - stock.adobe.com (KI-Bild))

Ingenieure haben die industrielle Revolution angezettelt. Mit unternehmerischem Spürsinn und Weitblick wurde in unserem Land daraus das erfolgreichste Geschäftsmodell der Wirtschaftsgeschichte. Innovative Ideen umsetzen und Kunden mit Qualität begeistern – das steckt auch hinter dem Siegel „Made in Germany“. Im Jahr 2022 exportierte der deutsche Maschinenbau Erzeugnisse im Wert vom 192 Milliarden Euro. Wir stellen in unserer Serie "Engineering Excellence" die wichtigsten Akteure vor.

Vom Reparateur zum Konstrukteur

Johann Matthäus Voith ist 22 Jahre alt, als er 1825 die Schlosserei seines Vaters Johannes im schwäbischen Heidenheim übernimmt, komplett mit allen Mitarbeitern, fünf an der Zahl. Der Betrieb repariert Wasserräder von Mühlen und Maschinen von Textilherstellern. Die Aufbruchstimmung in der Industrie Mitte des 19. Jahrhunderts inspiriert den Jungunternehmer für den Maschinenbau. Erst gibt er importierten Maschinen und Antrieben den letzten Schliff. Als nächstes entwickelt er Ersatzteile und schließlich selbst komplette Maschinen. Mit einer Holzschleifmaschine gelingt ihm im Jahr 1859 der Durchbruch.

Als Johann Matthäus Voith im Jahr 1867 sein Unternehmen seinem Sohn Friedrich übergibt, hat dieses bereits 30 Beschäftigte. Ideen von Voith beschleunigten die Elektrifizierung der Produktion, wofür ihm auf der Weltausstellung in Wien die Fortschrittsmedaille verliehen wird. Wasserturbinen werden zum zweiten Standbein. Eine einzigartige Unternehmensgeschichte nimmt ihren Lauf: Papiermaschinen, die die Rohstoffe bis zum Endprodukt verarbeiten (1881), Antriebe für Schienen- und Straßenfahrzeuge (1929), ein neuartiges Verfahren für das Papier-Recycling (1960), ein hydrodynamisch regelbares, energiesparendes Planetengetriebe für Pumpen, Kompressoren und Gebläse (1985). Produkte von Voith sind weltweit gefragt.

Das Voith-Direktorium in den 1920ern (1. Reihe v. li.): Hanns Voith, Walther Voith, Hermann Voith. (2. Reihe v. li.) Direktor Carl Kissel, Direktor Hans Wiedmann (St. Pölten); Direktor Dr. Paul Priem; Direktor Albert Ungerer und Direktor Otto Rupp.
Das Voith-Direktorium in den 1920ern (1. Reihe v. li.): Hanns Voith, Walther Voith, Hermann Voith. (2. Reihe v. li.) Direktor Carl Kissel, Direktor Hans Wiedmann (St. Pölten); Direktor Dr. Paul Priem; Direktor Albert Ungerer und Direktor Otto Rupp. (Bild: Voith)

Steckbrief Voith GmbH & Co. KGaA

Dr. Toralf Haag, Vorsitzender Konzerngeschäftsführung, Voith Group
Dr. Toralf Haag, Vorsitzender Konzerngeschäftsführung, Voith Group (Bild: Voith)
  • Mitarbeiter: 22.479
  • Umsatz: 5.506 Millionen Euro
  • Ergebnis vor Steuern: 157 Millionen Euro
  • Investitionen: 188 Millionen Euro
  • Auftragseingang Mio. 6.139 EUR
  • Stammsitz: Heidenheim an der Brenz (BW)
  • Eigentümer: Familie
    (alle Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2022/23)
Eine Voith-Papiermaschine.
Eine Voith-Papiermaschine. (Bild: Voith)

Der globale Technologiekonzern

Heute bedient Voith mit einem breiten Portfolio aus Anlagen, Produkten, Services und digitalen Anwendungen fünf essenzielle Märkte. Energie, Papier, Rohstoffe und Transport & Automotive. Das operative Geschäft ist in drei Konzernbereiche gegliedert. Der Bereich „Hydro“ ist Komplettanbieter von Ausrüstung und Dienstleistungen für Wasserkraftwerke: Generatoren, Turbinen, Pumpen, Automatisierungssysteme bis hin zu digitalen Lösungen für die intelligente Stromerzeugung aus Wasserkraft, Ersatzteil-, Wartungs- und Schulungsservices eingeschlossen.

Der Bereich „Paper“ ist Full Line Anbieter ressourcenschonender und effizienter Papierherstellungsprozesse. Der Bereich „Turbo“ entwickelt, produziert und supportet intelligente Antriebssysteme für wichtige Industriezweige: zur Öl- und Gasförderung, für den Bergbau, die Energieerzeugung sowie für Schiffe, Schienen- und Nutzfahrzeuge.

Der Paul Hydrogen Power Truck.
Der Paul Hydrogen Power Truck. (Bild: Voith)

Innovationspartner der Industrie

In den letzten fünf Jahren wurden rund 1 Milliarde Euro in die Forschung und Entwicklung neuer Lösungen investiert. Im Geschäftsjahr 2022/23 stieg der F&E-Aufwand gegenüber dem Vorjahr um 9 Prozent. Eine zentrale Rolle spielt das System der „inkrementellen Innovation“. Es werden kontinuierlich Rückmeldungen vonseiten der Kunden angefordert und ausgewertet, um Produkte und Dienstleistungen schrittweise zu verbessern. Es bestehen Entwicklungspartnerschaften mit einzelnen Unternehmen wie dem weltweit tätigen Hygiene- und Gesundheitsunternehmen Essity oder dem deutschen Spezialpapierhersteller Koehler.

Mit seinem Tochterunternehmen Meri entwickelt Voith Verfahren zur Frischwasseraufbereitung und -konditionierung sowie zur internen Reinigung von Prozesswasserströmen bei der Papierherstellung. Seit Anfang 2023 kommt das Voith Electrical Drive System (VEDS) in seiner HD-Variante serienmäßig im ersten in Deutschland gebauten H2-Lkw (FCEV) zum Einsatz: dem Paul Hydrogen Power Truck (PH2P), dessen elektrische Antriebsenergie in einer Brennstoffzelle erzeugt wird.  Der PH2P entstand in einer Zusammenarbeit von Voith mit Paul Nutzfahrzeuge und Pepper Motion.

Nachhaltigkeit: Von der Pflicht zur Kür

Voith betont seine gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmen. Es gelte, die gesamte Innovationskraft einzusetzen, um die Dekarbonisierung voranzutreiben – im eigenen Konzern und als Partner für die Industrie: mit grünem Strom aus Wasserkraft, der grünen Wasserstoff liefert, mit ressourcenschonender Herstellung von Papier, dem nachwachsenden Rohstoff, mit batterieelektrischen und wasserstoffbasierten Antriebssystemen für die Verkehrswende. In den eigenen Produktionen reduziert Voith die CO₂-Emissionen und nutzt vermehrt erneuerbare Energien, auch aus Eigenerzeugung, beispielsweise Solar- und Wasserkraft. Im Januar 2024 ist Voith dem Global Compact der Vereinten Nationen beigetreten.  

Die Mitarbeiter sehen laut "Kununu" den Arbeitgeber Voith positiv.
Die Mitarbeiter sehen laut "Kununu" den Arbeitgeber Voith positiv. (Bild: Voith)

Führung durch Motivation

Die Voith GmbH & Co. KGaA und die Voith Management GmbH, in deren Händen strategische Steuerung und operative Führung liegt, befinden sich zu 100 Prozent in Familienbesitz. Das Selbstverständnis, ein familienfreundliches Unternehmen zu sein, ist in konzernweit gültigen Leitlinien für eine flexible und familienbewusste Arbeitskultur manifestiert. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll ein möglichst attraktives Arbeitsumfeld geboten werden. Ein Großteil der Angestellten bei Voith kann seine Arbeitszeit weitgehend flexibel gestalten.

Seit 2008 haben 1.014 Mitarbeitende sowie Bewerberinnen und Bewerber Voith auf „kununu“ bewertet. Mit durchschnittlich 3,5 Punkten schneidet das Unternehmen besser ab als der Durchschnitt der Branche Maschinenbau. Mit dem Ziel der strategischen Kompetenzentwicklung wurde unter dem Leitsatz „Enable, Connect und Transform“ ein unternehmensweit einheitliches Führungsleitmodell entwickelt und im Rahmen eines E-Learning-Programms fast 3.000 Führungskräften vermittelt.

Der Mensch im Mittelpunkt

Unternehmensziele sind gefährdet, wenn Mitarbeitende fehlen. Voith sieht in dem weltweiten Arbeitskräftemangel eine zentrale Herausforderung. Deshalb geht das Unternehmen im Personalmarketing neue Wege. Neben familienfreundlichen Arbeitsbedingungen sind dies ein marktgerechtes Vergütungssystem, flexible Arbeitsmodelle und internationale Entwicklungsperspektiven. Dem Problem, dass Frauen in technischen Ausbildungsberufen und Studiengängen noch immer unterrepräsentiert sind, begegnen Voith aktiv, unter anderem durch die Beteiligung an „Girls’ Days“ und weiteren Initiativen, beispielsweise Mentoring-Programme, Netzwerkveranstaltungen und Trainings.

Die Megatrends im Fokus

Weltweit hat Voith Standorte in über 60 Ländern und unterhält ein umfassendes Netzwerk aus Produktions-, Service- und Vertriebseinheiten auf allen Kontinenten. Als richtungsweisend für die Wachstumsstrategie werden die Megatrends Dekarbonisierung und Digitalisierung gesehen. Diese böten sowohl beim Ausbau des Kerngeschäfts als auch bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder und Märkte immense Chancen. Sektorale und geografische Diversifizierung, regional aufgestellte Lieferketten und gefestigte Marktpositionen – darin sieht das Voith seine entscheidenden Stärken im globalen Wettbewerb.

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