Ist Künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen heute im Maschinenbau schon Realität oder reden wir über ungelegte Eier?
Christian Frenzel: In einem so breiten Feld wie dem Maschinenbau gibt es KI-Lösungen, die in der Realität angekommen sind. Als Beispiel sei die Fehlersuch-App eines großen Automobilbauers genannt, die auf Basis KI mit Werkstattdaten eine geführte Fehlersuche erlaubt. Allerdings sind diese Lösungen noch weitestgehend ‚Inseln‘, also von einer konsequenten Anwendung wie bei den großen Internetkonzernen noch sehr weit entfernt. Eine der großen Herausforderungen ist die Skalierbarkeit der Lösung. Das gilt sowohl für die Trainingsdaten als auch den Nutzen einer solchen Lösung.
Welche Vorteile haben Fertigungsunternehmen vom Einsatz der KI in der Instandhaltung?
Frenzel: Das oben genannte Beispiel der strukturierten Fehlersuche bietet eine ganze Reihe von Vorteilen: Der Aufwand für die Fehlersuche und die damit verbundene Stillstandzeit wird minimiert und die Qualität der Arbeit erhöht, und zwar fast unabhängig von der Qualifikation des Instandhalters. Über kürzere ungeplante Anlagenstillstände werden Kostenvorteile im Wettbewerb erzielt. Natürlich gibt es eine Grenze des Nutzens von KI: Zwar kann man sich vorstellen, über KI eine instandhaltungsoptimierte Betriebsweise von Produktionsanlagen zu erzielen, das Stichwort dafür heißt präskriptive Instandhaltung, aber den physischen Verschleiß oder den Ausfall einer Komponente und die daraus folgenden Tätigkeiten lassen sich auf absehbare Zeit sicherlich nicht automatisieren.
Wie sehen Sie den KI-Anbietermarkt für den hier besprochen Bereich der industriellen Instandhaltung?
Frenzel: Natürlich gibt es viele Anbieter, die einzelne Lösungen zu einem hohen Reifegrad entwickelt haben und vermarkten. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses meistens Inseln sind, die sich nicht ohne weiteres Verallgemeinern lassen. Dies wäre aber die Voraussetzung, um den Entwicklungsaufwand durch einen entsprechend großen Nutzen wirtschaftlich zu machen. In der KI haben wir bisher noch eher wenig den umgekehrten Weg beschritten: Durch Nutzung von Low Code- oder No Code-Software-Plattformen die Entwicklung der eigentlichen Instandhaltungslösung in die Instandhaltung zu bringen. Das wäre die nächste Generation von Werkzeugen nach Excel, indem Zusammenhänge in den Daten durch Instandhaltungsingenieure selbst analysiert werden können, entsprechende Prognose-Modelle abgeleitet werden und diese in die Produktivumgebung überführt werden.
(Bearbeitet von Anja Ringel.)