In Sachen Digitalisierung sprechen viele Entwickler, Hersteller und mögliche Anwender in der Regel im Konjunktiv: das würde, hier wäre, was ginge. Bei Frank Schröder hat das Vage keinen Platz. Er ist ein Mann des Indikativs: das geht, hier ist, wir haben. In seiner Aufgabe als Director Facility Management und Business Administration bei Phoenix Contact in Bad Pyrmont hat er in den von ihm betreuten Gebäuden schon Technologien und Prozesse umgesetzt, für die andere noch nicht einmal die technischen Voraussetzungen haben.
Schröders Kernteam besteht dabei aus knapp 20 Mitarbeitern und ist aufgeteilt in die Bereiche Infrastructure, Maintenance, General Service und Safety & Environment. Die Abteilung hat dabei mannigfaltige Aufgaben. Dazu zählen unter anderem Fuhrpark, Zugangssysteme, Reparatur von Maschinen, Umzüge, Gebäudeplanung, Brandschutz, CAD Zeichnungen von den Büro- und Fertigungsflächen, Kostenstellenverantwortung, Arbeitssicherheit, Energiemanagement, Gebäudeleittechnik, Außenanlagen, Empfangsbereich, Umweltschutz, Reinigungsmanagement, Werksschutz, Abfallmanagement, Reparaturen im Kantinenumfeld, Betreiberverantwortung, Medientechnik, Elektrofachkraft, Infrastruktur für die Produktion, Maschineneinbringung, Arbeitssicherheit oder Rufbereitschaft.
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Gebäude von der Planung an digital gedacht
Der Standort in Bad Pyrmont ist für das Nutzen und Testen moderner Technologien in Sachen Facility Management und Instandhaltung ideal. Denn erst vor wenigen Jahren wurde mit dem Gebäude 4 ein Bauwerk eingeweiht, bei dem das FM schon maßgebend in der Planungsphase eingebunden war. So konnten Schröder und sein Team viel mehr tun, als auf eine ausreichende Anzahl von Wartungsklappen hinzuwirken.
Zusammengefasst wird dies unter der Überschrift "Smart Building Design (SBD)" und dreht sich um die Digitalisierung und Gestaltung eines Gebäudekonzepts mit dem Blick auf die fortlaufende Modernisierung und Anpassung der technischen Möglichkeiten und Gegebenheiten über die Nutzungsdauer des Gebäudes. Endziel der Idee ist ein selbstregulierendes Smart Building.
Daten aus dem BIM für Instandhaltung und Facility Management
Schröder und sein Team nutzen dabei aktuell die Daten aus dem Building Information Modeling (BIM) ebenso wie das hauseigene IoT-basierte Gebäudemanagementsystem Emalytics, Steuerungen der Produktlinie ILC 2050 BI sowie Sensorik, Aktorik oder intelligente IP-basierte Feldgeräte, die protokollunabhängig eingebunden werden können. Unterstützt werden Bussysteme wie Dali, Modbus/TCP oder Modbus RTU.
Die Steuerungen fungieren dabei als Smart Device und übertragen sämtliche Daten der Gewerke normiert an die Gebäudeleittechnik. Auch die Apps beziehungsweise Dienste von Drittanbietern wie Wetterstation, Heizungshersteller, Schließanlage und anderen infrastrukturellen Partnern können eingebunden werden.
Hat es einen Stromanschluss, wird es ins FM-System eingebunden
"Einbinden" klingt technisch nüchtern, doch was Schröder aus dem System herausholt, ist beeindruckend. Annähernd alles, was über einen Stromanschluss verfügt, ist per zusätzlicher Datenanbindung mit dem System gekoppelt – und dementsprechend steuerbar.
Das beginnt bei der Beleuchtung: Jedes Leuchtmittel ist klar einem Datensatz zugewiesen. So kann es nicht nur individuell angesprochen und reguliert werden, sondern die FM-Abteilung kann auch sofort erfahren, um welches Leuchtmittel welchen Herstellers mit welcher exakten Spezifikation es sich handelt und in welchem Zustand es ist. Das Gleiche gilt für die Kaffeemaschinen, das Blockheizkraftwerk, die Lüftung, die Heizung, die Verschattung, die Beamer in den Räumen, die Aufzüge, die Abfalleimer, die Pflanzenbewässerung und sogar für die Besprechungssofas.
Der Gedanke, ein Sofa oder eine Sitzecke ans IoT anzuschließen, mag skurril wirken, aber nur auf den ersten Blick. "Wir haben einen Drucksensor eingebaut", erklärt Schröder. "So können wir – und auch die Kolleginnen und Kollegen, die eine Besprechungsecke brauchen – feststellen, ob die gewünschte Sitzgelegenheit noch frei ist. Außerdem wird über den Sensor die Beleuchtung ein- oder ausgeschaltet und wir könnten auch die Klimatisierung ansprechen." Ferner kann das Facility Management so klären, ob die Besprechungsecke an einer günstigen Stelle steht oder lieber umziehen sollte.
Auch an die Visualisierung des Gebäudes wurde gedacht. So kann das Emalytics-System über die Gebäudedaten alle Vorgänge, Zustände und Gegebenheiten nicht nur on premise sondern auch in der dazugehörigen mobilen App darstellen. In vielen Fällen sogar bis in die Asset-Daten des SAP-Systems hinein. "So können als Beispiel Instandhalter schon im Vorhinein, ohne an der Schadensstelle zu sein, die nötigen Komponenten nachbestellen", erklärt Schröder. Auch Änderungen an den Einstellungen sind so problemlos möglich. Künftig ist sogar eine Sprachsteuerung der Räume angedacht.
Änderungen im laufenden Betrieb möglich
Ein weiterer großer Vorteil der Komplettanbindung des Gebäudes 4 an das IoT ist die Möglichkeit, alle angeschlossenen Gegebenheiten im laufenden Betrieb zu ändern oder in eine neue Beziehung zueinander zu setzen. Ein simples Beispiel dafür sind die automatische Verschattung bei Beamerbetrieb, die Regelung der Beleuchtung nach Tageszeit oder die Stärke der Belüftung je nach Anzahl der Menschen im Raum. "Bei uns muss auch kein Hausmeister mehr nachschauen, ob alle beim Verlassen der Räume das Licht ausgeschaltet haben", sagt Schröder. "Melder registrieren, ob der Raum noch besetzt ist und wenn nicht, wird er nach einer bestimmten Zeitspanne 'ausgeschaltet'."
"So können wir auch auf veränderte Raumnutzungen oder Auslastungen schnell reagieren", sagt Schröder. "Das war in Sachen Energieeinsparung während der Homeoffice-Zeiten in der Corona-Pandemie von großem Vorteil." So konnte nämlich das Zusammenspiel aus extern bezogener Energie, der hauseigenen Fotovoltaikanlage und dem Blockheizkraftwerk optimal gesteuert werden.
Um jederzeit eigenverantwortlich Zugriff auf das System zu haben, wurden die Datenleitungen und –anschlüsse vom Facility-Management und nicht wie sonst meist üblich von der IT verlegt und werden auch von Schröder und seinem Team betrieben. "Damit können wir, ohne auf eventuell langwierige Anfragen warten zu müssen, bei Bedarf schnell eingreifen", sagt Schröder.
Einer der wichtigsten Vorteile der vernetzten Umgebung liegt in einem äußerst erfolgreichen, weil geldsparenden Energiemanagement. Die klugen Regelungen in Sachen Strom, Heizung, Klima und Luft sorgen dafür, dass das Gebäude um rund die Hälfte günstiger betrieben werden kann als vergleichbare Objekte ohne die Schröderschen Maßnahmen. Das bedeutet eine jährliche Ersparnis am Standort Bad Pyrmont von 1.150.000 Euro bei einer Fläche von 53.440 Quadratmetern.
Reinigungs-Roboter 'Adlatus' und 'Spot' von Boston Dynamics im FM-Einsatz
Neben der Digitalisierung ist auch die Robotik für Schröder eine Möglichkeit, seine Aufgabe in Zeiten von Personalmangel und Co. erfolgreich weiter voranzubringen. So ist beispielsweise seit Kurzem ein Adlatus Reinigungsroboter in Bad Pyrmont unterwegs. Selbstverständlich ist auch dieser ans FM-System angeschlossen, kann so auch die Aufzüge nutzen und weiß ebenfalls, welche Räume aktuell zu reinigen sind, weil sie benutzt wurden.
Schröder und 'seine' Liegenschaft in Bad Pyrmont genießen in der Branche mittlerweile einen Ruf wie Donnerhall. Kein Wunder also, dass das Unternehmen Reply auf den gerne auch mal 'Mr. Digital' genannten FM-Mann zukam und anfragte, ob man nicht gemeinsam eine Einsatzmöglichkeit für 'Spot' finden könnte, den bekannten vierbeinigen, hundeähnlichen Roboter von Boston Dynamics. Er könnte, so die Idee, versorgungstechnische Anlagen, Produktionsanlagen und Leitungen auf Leckagen (Druckluft, Stickstoff, Geruch, Wärme, Temperatur und Strom) im Sinne der präventiven Instandhaltung untersuchen.
"Dafür könnte man ihn problemlos mit der nötigen Sensorik ausrüsten", erklärt Schröder. Durch die Fähigkeiten von 'Spot' wie dem eigenständigen Öffnen von Türen und problemloses Treppensteigen käme der Roboter, der mittlerweile auch von der Bundeswehr auf seine Eignung auf dem Gefechtsfeld getestet wird, problemlos überall am Standort hin. Ein Datenabgleich mit dem Emalytics-System wäre möglich. "Außerdem könnte er auch Flucht- und Rettungswege kontrollieren oder die Außenanlagen überwachen", sagt Schröder. Auch eine Kooperation zwischen dem Adlatus und "Spot" ist denkbar: Das Boston Dynamics-Gerät könnte auf seinen Kontrollgängen prüfen, wo es Reinigungsbedarf gibt, und den Adlatus herbeirufen.
Jetzt möchte Frank Schröder auch die anderen Gebäude in Bad Pyrmont so weit als möglich auf den Stand des Gebäudes Nummer 4 bringen und die Produktionsmaschinen einbinden. Keine einfache Aufgabe – aber das hat Schröder wohl noch nie abgeschreckt.
Bilderstrecke: 'Spot'und 'Adlatus' im Einsatz
Wer ist Frank Schröder?
Seit 1996 leitet er das Facility Management bei Phoenix Contact Electronics. Zusätzliche Themenbereiche wie Brandschutz, Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Werksschutz und der optimale Betrieb von Liegenschaften und Gebäuden verantwortet er für die Standorte Bad Pyrmont, Berlin, Dresden, Velbert, Paderborn und Lemgo. Hierbei geht es um Bürogebäude sowie auch Produktionsgebäude mit Anforderungen aus einer anspruchsvollen Prozessumgebung.
Sein Jugendtraum war der vernetzte Technikraum. Mit dem Industry Solution Center (18.000 Quadratmeter) Neubau im Jahr 2017 Bad Pyrmont ging diese Vision in Erfüllung. Die Ladesäule spricht mit der PV -nlage und dem BHKW. Datentransparenz über alle Gewerke im Gebäude und der Liegenschaft. Es ist eines der modernsten und vernetzten BuildingIOT-Gebäude in Europa.