Montagearbeiter bedient Roboter mit AR

Neue Technologien verbessern die Montagelinien der Smart Factory: ROI-Efeso schildert Szenarien mit Produkten, die selbständig ihren Weg durch die Fertigung finden und AGVs, die Material zum richtigen Zeitpunkt und wegeoptimiert zum Verbauort transportieren. (Bild: stock.adobe.com/ zapp2photo)

Wie schnell die Elektromobilität auf der Straße an Fahrt gewinnt, hängt nicht nur von der Kaufentscheidung des Kunden ab. Ein weiterer, erheblicher Tempo-Faktor ist die Gestaltung der Montagelinien und Logistik bei den Automobilherstellern, die neben dem klassischen Verbrenner häufig auch Hybrid-, und reine E-Varianten ins Portfolio aufgenommen haben. Wer dafür keine neuen Montagelinien einrichtet, muss die vorhandene Fläche bestmöglich nutzen – idealerweise, indem alle Fahrzeugvarianten auf einer Montagelinie im beliebigen Mix gefertigt werden. Um dies zu erreichen, sind neue Montage- und Logistikkonzepte notwendig, die mit Industrie-4.0-Technologien für mehr Flexibilität sorgen.

Sie benötigen Unterstützung bei der Digitalisierung Ihrer Montagelinie?

Ralf Bechmann ROI-Efeso
Ralf Bechmann ist Partner bei ROI-Efeso. (Bild: ROI-Efeso)

Mehr Informationen zum Aufbau von vernetzten Montagelinien finden Sie hier. Autor dieses Beitrags und Experte bei ROI-Efeso ist Ralf Bechmann. Sie erreichen Ralf Bechmann unter bechmann@roi.de oder auf LinkedIn.

Variantenreiche Fertigung: Die Herausforderungen

Ein solches Konzept entwickelte ROI-Efeso mit einem Automobilhersteller für eine gemischte Fahrzeugmontage mit der Kombination Verbrenner, Hybrid und Vollelektrisch. Vier wesentliche Rahmenbedingungen waren vorgegeben:

  1. eine Fahrzeugarchitektur mit mehreren Varianten.
  2. spielten die unterschiedlichen Antriebsvarianten und deren Mix eine zentrale Rolle. Und...
  3. war zu berücksichtigen, dass immer mehr Kunden ihr Fahrzeug individuell gestalten, was die bereits hohe Komplexität in der Montage weiter steigert.
  4. ging es darum, das Thema Kundenbegeisterung zu integrieren. Das heißt, den Kunden nicht nur bei der Abholung seines Fahrzeugs, sondern bereits während dessen Herstellung einzubeziehen und zu begeistern.

Diese Ausgangssituation finden wir häufig 1:1 im Maschinen- und Anlagenbau. Denn auch hier spielen Produktkomplexität und Variantenvielfalt eine wesentliche Rolle.

Skalierung zu neuen Montagestandards

Aus diesen Rahmenbedingungen leiteten sich die wesentlichen Anforderungen an die zukünftige Montagelinie hinsichtlich Stückzahl- und Variantenflexibilität, Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad ab. Dabei dachte das Projektteam nicht nur an die einzelnen Stationen in der Linie. Sondern insbesondere auch an die Integration von Montage und Logistik sowie die Vernetzung der Mitarbeiter.

Vor diesem Hintergrund berücksichtigt das Montagekonzept unterschiedliche Technologie-Szenarien, die wir anhand von Erfahrungen und verfügbaren Best Practice Insights entwickelten. Diese Szenarien sind gestaffelt:

  • vom Ausgangsszenario (Band, fixe Abfolge)
  • zum semiflexiblem Szenario (flexible Linie/fixe Abfolge)
  • zum vollflexiblem Szenario (flexible Linie, flexible Abfolge, siehe Grafik).
Aufbau Montagelinie Grafik
Drei Entwicklungsstufen für Montage- und Logistikkonzepte. Grafik: ROI-Efeso

Ausgangssituation: Fixierte Strukturen, optimierte Austaktung

Der Ausgangspunkt von ROI-Efeso: eine bandgetriebene Linienmontage mit fixen Stationen und klar definiertem Montageinhalt. Der Montagefortschritt wird durch den Takt vorgegeben. Somit sind die Montageinhalte je Station definiert, ebenso wie der Takt und die Materialversorgung der Station. Die Mitarbeiter sind einer Station fest zugeordnet, die Belieferung der Montagestationen mit Material erfolgt über Routenzüge. Material wird nach JIT/JIS oder in Kits angeliefert. Bei den Kits handelt es sich um auftrags- und damit fahrzeugspezifische Bausätze.

Semiflexibles Szenario: Parallel montieren und Bandfläche gewinnen

In der nächsten Stufe wird diese Struktur aufgebrochen und flexibilisiert. Die Montageobjekte – sei es in diesem Fall ein Fahrzeug oder in einem anderen ein Kühlschrank – befinden sich auf einem AGV. Trotzdem ist es nach wie vor eine strukturierte Linie, eine Station nach der anderen wird abgefahren, was ROI-Efeso als semiflexibel bezeichnet. Hier sollte bereits über eine Automatisierung der Materialbelieferung mit sog. Plattform-AGV nachgedacht werden. So können Montage- und Logistik-AGV Informationen zum aktuellen Montagefortschritt austauschen und damit der Bandbestand sowie die belegte Bandfläche reduziert werden. Dies erfordert eine entsprechend hochfrequente Logistik, die automatisiert erfolgen sollte. Auch eine auftragsspezifische Anpassung der Montageinhalte je Station ist im genannten Projekt diskutiert worden.

Umsetzung einer Montagelinie: Diese 5 Punkte sollten Sie beachten!

  1. Entwickeln Sie ein klares Zielbild! Die Montage der Zukunft muss viele unterschiedliche Aspekte abdecken, u.a. Produktflexibilität, Zukunftssicherheit durch Automatisierung und Digitalisierung etc. Daher sollte zu Beginn ein klares Zielbild entworfen werden.
  2. Digitalisierung erfordert Mitarbeiterqualifizierung! Der Einsatz smarter Hilfsmittel in der zukünftigen Montage erfordert eine Weiterqualifizierung Ihrer Mitarbeiter.
  3. Denken Sie Montage neu! Ein Beispiel: nicht jede Montagestation muss gleich groß sein. Es macht Sinn, Stationen flächenmäßig zu optimieren, um somit auch die Band- oder Montagefläche zu verbessern.
  4. Stimmen Sie Montage- und Logistikkonzepte aufeinander ab! Wer zum Beispiel über AGVs in der Montagelinie nachdenkt, sollte auch die Einführung von Logistik-AGVs berücksichtigen.
  5. Erwägen Sie eine bestandslose Montage! Mit einer hochfrequenten und automatisierten flexiblen Logistik kann Material just-in-time und bedarfsgerecht für den Werker an die Linie gebracht werden. Somit ist eine bestandslose Montage möglich – Paradigmenwechsel!

Flexibles Szenario: Variantenreiche Produktportfolien meistern

Auch in der dritten Stufe befinden sich die Montageobjekte auf den AGV – nun ist allerdings das Montageablauf nicht mehr gefixt, sondern voll variabel. Das heißt, das Produkt findet seinen Weg durch die Montage und entscheidet, welche Montagestation als nächstes durch das AGV angefahren werden soll. Mögliche Kriterien sind zum Beispiel spezielle Montageinhalte oder die Verfügbarkeit von spezifischen Werkzeugen an einer Montagestation. Darüber hinaus kann das Layout jeder Montagestation flexibel gestaltet werden, da es hier keinen starren Bandvorschub im Takt gibt.

Produktflexible Montagestationen

Im Fahrzeugbau sind die Hochzeitsstationen für Verbrenner- und E-Varianten ein gutes Beispiel. Unter Berücksichtigung bestimmter technischer Voraussetzungen kann hier die Zusammenführung von Karosse und Antriebsstrang (Verbrenner- oder Elektrifizierter Antriebsstrang) in einer Station erfolgen - eine wesentliche Voraussetzung für die Montage unterschiedlicher Antriebsvarianten auf einer Montagelinie.

Industrie 4.0: Award von ROI-Efeso und der Zeitschrift PRODUKTION

Digitale Assistenzsysteme, Data Analytics, künstliche Intelligenz oder Machine Learning verändern die Wertschöpfungsprozesse der produzierenden Industrie in rasanter Geschwindigkeit. Unternehmen, die es schaffen, diese Digitalisierungs-Technologien, -Werkzeuge und -Systeme erfolgreich in ihre Wertschöpfungsprozesse zu integrieren, gehören zu den Taktgebern der Industrie 4.0. Sie zeichnet ROI-Efeso gemeinsam mit der Fachzeitung PRODUKTION seit 2013 mit dem Industrie 4.0 Award aus – einem der wichtigsten Benchmarks für Digitalisierungs-Projekte und Industrie-4.0-Best-Cases. Mehr zum Award erfahren Sie hier.

Parallelstationen nach Montageumfang

Bei einer Montage nach Umfang können gezielt Stationen mit geringem und hohem Montageinhalt definiert werden. Dies ermöglicht auch die Kombination einer starren Rennerlinie mit Parallelstationen, an denen Fahrzeuge mit hohem Inhalt gefertigt werden, zum Beispiel einer besonderen Ausstattungslinie. Der Takt der Montagelinie ist somit nicht nach dem höchstem Montageinhalt auszurichten. Folglich lassen sich die Linienauslastung und -effizienz optimieren. Um den Nachteil möglicher Leertakte (Takte ohne Montageobjekt) bei der Rückschleusung des Fahrzeugs in die Rennerlinie zu vermeiden, sollte man über eine definierte Montageabfolge nach Inhalt nachdenken. Etwa, indem jedes dritte Fahrzeug einen hohen Montageinhalt hat und in die Parallelstation ausgeschleust wird.

Parallelstationen am Bandende

Für die Stationen am Bandende ist eine Zusammenfassung aufeinanderfolgender Stationen, deren Doppelung und Parallelisierung zu überlegen. Da hier üblicherweise wenig Material am Band steht und der Werkzeugeinsatz optimiert werden kann, führt dies zu einer Bandverkürzung und Reduktion der belegten Bandfläche.

Hochflexible Mitarbeiter

Die semiflexible wie auch besonders die vollflexible Montagelinie stellen hohe Anforderungen an die Einsatzflexibilität und Qualifikation des Mitarbeiters. In diesen Szenarien beschränken sich die durch einen Mitarbeiter ausgeführten Montageaufgaben nicht mehr nur auf eine Station und damit klar abgegrenzte Montageinhalte. Daher wird die Unterstützung der Mitarbeiter durch smarte Technologien entsprechend wichtig. Dazu zählen zum Beispiel die digitale Werkerführung (digitale Montageanleitung) über eine entsprechende Visualisierung am Montageplatz oder der Einsatz von Hilfsmitteln wie Smart Watches oder Smart Glasses, die ein digitales Poka Yoke ermöglichen.

Durchgängige Vernetzung

Mit Digitalem Shopfloor Management wird der Zustand der Produktion in Echtzeit transparent. Probleme werden - wenn möglich prädiktiv - identifiziert, datenbasiert analysiert und visualisiert. Der Mitarbeiter vor Ort wird bei der Problemlösung in der Montage KI-basiert unterstützt. Bei alldem wird eine kontinuierliche, sichere Kommunikation eine zentrale Rolle spielen, das Thema Datensicherheit ist hier unbedingt zu berücksichtigen.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Dieser Beitrag wird präsentiert von: