Strategien für modernes HR im Maschinenbau

Von Recruiting bis Leadership: So gelingt Digital HR

Wie gelingt der digitale Wandel von Recruiting bis Führung – und warum wird HR zum Schlüssel gegen den Fachkräftemangel? Antworten geben vier Expertinnen und Experten.

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Diskutierten über Digital HR im Maschinenbau (von links): Karlotta Gründobler (Eliog), Anja Ringel (Produktion), Yomna Khalil (Personio), Bianca Illner (VDMA) und Andrea Alboni (Vention).
Diskutierten über Digital HR im Maschinenbau (von links): Karlotta Gründobler (Eliog), Anja Ringel (Produktion), Yomna Khalil (Personio), Bianca Illner (VDMA) und Andrea Alboni (Vention).

„Digitalisierung und KI bieten große Chancen dafür, dass die kleinen Unternehmen genauso profitieren und professionell auftreten können wie größere“, stellte Bianca Illner, Abteilungsleiterin Business Advisery beim VDMA, klar. Gerade bei kleinen Unternehmen werde die Digitalisierung im Personalwesen allerdings oft hintangestellt, Zeit und Ressourcen seien ein großes Handicap.

Insbesondere beim Recruiting neuer Arbeitskräfte wird der Druck deutlich: Traditionelle Methoden reichen nicht mehr aus, „Social Recruiting“ gilt als Game Changer. „Wir haben einen Generationenwechsel, wir wollen alle um die gleichen Fachkräfte kämpfen. Und wenn man dieses Potenzial liegen lässt, dann ist es schwierig“, so Karlotta Gründobler, Geschäftsführerin von Eliog Industrieofenbau.

„Wir werden weiterhin in den nächsten 10 bis 15 Jahren trotz Ausbildung, Fachkräften aus dem Ausland und Automatisierung einen Gap sehen – und die Stellen, die wir haben, nicht alle besetzen können“, konstatierte Andrea Alboni, Managing Director EMEA bei Vention, einem internationalen Anbieter für KI-gestützte Shopfloor-Automatisierung. Er hält hier ein Umdenken für dringend notwendig. „Es ist ein Verdrängungswettbewerb, und die Arbeitsgeber müssen rausgehen und die Fachkräfte zu sich holen – das war vor zwanzig Jahren noch undenkbar“, so Alboni. Die Erwartungshaltung gerade der Jüngeren hat sich dabei massiv verändert, sind sich alle in der Runde einig: Digitale Präsenz in Social Media ist praktisch Pflicht.

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Digitalisierung: Frustpotenzial soll abgebaut werden

Oft werde etwa das Onboarding und Offboarding noch zeitaufwändig mit Papier und mit E-Mails erledigt, die zwischen unterschiedlichen Teams hin- und hergehen, stellte Yomna Khalil fest, Senior Solutions Engineer beim HR-Software-Anbieter Personio: „Es gibt etwa durch doppelte Datenübergabe einerseits menschliche Fehler, andererseits entsteht damit sehr viel Aufwand. Daher ist die Digitalisierung hier sehr sinnvoll“, sagte die Expertin. Die Erfahrung von Anwendern zeige, dass hier für digitale Prozesse rund 60 Prozent weniger Aufwand entstünde.

Aus Geschäftsführungssicht habe es sich bewährt, auch im HR-Bereich zunächst nach den größten Painpoints zu gehen und diese schrittweise mit Digitalisierung zu beheben, berichtete Gründobler. Es gehe zunächst darum, erst einmal das Frustpotenzial abzubauen an Prozessen, die einfach unnötig schwer seien, damit mehr Freude an der Arbeit entstehen könne.

So habe man früher bei Eliog vor allem bei der Zeiterfassung gesehen, dass das frühere, listenbasierte System viel Energie gebunden habe. Aus ihrer Sicht ist es erfolgsentscheidend, wer im Unternehmen die Digitalisierung in der HR treibt. „Für Unternehmen, die noch relativ wenig digitalisiert sind, hängt es dann tatsächlich an der Umsetzungsgeschwindigkeit und Kraft von demjenigen, dem man das Thema umhängt. Im Zweifel muss man es auch zur Chefsache machen oder externe Unterstützung suchen“, konstatiert die Eliog-Geschäftsführerin.

Auf dem Weg sind durchaus einige Hürden zu überwinden. „In Deutschland gibt es auch – insbesondere im HR-Bereich – immer noch Datenschutz als Totschlagargument. Hier ist es wichtig, die Leute zu schulen und zu sensibilisieren, dass man digital arbeiten und trotzdem den Datenschutz wahren und die Daten schützen kann“, konstatiert Illner. Aus Sicht von Yomna Khalil ist auch der Widerstand in der Belegschaft, noch ein weiteres neues Tool zu beherrschen, ein Hemmschuh.

Warum Aufmerksamkeit das höchste Gut ist

Um innovative Menschen zu finden, die andere motivieren können, reicht laut Gründobler nicht allein eine gute Strategie im Social-Media-Bereich zwischen TikTok, Instagram und LinkedIn aus. Vor allem müsse man deren Aufmerksamkeit in einer Zeit gewinnen, in der die Aufmerksamkeitsspannen immer knapper ausfallen. Dafür hat man bei Eliog beispielsweise Mitarbeitende dafür gewonnen, bei einer regionalen Anzeigenkampagne mit Fotos mitzumachen, um ihr Unternehmen für die Bewerbersuche zu repräsentieren. Das habe für viel Gesprächsstoff und Reaktionen gesorgt, weil es in der ländlichen Region natürlich einen Wiedererkennungseffekt gegeben habe. Innerhalb von knapp vier Wochen sei man plötzlich zum eigenen Erstaunen bei rund 400 Kontakten gewesen, aus denen 14 Festanstellungen entstanden.

Etwa zur gleichen Zeit hatte man bereits eine Bewerbermanagement-Software installiert – zuvor liefen die Prozesse rein manuell und hätten nicht ausgereicht, um den Anfragen professionell zu begegnen. Für Gründobler war dabei besonders relevant, dass man Entscheiderkreise definieren konnte, damit die intern an der Evaluierung beteiligten Mitarbeitenden gemeinsam in den unterschiedlichen Prozessstufen und Gesprächen zusammenarbeiten können. Bei Eliog gebe es zwei Online-Meetings und ein drittes persönliches Treffen.

Die Geschäftsführerin verrät noch einen anderen Tipp: Laut Statistik seien 55 Prozent der deutschen Arbeitskräfte unzufrieden. Deshalb sei es hilfreich, sich bei der Ansprache im Recruiting-Prozess genau in die jeweilige Rolle hineinzuversetzen – und ganz konkret aufzuzeigen, dass im eigenen Unternehmen die Dinge besser laufen. Am Beispiel einer stark nachgefragten Servicekraft, die vor Ort Maschinen in Betrieb nimmt, könne man etwa hervorheben, dass man bei den typischen Frustpotenzialen wie Routenplanung und Einsatzvorbereitung gute Lösungen habe.

Auch in der digitalen Welt authentisch bleiben

KI sah die Salon-Runde als nützliches Werkzeug. Sie könne dabei helfen, die Stellenausschreibung im richtigen Ton und mit den passenden Keywords zu formulieren, aber auch als erster Filter für oft ausgelastete Personalmanager die Bewerbungsunterlagen analysieren, erklärte Alboni.

Die KI hilft zwar dabei, besser auf die Erwartungen der Zielgruppe der Arbeitssuchenden einzugehen. Es sei allerdings problematisch, im digitalen Bereich supermodern aufzutreten, wenn das die tatsächliche Unternehmenskultur nicht widerspiegle, stellte Illner fest. Authentizität sei wichtig, damit die Menschen wissen, was sie erwarte, wenn sie in das Unternehmen kommen. „Ich glaube, nach dem Green-Washing gibt es jetzt das Digital-Washing“, scherzte Alboni.

Auch aus Sicht von Karlotta Gründobler ist diese Authentizität erfolgsentscheidend. So habe man sich konsequent für das Duzen im Unternehmen entschieden, bevor im Rekrutierungsprozess potenzielle Bewerberinnen und Bewerber geduzt wurden. Die Ansprache sei ein Aspekt, der gerade für Nachwuchskräfte wichtig ist.

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Gute Mischung aus digital und persönlich

Auf die Frage von Salon-Moderatorin Anja Ringel, welche Aspekte eines Onboarding-Prozesses sich besonders gut digitalisieren lassen, sagte Khalil: „Was sich leicht digitalisieren lässt, sind zum Beispiel die Onboarding-Checklisten, die IT-Zugänge, Setups, die Tools, die der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dann benutzen wird. Das macht es den Neuen am Anfang viel einfacher – schon vor dem ersten Arbeitstag“. Auch Lernpfade ließen sich gut digitalisieren, Stichwort E-Learning. Selbst wenn kein Kollege vor Ort sei, könnten mit einer digitalen Lösung nach dem Mentoring- oder Buddy-Prinzip leichter auch Mitarbeitende an anderen Standorten bei der Einarbeitung und bei Fragen unterstützen.

„Meine Empfehlung ist, bei den Prozessen mit der Digitalisierung anzufangen, die sich tendenziell nicht ändern. Für manche Prozesse wie Legal, Compliance oder Cybersecurity, die sich weniger schnell verändern, ist es zum Beispiel sinnvoll, fertige Formate in E-Learnings zu nutzen“, riet Andrea Alboni aus Erfahrung bei Vention. Bei Trainings rund um Vertrieb von Maschinen in Richtung Robotik und Automatisierung komme hingegen ständig neues Wissen hinzu, hier sei es wichtig, flexibel zu bleiben.

Doch manche Aspekte sollten weiterhin persönlich geklärt werden, etwa zur Kultur und zu den Unternehmenswerten. Aus Khalils Erfahrung ist die persönliche Begrüßung am ersten Tag ein Muss, wichtig sei zudem, immer wieder nachzufragen und Feedback einzuholen, wie es den Neuen geht und ob alles passt. Auch hier sei es eine gute Strategie, Erwartungen prinzipiell zu übertreffen – und den Recruiting-Prozess ähnlich zu sehen, wie typischerweise After-Sales-Prozesse, schlug Gründobler vor.

Ein Beispiel: Einfach die Bewerber oder Bewerberinnen auch als Geschäftsleitung sofort mit ein paar Fragen zurückzurufen, um in Kontakt zu kommen und sich ein erstes Bild zu machen. Das vergesse so schnell kein Bewerber, so die Geschäftsführerin. Bei Eliog warten zudem auf die Neuankömmlinge gleich Luftschlangen und Schokolade zur Begrüßung am neuen Einsatzort.

FAQ: Digital HR im Maschinenbau

1. Warum ist digitales HR im Maschinenbau so wichtig?

Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen im Maschinenbau, ihre Personalprozesse zu modernisieren. Digitale HR-Systeme erhöhen Effizienz, senken den Aufwand und machen Unternehmen attraktiver für Fachkräfte. Sie werden zum zentralen Hebel für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation – gerade für kleinere Betriebe, die so professioneller auftreten können.

2. Welche Rolle spielt Social Recruiting im Kampf um Talente?

Traditionelle Recruiting-Methoden reichen nicht mehr aus. Social Recruiting über Plattformen wie LinkedIn, TikTok oder Instagram wird zum Game Changer, um jüngere Generationen zu erreichen. Sichtbarkeit und digitale Präsenz sind Pflicht – wer dort nicht stattfindet, verliert im Wettbewerb um Fachkräfte.

3. Wie lässt sich Digitalisierung im HR-Bereich erfolgreich umsetzen?

Erfolgreiche Unternehmen starten mit den größten „Painpoints“ – also Prozessen, die besonders viel Frust oder Zeitaufwand verursachen. Schrittweise Digitalisierung, klare Verantwortlichkeiten und gegebenenfalls externe Unterstützung sind entscheidend. Wichtig ist zudem, Datenschutz-Ängste abzubauen und Mitarbeitende gezielt zu schulen.

4. Welche Vorteile bringen digitale Tools bei Recruiting und Onboarding?

Digitale HR-Software reduziert laut Erfahrung bis zu 60 Prozent des administrativen Aufwands. Onboarding-Checklisten, IT-Zugänge und Lernpfade lassen sich automatisieren, wodurch neue Mitarbeitende schneller integriert werden. Gleichzeitig bleibt persönliche Betreuung wichtig – etwa durch Begrüßungsgespräche, Mentoring und regelmäßiges Feedback.

5. Warum spielt Authentizität im digitalen HR-Prozess eine so große Rolle?

Ein modernes digitales Auftreten muss zur Unternehmenskultur passen. „Digital-Washing“ – also ein künstlich digitaler Außenauftritt ohne reale Basis – schadet dem Vertrauen. Authentische Kommunikation, etwa durch echte Mitarbeitende in Kampagnen oder eine konsequente Duz-Kultur, überzeugt Bewerber langfristig stärker als Hochglanzauftritte.