In dieser Serie von Beiträgen wollen wir den professionellen Umgang mit Obsoleszenz beschreiben, in Zusammenarbeit mit dem Fachexperten Dr.-Ing. Wolfgang Heinbach. Er ist Gründungspartner der Syliom Unternehmensberatung Dr. Heinbach, Steinleitner und Partner mit Sitz in Augsburg. Er ist seit vielen Jahren im Bereich Obsoleszenz Management mit den Schwerpunkten Änderungen/Abkündigungen, Ersatzteil- und LifeCycle Management sowie den damit verbundenen Businessthemen und Prozessen tätig, mit zahlreichen Vorträgen und Publikationen im In- und Ausland. Ehrenamtlich ist er nach sechs Jahren als Vorstandsvorsitzender weiterhin im Vorstand der COGD (Component Obsolescence Group Deutschland e.V.) und als Vizepräsident des IIOM (International Institute of Obsolescence Management) tätig. Im Rahmen von DKE- und IEC-Arbeitsgruppen trägt er zur weltweiten Standardisierung des Obsoleszenz Managements und seiner Methoden bei.
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Gespräch bei einem großen Unternehmen:
„Erhalten Sie von Ihren Lieferanten Abkündigungen?“ „Nicht alle, aber ja.“ „Was machen Sie damit?“ „Wir legen sie ab.“ „Und dann?“ „Dann bricht sechs Monate später das Chaos aus.“
Ja, warum eigentlich?
Was macht den Umgang mit den sogenannten PCN (Product Change/Discontinuation Notice, manchmal auch PDN oder EOL End-of-life genannt) so schwierig?
- Man bekommt sie nicht. Im Maschinenbau leider ein großes Problem, denn viele Hersteller machen daraus ihr bestgehütetes Geheimnis und teilen es - wenn überhaupt - nur ausgewählten Kunden mit.
- Der Maschinenhersteller bekommt die PCN, gibt sie aber nicht weiter. Das ist nicht hilfreich. Oft ist es so, dass der Maschinenhersteller das Teil umetikettiert. Die Großhändler bekommen die PCN auch, aber sie geben sie nicht weiter.
- Der Hersteller veröffentlicht PCN auf seiner Website. Das ist schon mal gut. Nur: Wie finde ich das? Und schaue ich da jeden Tag nach? Und kann ich das für alle Komponenten auf einmal herausfinden? Nein. Das ist ein aufwendiger manueller Prozess. Digital ist nicht gleich digitalisiert.
- Man bekommt eine E-Mail. Das hilft schon viel weiter. Es setzt aber voraus, dass der Hersteller weiß, dass man dieses Teil im Einsatz hat. Die Formate sind sehr unterschiedlich und meist muss man aus PDF-Dateien die Teilenummer des Herstellers herauskopieren, um dann im ERP nachzuschauen, ob und wo das Teil verbaut ist.
- Jetzt muss man noch herausfinden, ob und wo ein abgekündigtes Teil verbaut ist, wie hoch der Lagerbestand ist und ob es sich für die Maschine überhaupt noch lohnt.
- Und dann gibt es die Änderungen, die sich als Abkündigungen herausstellen, weil die Änderungen dazu führen, dass das Teil für die Anwendung nicht mehr geeignet ist.
Aber das ist noch nicht alles. Die PCN-Bearbeitung besteht aus sieben Schritten:
- PCN-Eingang
- Inhaltsanalyse
- betroffene Bauteile identifizieren
- betroffene Maschinen identifizieren
- Auswirkungen analysieren
- Maßnahmen definieren
- Umsetzen
Schaut man sich die Liste und die Schritte an, kann man gut verstehen, dass viele denken: Augen zu und durch. Das klassische Vorgehen ist extrem arbeits- und zeitintensiv. Verständlich in Zeiten des Fachkräftemangels. Aber unterm Strich viel zu teuer.
Wie geht es besser?
- Mit Digitalisierung wie smartPCN/VDMA 24903 und Bauteildatenbanken.
- Mit entsprechenden Tools, die anhand von Anlagenstücklisten oder ERP-Daten automatisch nach PCN oder Bauteilinformationen suchen.
- Mit Tools, die den gesamten Prozess bis zur Umsetzung unterstützen und ohne Excel-Schlachten auskommen.
Ein gutes Beispiel ist das pcn.cockpit der Firma DDM mit der Datenbank pcn.global. Dort sind Tausende von Abkündigungen gespeichert, unter anderem aus den aktuellen Katalogdaten in Zusammenarbeit mit Cadenas. Das System sucht jede Nacht nach relevanten Änderungen und Abkündigungen und stellt diese übersichtlich dar. Mit wenigen Klicks können Workflows gestartet und die Ergebnisse gesammelt eingesehen werden. So kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren, statt sich durch Tabellen oder Webseiten zu wühlen, ohne dass ein echter Mehrwert entsteht.
Die Kosten dafür sind ein Klacks im Vergleich zu den Kosten, die durch obsolete Teile (siehe Artikel Business Case) oder manuelle Arbeit entstehen. Ich habe oft den Eindruck, dass die Arbeitsstunde nicht zählt, die Hauptsache ist, dass kein Geld für sinnvolle Werkzeuge ausgegeben wird.
Unternehmen, die das Thema Änderungen/Abkündigungen im Griff haben, vermeiden teure und belastende „Feuerwehr“-Aktionen, sind in der Lage, abgekündigte Ersatzteile noch rechtzeitig zu beschaffen und lassen ihre Mitarbeiter sinnvollere Dinge tun, als stupide Daten von links nach rechts zu schaufeln. Wo stehen Sie?