Zwei Senioren schauen zu einem Roboter, auf dem per Video eine Frau und ein Kind zugeschalten sind.

Roboter werden auch in der Coronakrise eingesetzt: Roboter James hilft Senioren zum Beispiel, Kontakt zu ihrer Verwandtschaft zu halten. - (Bild: Hahn RobShare)

Social Distancing ist momentan wohl einer der am häufigsten genutzten Begriffe. Abstand soll nicht nur beim Einkaufen und Spazierengehen gehalten werden, sondern natürlich auch am Arbeitsplatz. Helfen können da Roboter – nicht nur in der Fertigung: „Wenn Produktion während einer Pandemie aufrechterhalten werden soll, müssen gewisse Abstände zwischen den Werkern eingehalten werden.

Hier kann ein Roboter oder ein automatisierter Produktionsschritt ‚zwischendrin‘ in der praktischen Umsetzung sehr hilfreich sein“, sagt Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Robotik + Automation. Diese Entwicklung haben natürlich auch die Hersteller auf dem Schirm.

Beim Augsburger Unternehmen Kuka fragen zum Beispiel vermehrt Neukunden nach Automatisierungslösungen, sagt Pressesprecher Wolfgang Meisen. Aus seiner Sicht, sagt er, mache es durchaus Sinn, Risiken abzubauen, wo Menschen arbeiten. Er stellte aber auch klar: Robotik ist ein Bereich, bei dem Anschaffung und Einsatz langfristig geplant werden muss und auch die Kunden seien momentan noch mitten in der Krise, weshalb sie derzeit noch eher defensiv unterwegs seien.

Auch der dänische Hersteller Universal Robots hat ein ungebrochenes Interesse an seinen Produkten registriert. Helmut Schmid, Geschäftsführer von Universal Robots Germany und Regional Sales Direktor von West- und Nordeuropa, nennt als Beispiel die virtuelle Hausmesse mit über 2.000 Anmeldungen. Viele davon sind seiner Einschätzung nach Neukunden: „Wir schätzen, dass es für etwas mehr als die Hälfte der erste Kontakt mit dem Thema kollaborative Robotik war“, sagt er gegenüber PRODUKTION.

Diese Roboter helfen in der Coronakrise

Doch der Einsatz von Robotern ist keine reine Zukunftsmusik. Schon in der momentanen Krise kommen Cobots zum Einsatz – unter anderem in Krankenhäusern, Laboren und Forschungseinrichtungen. Einige Beispiele:

  • Damit Bewohner von Pflegeheimen trotz Besuchsverbot weiter Kontakt zu ihren Familien halten können, gibt es Roboter James. Der Kommunikationsautomat von RobShare, einem Unternehmen der Hahn Group Rheinböllen, besucht die Senioren und schaltet Verwandte per Videokonferenz dazu.

Spaß mit Robotern: Das sind die skurrilsten Anwendungen der Blech-Kollegen

Die Rooftop-Bar des 5-Sterne-Hotels TownHouse Duomo in Mailand beschäftigt einen Roboter als Barkeeper

Roboter sind nicht nur zur Montage von Autos oder für Pick-and-Place-Aufgaben geeignet. Musiker, Gefährte, Doppelgänger - entdecken Sie auf unserem Schwester-Portal 'Kollege Roboter', was Roboter noch so alles drauf haben.

  • Eine Drive-Through-Anlage für Corona-Massentests hat der Industrie-Dienstleister BoKa Automatisierung aus Unterfranken entwickelt. Dabei überreicht ein Roboterarm dem Autofahrer das Teströhrchen. Eine Videoanleitung durch die Probeentnahme. Anschließend wird das Teströhrchen wieder automatisiert zurückgenommen.
  • InSystems Automation hat ein fahrerloses Transportsystem entwickelt, das auch als Assistent für die Auslieferung von Essen und Medikamenten eingesetzt werden kann. Das Fahrzeug kann Behälter oder Tabletts mit einem Gesamtgewicht von 50 Kilogramm aufnehmen. Erprobt wurde der Roboter nach Unternehmensanhaben bereits im „Sidra Medical and Research Center“ in Katar.
  • Ebenfalls in Kliniken soll das roboterbasierte Medizinprodukt „Robot“ Physiotherapeuten bei ihrer Arbeit unterstützen. Entwickelt wurde es vom dänischen Unternehmen Life Science Robotics. Dabei kommt auch ein Leichtbauroboter von Kuka zum Einsatz. Erste Rhea-Roboter sind laut Kuka bereits in Dänemark und Deutschland in Betrieb.
Eine Pflegerin spricht mit einem Patienten, der im Bett liegt. An seinem Fuß arbeitet ein Reha-Roboter.
Die Reha-Roboter von Life Science Robotics mit einem Leichtbauroboter von Kuka sind bereits im Einsatz. - (Bild: Kuka Group)

Vermehrte Nachfrage nach Robotik-Anwendungen

„Von allen Seiten kommen Initiativen und neue Ideen, um Automatisierungstechnik für die Bewältigung der Coronakrise einzusetzen“, sagt Schwarzkopf vom VDMA. „Dabei legen die Unternehmen eine atemberaubende Geschwindigkeit an den Tag: Es weht uns gerade eine kräftige Brise Gründerspirit um die Ohren.“

Aber nicht nur Produkte, sondern auch Anwendungen werden derzeit vermehrt nachgefragt – „also die Kombination aus Roboterarm, entsprechendem Peripheriegerät und Software in einem konkreten Aufgabenkontext“, sagt Schmid von Universal Robots. Auch die digitalen Services von Kuka sind momentan aktueller denn je, erklärt Pressesprecher Meisen. Dazu zählt zum Beispiel die Fernwartung eines Roboters, sodass der Instandhalter nicht vor Ort sein muss.

Coronakrise als Push für Service-Roboter

Das Interesse an Robotik und Automatisierung dürfte nach Corona weiter ansteigen. Die International Federation of Robotics (IFR) ging schon im Herbst 2019 davon aus, dass 2020 zehn Prozent mehr neue Industrieroboter installiert werden als noch 2019. Für 2021 gingen die Experten sogar von einem Wachstum von zwölf Prozent aus.

„Nach der Coronakrise erwarten wir einen ordentlichen Schub für die Robotik und Automation, auch wenn sich die Branche derzeit nicht vom konjunkturellen Abschwung entkoppeln kann“, sagt Schwarzkopf. „Den Service-Robotern - Stichwort: ‚Desinfektionsroboter im Krankenhaus‘ - wird die Coronakrise einen ganz gewaltigen und langfristig wirkenden Push geben.“

Helmut Schmid, der Anzug und Brille trägt.
Helmut Schmid ist Geschäftsführer bei Universal Robots Germany. - (Bild: Universal Robots)

Auch Schmid blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir vermuten, dass das Interesse stark wachsen wird – auch wenn sich das zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nur erahnen lässt“. Der Geschäftsführer von Universal Robots Germany kann sich vorstellen, dass viele Unternehmen nach der Krise über ein Re-Shoring nachdenken, also die Fertigung partiell wieder nach Europa beziehungsweise ins Inland zu verlagern.

„Um trotz der hohen Lohnkosten hierzulande konkurrenzfähige Preise anbieten zu können, werden viele dann wohl über Kostenoptimierung nachdenken – und hier kommt dann die Automatisierung ins Spiel“, so Schmid. Es sei außerdem denkbar, dass kollaborierende Roboter nach der Krise auch jenseits der industriellen Fertigung verstärkt zum Einsatz kommen, zum Beispiel in der Lebensmittelbranche oder im Laborumfeld. Auch Kuka rechnet damit, dass Automatisierung nach der Krise vermehrt in Bereichen zum Einsatz kommen wird, in denen sie vorher kaum eine Rolle gespielt hat.

Roboter säubern auch Flächen, unter anderem in Industrieimmobilien, Krankenhäusern sowie Bahnhöfen und Flughäfen. Lesen Sie auf unserem Schwesterportal INSTANDHALTUNG, was die "automatisierten Gebäudereiniger" schon heute können.

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