Wartung und Instandhaltung sind in der Intralogistik notwendig, um die weit vernetzten Logistikketten nicht abreißen zu lassen. Eine besondere Herausforderung sind dabei Hochregallager, müssen doch auch in luftiger Höhe von 45 Metern die Reparaturen erledigt oder der Wartungsplan erfüllt werden.
In solch einer komplexen Anlage gilt es nicht den Überblick zu verlieren, was alles gewartet werden muss, wie auch Michael Huwer, Leiter Instandhaltung/Logistik im RSC Rohrbach, dem größten Festo Logistikzentrum, erklärt: "Wegen des hohen Automatisierungsgrades und der Abhängigkeit der einzelnen Anlagenteile voneinander, muss eigentlich alles, außer den zum Transport der Ware benötigten Behältern, Paketen und Paletten, instandgehalten werden. Von einfacher Fördertechnik wie Rollenbahnen und Gurtförderern über automatische Belabelungs- und Packanlagen bis hin zu modernsten, hochdynamischen Regalbediengeräten."
Sicherheitsanforderungen in der Logistik
Dabei steht in den Unternehmen über allem die Sicherheit des Personals, wie Alexander Hilgert, technischer Leiter bei BLG Handelslogistik und dort verantwortlich für die Technik, erklärt: „Als Betreiber richten wir uns nach dem geltenden Arbeitsschutzrecht. Für die Arbeitssicherheit an unserer Fördertechnik und den Regalbediengeräten sowie für alle Mitarbeiter, die mit diesen Anlagen arbeiten, finden für einen sicheren Betrieb und eine ordnungsgemäße Instandhaltung unter anderem die EN-Maschinenrichtlinie, Herstellervorgaben sowie die EN 528 Anwendung.“
Die Norm EN 528 regelt maßgeblich die Sicherheitsanforderungen für Regalbediengeräte (Eingriffsschutz, Sicherheitsschalter, Fahrstände, Betrieb, etc.), die im Rahmen der jährlichen wiederkehrenden Prüfung gemäß § 16 BetrSichV geprüft werden, um Gefährdungen auszuschließen.
Reparatur in großer Höhe
Zu den Sicherheitsbestimmungen äußert sich auch Andreas Schmidt, Teamleiter Betriebstechnik bei Würth Industrie Service: "Zum einen gibt es die Herstellervorschriften für ein Regalbediengerät selber, so dass sich Personen nicht außerhalb des Steuerstands befinden dürfen, wenn das Gerät fährt.
Zum anderen gibt es Vorgaben von der Berufsgenossenschaft. Hängt beispielsweise aus einem Regal eine Folie herunter, so dass sich das RBG nicht mehr bedienen lässt, muss ein Mitarbeiter auf einer Leiter hoch, wobei unsere Hochregallager bis zu 45 Meter hoch sind. Da benötigt man laut Berufsgenossenschaft zwingend eine zusätzliche Sicherungsperson. Dafür haben wir auch eigene, ausgebildete Leute."
Bei einem technischen Defekt in der Höhe, der eine Nutzung des mitfahrenden Fahrstandes für die Techniker ausschließt, ist die Erreichbarkeit eine große Herausforderung. "Das ist körperlich schon anstrengend, bis in einer Höhe von 41 Metern hochklettern zu müssen. Mir ist beim Thema Instandhaltung die Qualität und Ausstattung sowie regelmäßige Prüfung der persönlichen Schutzausrüstung und Sicherheitsausrüstung der Mitarbeiter sehr wichtig“, verdeutlicht Hilgert.
Dazu würden die Mitarbeiter des Unternehmens regelmäßig geschult, beispielsweise durch die Höhenrettungsschulung, die einmal im Jahr durch erfahrene Trainer direkt im Hochregallager durchgeführt werde. Oder arbeitsmedizinische Untersuchungen (G41 Arbeiten mit Absturzgefahr) gehörten dazu.
Hochregallager mit 200.000 Palettenstellplätzen
Die BLG Handelslogistik betreibt als Logistikdienstleister mehrere Standorte mit Hochregallagern. Das größte davon befindet sich in Bremen bei Tchibo und umfasst circa 200.000 Palettenstellplätze.
Dabei sind die meisten Störungsbeseitigungen in der Lagertechnik Routine und lassen sich schnell beheben. Es komme nur sehr selten vor, dass die Förderanlagen länger nicht zur Verfügung stehen. "Meistens sind es dann geplante Maßnahmen für die Instandhaltung der Fahrzeuge oder Revisionsarbeiten, die je nach Alter anfallen“, erklärt Hilgert. Solange das Gerät noch fahrbar ist, sei es unkompliziert. Ist die Hubeinrichtung gestört, werde es für die Kollegen anstrengender. Dann müssten die Techniker mit dem Sicherheitsgeschirr an der Steigschutzeinrichtung Schritt um Schritt hoch, um die Störung zu beheben.
Kein leichter Job für Industriekletterer
Um solchen Herausforderungen zu begegnen, hat BLG Logistics zwei Kollegen aus der Technik zu Industrieklettereren ausbilden lassen. "Dies gibt ihnen mehr Sicherheit und wir sind flexibel bei Arbeiten in der Höhe", erklärt Hilgert. "Dazu zählen zum Beispiel der Austausch von defekten Regaltraversen, der Beleuchtungstausch oder auch die Beseitigung von Absturzware.“
Wie in einer Produktion habe man in einem automatisierten Lager nur geringe Zeitfenster für Dienstleistungen wie Instandsetzungen und Wartungen. „Ein Teil der Instandhaltungsarbeiten wie Inspektionen, Wartungen oder Instandsetzungen können während der Produktionszeiten stattfinden. Aber halt nicht immer, und somit verlagern wir auch manche Instandhaltungsaufgaben außerhalb der Produktionszeiten“, erläutert Hilgert.
Michael Wichmann, Betriebsleiter BLG Logistics am Tchibo-Standort in Bremen: „Das stimmen wir aber immer intensiv ab. Unsere langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass eine gute Vorbereitung und Kommunikation sehr hilfreich ist, um effizient Instandsetzungen oder Wartungsarbeiten durchzuführen.“
Chaotische Lagerung ermöglicht auch bei Pannen Zugriff
Dazu ergänzt Hilgert: „Ja, das langjährige Zusammenspiel mit den operativen Kollegen funktioniert sehr gut. Durch eine chaotische Lagerung, also die unterschiedliche Streuung der Warenvorräte und Anlagenredundanzen haben wir auch beim Ausfall von Geräten meistens weiterhin Zugriff auf die Ware und die Produktion wird durch die Störung mitunter gar nicht eingeschränkt.“
Die Verfügbarkeit von Geräten und Anlagen sei sehr hoch, da sie mittlerweile auch sehr ausgereift und zuverlässig seien. „Aber eben auch durch eine gute, regelmäßige Wartung sowie kompetentes Fachpersonal“, beschreibt Hilgert.
Hohes Niveau an Dienstleistungen in der Lagertechnik
Eine besondere Herausforderung an die Instandhaltung sei es, Fehler schnell zu finden und die Störung ebenso schnell zu beheben. Dabei helfe erfahrenes Personal und ein angemessener Ersatzteilvorrat. „Doch in der Höhe sind alle Tätigkeiten erschwert und aufwändig“, sagt Hilgert.
Mit dem Lastaufnahmemittel könne im Idealfall Material transportiert werden, das die Techniker dann austauschen. Mitunter müsse oben ein Gerüst zur Absicherung aufgebaut werden. Interessant wäre zudem ein kompletter Fahrzeugaustausch. „Hierzu müsste je nach Gebäude die Fassade geöffnet werden oder der RBG-Mast über das Dach eingebracht werden“, denkt Hilgert laut nach.
„Am Tchibo-Standort in Bremen arbeiten wir überwiegend mit eigenen Technikern. Im Bereich der RBG machen wir 98 Prozent der Instandhaltungsaufgaben selber“, hebt Hilgert hervor. Nur die jährlichen wiederkehrenden Prüfungen gemäß § 16 BetrSichV ließe BLG durch den TÜV oder einen andere Sachverständigen machen.
Gesetzliche Sicherheitsregeln
- Prüfung der Regalanlagen - alle 5 Jahre => jährlich 20 Prozent
- UVV Prüfungen der Geräte - jährlich
- DGUV V3 Elektrische ortsfeste Anlagen - alle 4 Jahre => jährlich 25 Prozent
- Prüfung von Aufstiegsleitern - jährlich
- Prüfung persönlicher Seile und Auffanggurte (PSA) - jährlich
- Prüfung Hydraulikleitungen - jährlich
- Wartung und Prüfung Brandschutztore - jährlich
- Diverse Sicherheitsunterweisungen der Instandhalter - jährlich
- Diverse Gesundheitsuntersuchungen (Arbeiten in Höhe/Fahren und Bedienen etc…) - alle 1-3 Jahre
Quelle: Festo
Größere Katastrophen verhindern
Dazu gehöre auch eine Prüfung der Fangvorrichtung, die einen Absturz des Lastaufnahmemittels verhindern soll. „Der Prüfer löst hier den Geschwindigkeitsbegrenzer aus und das Lastaufnahmemittel fällt mit der beladenen Nutzlast bei Nenngeschwindigkeit im freien Fall einen sehr kurzen Weg. Dann muss sofort ein Sicherheitssystem – die Fangbremse – greifen. Bei der wiederkehrenden Prüfung und dem Fangtest ist uns eine externe Prüfung und Sichtweise wichtig. Auch wir sind vor Fehlern durch Routine nicht sicher. Deshalb ist der Austausch von Erfahrungen mit den Sachverständigen für uns ein wichtiger Mehrwehrt“, betont Hilgert.
„Wir haben bisher noch keinen größeren Blackout gehabt, der uns so stark getroffen hat, dass man das Problem nicht irgendwie anders hat lösen können. Das ist auch wieder durch das System der chaotischen Lagerung machbar“, sagt Wichmann. Falls mal der Wareneigang gestört sei, die Elektro-Hängebahn oder ein RBG, dann habe das Team immer noch einen Plan B oder C in der Tasche. „Wichtig dabei ist unsere gute Kommunikation untereinander, da wir zu jeder Tageszeit miteinander kommunizieren können – somit bleiben wir immer lieferfähig“, stellt Wichmann klar.
Zuständigkeiten in der Instandhaltung
Auch bei Würth Industrieservice heißt es 'Selbst ist der Mann', wie Schmidt darstellt: "Selber machen können wir relativ viel, denn wir sind für sämtliche Störungen der Förderanlage zuständig. Aus zeitlichen Gründen sind wir dazu jedoch selten in der Lage. Deshalb haben wir über unseren Hersteller auch Wartung mit eingekauft, von dem wir im Hochregal einen Dauermitarbeiter bei uns haben – speziell für das RBG."
Dieser externe Mitarbeiter könne aber auch nicht alles alleine machen wie zumm Beispiel das Arbeiten in Höhe, wo er eine zweite Person zur Sicherung benötige. Auch für Sprinkleranlagen und Dachluken seien Fremdfirmen beschäftigt. Schmidt ergänzt dazu: "Für die Elektromessung und Unfallverhütungsvorschriften sowie die Regalprüfung, die einmal in fünf Jahren das Hochregallager durchlaufen muss, ist externes Personal notwendig".
Hilgert wiederum erläutert, dass "wir außerhalb Bremens je nach Kunde und Standort, zusätzlich oder ausschließlich externe technische Partner zur Betriebsbegleitung und Instandhaltung nutzen." Huwer von Festo dazu: "Zuständig sind mein Team und ich. Über 90 Prozent der anfallenden Arbeiten führen wir in Eigenleistung durch. Aus Kapazitätsgründen vergeben wir bei Bedarf auch mal Arbeiten an externe Dienstleister."
Stören Instandhalter den Betriebsfluss im Unternehmen?
Schmidt hat den Spagat zu vollbringen, zwischen der Wartung von Geräten möglichst die Logistikabläufe nicht zu stören: "Wir haben natürlich einen hohen Leistungsdruck durch die Logistik, die von uns abfordert, dass die Geräte funktionieren. Dadurch, dass wir 20 RBG im Einsatz haben, sind wir in der Lage, auch mal ein Gerät rauszunehmen. Wir versuchen ein RBG nicht länger als zwei Stunden rauszunehmen und nicht mehr als drei Geräte pro Tag."
Dann sei man aber mit einem Gerät noch nicht fertig, sondern habe in dieser Zeit zum Beispiel zwei Teleskopgabeln gewartet. Ein paar Tage später arbeite man an diesem Gerät eine andere Komponente ab. So sei die Vorgehensweise im laufenden Betrieb.
Schmidt weiter: "Natürlich gibt es da auch den einen oder anderen Disput mit der Logistikleitung. Aber wir haben uns darauf geeinigt, eine Woche im Voraus mitzuteilen, wo wir was tun wollen. Allerdings kommen aufgrund vieler Umbauten und Zubauten noch viel Fremdfirmeneinsatz dazu – was die Arbeit und Planung natürlich nicht leichter macht. Das tut der Logistik weh, aber es ist nicht möglich, unsere Mannschaft an jedem Wochenende einzusetzen."
Schmidt bringt auf den Punkt, wie genau ein Regalbediengerät (RBG) zu warten ist: "Alles was sich dreht und mit anderen Teilen durch Reibbewegung agiert – also Lager, Räder und Rollen, müssen auch gefettet werden." Ein RBG ließe sich in einige Baugruppen unterteilen:
Das Fahrwerk: Ist für die x-Richtung (Vor- und zurück) im Lager zuständig. Auf dem Fahrwerk befinden sich der Mast, an dem fährt der Hubwagen rauf und runter und das Hubwerk.
Das Hubwerk: Fester Bestandteil am unteren Ende vom Mast. Die Seiltrommel und der Hubwerksmotor sind integriert.
Der Mast: An dem Mast fährt der Hubwagen rauf und runter in Fahrtrichtung Y und wird über ein Zugseil gehoben und gesenkt. Der Mast wird über ein Zugseil gehoben und gesenkt. An dem Mast befindet sich auch das Fangschwert.
Der Hubwagen: Auf dem Hubwagen befindet sich die Teleskopgabel. Die bewegt sich in Z-Richtung – also in der Tiefe und damit in das Regal hinein.
Die Gassenausrüstung: Die Gassenausrüstung gehört nicht zum RBG selber, denn es handelt sich um die Schiene und die Stromschiene, somit um den Gang für das RBG.
So werden alle Komponenten eines RBG gewartet
Laut Andreas Schmidt ist nachfolgende Art der Wartung bei den Baugruppen eines RBG notwendig:
- Im Fahrwerksbereich gibt es die Laufradkontrolle und die Führungsrollen. Gerade die Führungsrollen verschleißen relativ stark, da ein schweres RBG immer versucht, nach rechts und links auszubrechen. Da müssen wir am Fahrwerk den Radverscheiß messen. Sinkt ein RBG durch Radverschleiß nur um 2,5 Millimeter ab, hat das schon Auswirkungen auf die Positionierung in den einzelnen Palettenfächern. Das Laufrad kontrollieren wir gerade monatlich, standardmäßig aber eher alle halbe Jahre.
- Am Mast gilt es das Hubseil in etwa halbjährlich auf Beschädigungen und Verschleiß zu kontrollieren und zu schmieren. Auch das Fangschwert am Mast, an dem der Hubwagen rauf und runter läuft. Dort ist auch der Sicherheitsfang befestigt, denn wenn ein Seil irgendwo hängenbleibt, muss der Hubwagen gegen Absturz gesichert sein. Dieser Fang schlägt in dem Fall auf dem Schwert ein, so dass es zu Riefenbildung kommen kann. Das kontrollieren wir auch ein bis zwei Mal im Jahr. Bis zu einem gewissen Grad können wir es nachschleifen und irgendwann müssen wir es austauschen. Die Umlenkrollen im Mastbereich und auch die Seiltrommel müssen wir ein bis zwei Mal im Jahr kontrollieren.
- Den Hubwagen betrachte ich als intensivste Einheit. Wir haben zwei Teleskopgabeln auf einem Hubwagen, an denen gibt es auch das meiste Spiel, die meisten Rollen und die meisten Lager. Für eine solch relative kleine Einheit ist die Belastung recht hoch, denn da werden bis zu 1,2 Tonnen pro Palette gefahren. Da versuchen wir auch, zweimonatlich zu warten.
- Die Schiene im Hochregal ist auch stark belastet, da ein RBG bis zu 30 Tonnen Gewicht hat plus zwei Tonnen Ladung, so dass es zu Rissen in der Laufschiene kommen kann. Diese muss dann geschweißt werden, um einen Schienenbruch zu verhindern.
Optimierung der Wartung
Einen Ausblick in neue Methoden gibt Schmidt: "Wir haben einige Versuchs-RBGs im Bestand, an denen eine Schienenschmierung vorhanden ist. Das ist eine Art Graphitstein, was einen Belag auf die Schiene bringt, so dass man den Radverschleiß minimieren kann."
Schaeffler wiederum setzt auf zustandsbasierte Instandhaltung im Lager- und Verteilzentrum. Dabei überwachen SmartCheck-Systeme permanent die betriebskritischen Aggregate, wie Dirk Schulze, Technischer Vertrieb Industrie 4.0 bei dem Unternehmen aus Herzogenaurach darstellt: "Im EDZ in Kitzingen haben wir in Summe 169 Schmierstoffgeber verbaut und schmieren 12,5 Kilometer Kette. Das erhöht die Produktivität, weil der Mitarbeiter nicht mehr zum Nachschmieren muss."
Dadurch erhöhe Schaeffler auch die Arbeitssicherheit, da der Mitarbeiter nicht mehr an die Kette herangehen müsse. "Neben den Konzeptgeräten haben wir an den Hub- und Fahrmotoren der Regalbediengeräte sowie an den Antriebsmotoren für Hebestationen und Spiralförderern 58 SmartCheck installiert. Diese Systeme messen die Schwingungen und mit dieser Information können wir sicherstellen, dass wir Wälzlagerschäden und Verzahnungsschäden frühzeitig detektieren. Des Weiteren vermeiden wir ungeplante Stillstände der Anlage", führt Schulze weiter aus.
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