Es ist eng, dreckig, dunkel und alles andere als komfortabel – der Bypass eines Kamins in einem Zellulosewerk am Ufer der Salzach ist nicht der erste Einsatzort, der einem beim Berufsbild 'Pilot' einfällt. Und doch kauert in dem rund 1,5 Meter hohen Rohr auf dem Gelände der AustroCel in Hallein ein Pilot: Ausgerüstet mit Helm, Gehörschutz, Mund-Nasen-Schutz, Sicherheitsschuhen und strapazierfähiger Arbeitskleidung lenkt Markus Rockenschaub von hier aus sein Fluggerät. Er fliegt eine Indoor-Drohne vom Typ Elios-2.
Dabei kann der CEO des Unternehmens Aerovision Drone Support sein rund 28.000 Euro teures Fluggerät noch nicht einmal sehen, denn die Drohne ist im etwa 50 Meter hohen Kamin ohne direkten Sichtkontakt zu ihrem Piloten unterwegs. Rockenschaub kontrolliert das unbemannte Flugobjekt per Fernsteuerung, die ihre Steuerungsimpulse mittels Signalverstärker sendet, über den sie auch Ihre Liveaufnahmen aus dem etwa vier Meter breiten, aus Stahlkomponenten geschweißten Kamin auf das Tablet ihres Piloten zurückschickt. "Damit sind wir auch außerhalb der Gefahrenzone des Inspektionsbereiches."
Drohne statt Gerüst
Zweck des Indoor-Fluges ist einerseits die Kontrolle der Reparatur eines Schadens und andererseits eine Bestandsaufnahme, die für Michael Lerchster, den Leiter Technik des AustroCel-Werkes, eine Erleichterung der künftigen Arbeit darstellt. "So kann ich bei der nächsten Inspektion leichter erkennen, wenn sich etwas verändert hat", erklärt er. "Und spare mir den Auf-/Abbau eines Gerüsts beziehungsweise eine Befahrung mittels Krankorb." Außerdem ist ein Vergleich des Zustands mit den Videoaufnahmen der Drohne besser möglich als bei der eher punktuellen Bestandsaufnahme mittels Foto vom Korb aus.
Rockenschaub führt den Flug während eines geplanten Reinigungsstillstands des Biomasseheizkraftwerk (30 MWth, 10 MWel) aus, in dessen Zuge auch eine Undichtheit in dem Kamin repariert wurde. Dieser war entdeckt worden, als die Instandhalter die enge, dunkle und hohe Stahlkonstruktion mit einer Krangondel befahren hatten. Lerchster geht davon aus, dass der leichte Schaden durch die thermische Belastung der Konstruktion entstanden ist. Nach der Entdeckung wurde im Inneren des Kamins ein Gerüst errichtet und die Schweißer verschlossen den Riss über Nacht.
Auftanken per Akkuwechsel
Jetzt, am frühen Morgen, kann Rockenschaub im Zuge des engen Zeitplans seinen Kontrollflug durchführen. Dazu nimmt er mehrere Akkus für seine Drohne mit in den engen Zugang zum Kamin. Denn mit einer der Batterien kann die Elios-2 etwa acht Minuten in der Luft bleiben.
Um den kompletten Kamin in der angemessenen Geschwindigkeit abzufliegen und dabei aufzunehmen, braucht der Pilot fünf "Tankladungen". Seine Akkus hat er mit grünen und roten Smileys gekennzeichnet. "Daran kann ich erkennen, welche Batterie ich schon benutzt habe und welche noch voll geladen sind", erklärt Rockenschaub. So erhält die Drohne innerhalb von Sekunden eine frische Akkuladung und Pilot Rockenschaub kann sie an den Punkt der Kaminwand zurücksteuern, an dem er unterbrechen musste.
Dann manövriert er die Drohne mit ihren etwa 40 Zentimetern Durchmesser konzentriert weiter an den Schweißnähten entlang und umfliegt in den Kamin ragende Messfühler. An bestimmten Stellen gibt ihm Technik-Leiter Lerchster ein Signal und er lässt die Drohne eine Detailaufnahme machen.
Bilderstrecke 1: Drohnen-Einsatz im Zellulose-Werk
Die Elios-2 ist ein Quadrokopter, dessen vier jeweils fünf Zoll große Propeller die rund 1,5 Kilogramm schwere Drohne auf bis zu 6,5 m/s beschleunigen. Diese Werte hängen aber natürlich vom gewählten Flugmodus (optisch, manuell oder Sport) ab. Dass solche Leistungen nicht flüsterleise zu erbringen sind, erscheint logisch. Und so heult die Elios-2 dann auch wie ein Schwarm ernsthaft ergrimmter Wespen durch den Kamin – ohne Gehörschutz wäre das auf die Dauer eine echte Herausforderung – 'Micky Mäuse' oder Schaumstoff-Stöpsel sind darum bei einem solchen Einsatz man wissen" target="_blank">Teil der Standard-PSA.
Scharfe Bilder aus der Luft
Pilot Rockenschaub und Technik-Leiter Lerchster tragen Mund-Nasen-Schutz, PSA und Gehörschutz. Aber die beiden sind so auf die Aufnahmen der Drohne konzentriert, die live auf das Samsung-Tablet an der Fernsteuerung übertragen werden, dass sie den Geräuschpegel vermutlich auch ohne Schutz nicht wahrnehmen würden. Die Bilder stammen von der Hauptkamera der Drohne, die Standbilder mit 12,3 Megapixel aufnimmt und 4K-Bewegtbild mit einer Frequenz von bis zu 30 fps (frames per second) aufzeichnet. Außerdem hat die Elios-2 noch eine Wärmebildkamera (Empfindlichkeit 50 Millikelvin) mit einer Auflösung von 160 mal 120 Pixeln an Bord. Beide Kameras sind per Nick-Gimbal um bis zu +/- 90 Grad schwenkbar.
Auf diesem Flug allerdings ist lediglich die Hauptkamera im Einsatz – in Zusammenarbeit mit dem bis zu 10.000 Lumen starken LED-Beleuchtungssystem der Drohne. Der Hersteller der Elios-2, das Schweizer Unternehmen Flyability, gibt an, dass durch das entsprechende Zusammenspiel von Beleuchtung und Kamera auch feinste Risse und die Oberflächentextur erkennen lassen. Das Unternehmen nennt eine Genauigkeit von 0,18 Millimetern pro Pixel bei einem Abstand von 30 Zentimetern zum Objekt.
Video: Kamin-Inspektion per Drohne
Sensorunterstützes Fliegen
Beim Manövrieren in so engen Räumen wie in der Industrie unterstützen an der Drohne angebrachte optische Sensoren den Piloten, die es erlauben, einen definierten Abstand zwischen 300 und 2.000 Millimetern zu wahren. Außerdem verfügt die Drohne über sieben Sensoren, die einen stabilen Schwebeflug und Navigieren in der meist unübersichtlichen Umgebung erlauben.
So ist es leichter, Distanz zu den Wänden zu halten, denn die Drohne ist zwar von einem schützenden Kunststoffkäfig umgeben, allzu häufige oder heftige Kollisionen sind dennoch unerwünscht. Rockenschaub muss die Sensoren, die mittels Laser die Entfernung zur Wand messen, regelmäßig säubern. Denn die Elios-2 ist zwar gegen Staub und Feuchtigkeit geschützt – die Sensoren jedoch können in industriellen Umgebungen schnell verstauben und die Steuerung der Drohne erschweren.
Staubige Angelegenheit
Beim zweiten Einsatzort an diesem Tag, der abgestellten und erkalteten Brennkammer des Biomasseheizkraftwerkes der AustroCel, tritt ein solcher Fall bei der Inspektion auf: Zwar kann Pilot Markus Rockenschaub seine Elios-2 problemlos durch die engen Mannlöcher in den Kessel manövrieren, doch die Asche in der Brennkammer macht dem Flug schneller ein Ende als gedacht.
Denn die Rotoren des Fluggeräts wirbeln so viel Staub auf, dass auf den Bildern nicht viel zu erkennen ist – und auch die optischen Sensoren, die das Gerät von den Wänden fernhalten, sind schnell verschmutzt, sodass die Drohne nur sehr schwer durch den Dunst zu manövrieren ist. Nun steuert Rockenschaub wie ein Modellflugpilot nach Sicht, denn in solchen Fällen schaltet die Elios-2 auf manuellen Modus.
"Dann kann ich als Pilot natürlich immer noch eingreifen, aber wenn ich das Gerät dann gerade nicht sehen kann, wird es herausfordernd. Hier sollte man schon einiges an Erfahrung als Pilot mitbringen. Bei einer derartigen Staubentwicklung macht generell ein Drohnenflug wenig Sinn, weil man ganz einfach nichts erkennen kann", erklärt Rockenschaub, als er sein Fluggerät wieder aus dem Kessel bugsiert.
Bilderstrecke 2: Drohnen-Einsatz im Zellulose-Werk
Ein weiterer Versuch am Kessel ist aufgrund des engen Zeitplans des Stillstands nicht möglich. "Wenn dann noch etwas schiefgeht und wir die Drohne aus dem Kessel bergen müssen, können wir erst mit großer Verspätung wieder anfahren", sagt Lerchster. "Das geht nicht." Ein Beinbruch ist der inspektionsverhindernde Staubsturm im Ofen aber für Lerchster und Rockenschaub nicht. "Beim nächsten Mal wissen wir, dass wir ein Zeitfenster mit einem betriebsbereiten Saugzug-Gebläse finden müssen", sagt Lerchster. "So lernen wir immer dazu."
Grenzen beim Einsatz von Drohnen
Bei allem Wissenszugewinn hat AustroCel-Technik-Leiter Lerchster allerdings so seine Zweifel, was die Leistungsfähigkeit von aktuell verfügbaren Drohnen zur optischen Erkennung von sehr unauffälligen und extrem kleinen Schäden im Inneren von Industrieanlagen betrifft. Denn gerade im Indoor-Bereich sind diese oft extrem schwierig zu entdecken und zu bewerten.
Während im Bereich der Drohneninspektion der Rotorblätter von Windkraftanlagen heute schon zum Teil automatisierte Schadenserkennung per Künstlicher Intelligenz eingesetzt wird, ist das für die Inspektion von Kesselanlagen, Kaminen oder Druckbehältern noch nicht möglich, da sich die Umgebungen, Materialien und Schadensbilder so sehr unterscheiden, dass das Trainieren einer KI nicht möglich ist.
Aber das muss ja nicht so bleiben. "Wir haben in einem ausgemusterten und speziell dafür präparierten Druckbehälter in Zusammenarbeit mit dem TÜV eine Drohnentestanlage installiert", sagt Michael Lerchster. Im Inneren des Druckbehälter wurden definierte Schadensbilder angebracht und markiert. Die AustroCel lässt externe Unternehmen dann dort mit ihren Fluggeräten testen, ob diese die Schäden erkennen können. "Das ist sehr schwierig und heute noch nicht zu meiner vollen Zufriedenheit möglich", erklärt Lerchster. Die Lösung wäre seiner Ansicht nach Stereoskopie, also räumliches Sehen. "Dann könnte die Tiefe der Schäden wie zum Beispiel der Korrosion mit der Drohne erkennbar gemacht werden. Das wäre dann wirklich Smart Inspection."