Zölle als tickende Zeitbombe

Der VDMA wird deutlicher – und europäischer

Fünf Prozent Produktionsrückgang befürchtet der VDMA für 2025. Alle Hoffnungen liegen auf dem 'Herbst der Reformen'. Der Branchenverband setzt auf Europäisierung, um mehr Einfluss auf EU-Ebene zu gewinnen.

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VDMA-Präsident Bertram Kawlath redet Tacheles:
VDMA-Präsident Bertram Kawlath redet Tacheles: "Wir vermissen die klare Aussage, wie nun zügig der Rahmen gesetzt wird, damit sich der Knoten löst und Investitionen in Technologien und Fertigungskapazitäten erfolgen können."

Die Zeiten sind tough: Zwar verzeichnet die Branche laut VDMA zwischen Mai und Juli real zwei Prozent mehr Bestellungen in den Büchern. VDMA-Präsident Bertram Kawlath wertet das als leichten Hoffnungsschimmer. Dennoch seien die technischen Kapazitäten derzeit nur zu durchschnittlich 77,6 Prozent ausgelastet: Weit entfernt vom ‚Wohlfühlband‘ zwischen 86 und knapp 90 Prozent. Zunächst ging man von einem Produktionsrückgang um zwei Prozent in diesem Jahr aus – mittlerweile rechnet man daher jedoch mit fünf Prozent.

Die Hoffnungen für eine leichte Erholung in 2026 hängt am erhofften ‚Herbst der Reformen‘, der zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führen soll. Jetzt müssten den Worten Taten folgen. Dann könne die EU sich als ‚sicherer Hafen‘ für Investitionen etablieren, was steigende Ausrüstungsinvestitionen begünstige – auch wenn der Maschinenbau davon nur verzögert profitieren könne.

Politik soll jetzt liefern

Im Austausch mit der Branche hatte Bundeskanzler Friedrich Merz am ersten Gipfeltag eine Reihe von angestoßenen Maßnahmen genannt. Kawlath bewertete als positiv, dass Merz immer von der gesamten Regierung gesprochen habe: ein gutes Zeichen angesichts potenzieller Koalitionskonflikte. Doch sei die Aussage, man habe nun bei der Unternehmenssteuer – deren Senkung die Branche schon seit Jahren fordert – etwas getan, wenig überzeugend: „Wenn der erste Schritt erst 2028 kommt, dann entspricht das nicht unserer Forderung nach Geschwindigkeit – die Richtung stimmt, aber in Bezug auf das Tempo bin ich heute nicht beruhigt aus der Diskussion herausgegangen“, resümierte der VDMA-Chef den Austausch. Als positiv wertet er die Bereitschaft des Außenministers Johann Wadephul, Außen- und Wirtschaftspolitik als verzahnt zu betrachten und wieder gemeinsam mit Wirtschaftsdelegationen zu reisen.

Märkte wie China und die USA ließen sich nicht ohne weiteres ersetzen, der Aufruf der Politik, einfach neue Märkte zu erschließen, funktioniere so nicht, meinte Kawlath. Dennoch seien die Vertiefung des EU-Binnenmarkts – 44 Prozent werden bereits in EU-Länder geliefert – und neue Handelsabkommen wichtig. Mit Blick auf das gestern vorgestellten Energiewende-Monitoring begrüßte er eine effizientere Herangehensweise, monierte jedoch: „Wir vermissen gleichzeitig die klare Aussage, wie nun zügig der Rahmen gesetzt wird, damit sich der Knoten löst und Investitionen in Technologien und Fertigungskapazitäten erfolgen können“.

Zollkrieg auf dem Rücken des Maschinenbaus

Auf den wichtigsten Märkten wehe der Branche der Wind rauer ins Gesicht. Zum einen fehlten Antworten auf Wettbewerbsverzerrungen, weil chinesische Maschinenbauer – mittlerweile global die stärkste Konkurrenz – unfair vom Staat subventioniert würden. „Insbesondere die drohende Ausweitung der Zölle für Stahl und Aluminium sieht Kawlath als Risiko. Im Handel mit den USA unterliegen rund 40 Prozent der Maschinen einem Zoll von 50 Prozent auf den Metallanteil im Produkt. „Die Planungssicherheit ist damit aufgehoben. Zudem ist es eine Herausforderung, den Metallanteil zu belegen“, so Kawlath. Maschinen und Anlagen bestünden aus tausenden Teilen, diese Dokumentation überfordere mittelständische Unternehmen.

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„Im schlimmsten Fall drohen 200 Prozent Zoll auf das Produkt. Das führt dazu, dass einige Hersteller ihre Ausfuhr stoppen, weil die Risiken zu hoch sind“, sagte der VDMA-Präsident. Die Branche müsse dringend von Strafzöllen ausgenommen werden. Der Zoll-Deal liefere hier nicht, wie von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen behauptet, die nötige Stabilität – insbesondere, da er alle vier Monate von den US-Behörden verändert werden könne. Das sei „eine tickende Zeitbombe für unsere Branche“, warnte der VDMA-Präsident. Doch auch die Unternehmen der Branche seien gefordert, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Eine gemeinsame Untersuchung von VDMA und McKinsey zeige auf, welche Maßnahmen dafür geeignet sind.

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Neuer Markenauftritt des Verbands

Bisher kommen laut VDMA bereits 400 Mitgliedsunternehmen aus dem Ausland, Tendenz steigend. Im Rahmen der „Europäisierung wurde nun der Namenszusatz „Deutscher Maschinen- und Anlagenbau“ gestrichen. Nun heißt es VDMA e.V. – Europas größter Verband des Maschinen- und Anlagenbaus. Die mit dem neuen Claim „Advancing Europe’s Machinery Industry“ verbundene Hoffnung ist sicherlich auch, in Brüssel mehr Kraft zu entfalten. Mit der EU-Regierung sei bereits ein anderer Umgang zu erkennen, so Bertram Kawlath: Man bekomme nun direkten Zugang bis auf Kommissionsebene – wie etwa mit der geplanten Diskussion zu Zöllen mit EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič Anfang Oktober.

überarbeitet von: Dietmar Poll