Instandhalter mit Datenbrille, Bilfinger

Ein Instandhalter mit Datenbrille: Bei Bilfinger ist die Technik im Einsatz. - (Bild: Bilfinger)

Warum Tablets in der Instandhaltung beliebt sind

Goldbeck setzt für seine Techniker flächendeckend Tablets ein. „Früher, als wir nur Laptops hatten, saßen wir abends im Hotel, um zu dokumentieren“, erinnert sich der Leiter Service-Center des Bauunternehmens Goldbeck, Rainer Dierks.

Goldbeck: Einsatzplanung mit dem Tablet.
Goldbeck: Einsatzplanung mit dem Tablet. - (Bild: Goldbeck)

Die mobilen Devices sind per App mit ihrem CAFM System (Computer Aided Facility Management) vernetzt. Dort führen die Service-Fachkräfte während des Einsatzes in der Industrie Checklisten und speichern Bilder sowie Messwerte. Vorteile sind ein vereinfachtes Datenmanagement und weniger Fehler.

„Die Technik kommt gut an“, bilanziert Dierks. Allerdings hätten manche Kollegen einen berechtigten Widerstand. Regelungstechniker zum Beispiel wollten größere Bildschirme und kompatible Geräte, um Messinstrumente andocken zu können. „Das geht nur mit Laptop“, argumentiert der studierte Facility Manager.

Warum die Entwicklung einen Haken hat

Die Entwicklung bleibe aber positiv: Goldbeck will seine Datenmodelle überarbeiten und Prozesse einheitlich gestalten. Das hingegen hat einen Haken, denn die Digitalisierung fordert strukturierte und vollständige Daten. Dem Datenmanagement schenken Instandhalter allerdings bisher wenig Beachtung.

Einheitliche Checklisten seien zuerst aufwändig, doch langfristig würde die Arbeit in der Industrie leichter und effizienter. „Es ist wie vor zehn Jahren mit Webseiten“, vergleicht Dierks die Zeit, in der Handys Zugang zum Internet fanden und Homepages plötzlich für mobile Geräte gestaltet werden mussten.

Video: Technischer Service bei Goldbeck

Wie das Internet die Vernetzung ausbremst

Neben der Datenqualität ist der lückenhafte Ausbau des Internets ein Hemmschuh für die Digitalisierung. Oft seien weder mobile Daten noch Wlan verfügbar, wenn Ingenieure und Techniker an Anlagen arbeiten. Folglich müssen sie Daten nachträglich digital ins System einfügen und können vor Ort lediglich auf lokales Wissen zugreifen.

Dennoch birgt die Digitalisierung Vorteile in sich. Durch besseres Datenmanagement erhofft sich Dierks präzisere Wartungsprognosen, vereinfachte Koordination und kürzere Routen für die Arbeit in der Praxis.

„Unsere IT vereinbart bereits autonom Wartungstermine“, erklärt Dierks. So schickt etwa eine Wärmepumpe automatisch einen Termin an den passenden Goldbeck-Instandhalter – Internet der Dinge wird an diesen Stellen Wirklichkeit und bedeutet schnelleren und einfacheren Kundenservice.

Aktuell testet Goldbeck wie viel Funktionen auf Handys sinnvoll sind. Gleichzeitig starten die Ostwestfalen dieses Jahr Versuche mit Datenbrillen auf Baustellen und in Werkshallen.

Wie der Fachkräftemangel die Digitalisierung pusht

„Ein treibender Faktor für den Einsatz von virtuellen Assistenten ist der Fachkräftemangel“, erklärt Frank Seeger. Der Ingenieur unterstützt als Technologieberater seit 30 Jahren Firmen bei der Digitalisierung. Durch Technologien wie Augmented Reality können Unternehmen Mitarbeiter effizient ausbilden und umschulen.

„Techniker aus rückläufigen Branchen können schnell auf neue Anlagen eingearbeitet werden“, gibt der Leiter der Goffin Consult in Köln ein Beispiel. Auch könne durch die Digitalisierung im Sinne von Industrie 4.0 weniger gut ausgebildetes Personal schwierige Aufgaben erledigen und Experten sparen Reisezeit, wenn sie Fernwartung nutzen. 

Und weil sich der Fachkräftemangel weiter verschärft, sei es wichtig, Mitarbeitern ein effizientes Arbeitsumfeld zu schaffen. „Wenn die Leute verstehen, dass mobile devices weniger Papierkram bedeuten, ist das Changemanagement schon fast geschafft“, verdeutlicht Seeger.

Warum die Digitalisierung das Azubi-Leben leichter macht

Neben der Produktivität vereinfache die smarte Technik das Lernen. Der Mensch lernt am besten im episodischen Gedächtnis, also dem erlebnisorientierten Erfahren. Dass früher jeder Lehrling an seiner eigenen Maschine üben konnte, war unmöglich. Heute kann jeder Auszubildende gleichzeitig an einer Simulation oder per Augmented Reality Erfahrungen sammeln.

Auch in den neuen Datenmodellen sieht der promovierte Verfahrenstechnikingenieur eine große Chance: „Viele Unternehmen haben keine Vorstellung, welche Chance Künstliche Intelligenz (KI) bietet.“

Es gäbe unzählige Start-ups mit genialen Lösungen, welche nur auf eine passende Anwendung warten. Sobald Daten strukturiert vorhanden seien, könne die KI Prozesse optimieren oder automatisieren - auch bei Wartung und Instandhaltung.

Wie VR- und Datenbrillen eingesetzt werden

3spin ist eines der Unternehmen, bei dem sich alles um Virtual- und Augmented-Reality-Technologie dreht. Die 2008 gegründete Tech-Agentur setzt seit fünf Jahren komplett auf Mixed Reality, in der Simulation und Realität verschmelzen

3spin: Im Raum fixierte Visualisierung.
3spin: Im Raum fixierte Visualisierung. - (Bild: Goldbeck)

25 Mitarbeiter entwickeln eine Software, die gedacht ist für mittelständische Unternehmen, die Datenbrillen und gängige Programme wie CAFM und Clouds einsetzen wollen.

Mitinhaber Thomas Hoger verdeutlicht: „Wir haben festgestellt, dass die Anforderungen oft gleich sind, daher haben wir mit 3spin Dream eine Standardsoftware für Mittelständler entwickelt.“

Während Goldbeck Tablets für Checklisten und Reporting einsetzt, legt 3spin seinen Schwerpunkt auf Training und Wartung, bei denen VR-Brillen praktische Schulungen digital ermöglichen. Mitarbeiter lernen so, Maschinen zu warten, die gefährlich oder nicht verfügbar sind. Im nächsten Trainingsschritt können Monteure diese Information an realen Maschinen einsetzen – mit einer Datenbrille auf der Nase.

Wo die Reise hingeht

„Die Hilfestellungen durch die Brille kann je nach Lernerfolg reduziert werden,“ erklärt Hoger und weist darauf hin, dass sie in der Praxis aufbleiben soll. Einerseits können in der Brille Pläne, Anleitungen oder Schemata gezeigt, anderseits kann vor heißen oder scharfen Teilen gewarnt werden. „Die Technik kann im zwei- und dreidimensionalen Raum sehr genau Objekte erkennen“, verdeutlicht Hoger.

Langfristig müssten Instandhalter defekte Teile nur anschauen, um sie bestellen zu können. „Die Hardware wird immer leistungsfähiger und günstiger“, stellt der Lehrbeauftragte der Hochschule Darmstadt fest. 3spin Dream sei zwar auch auf Tablets und Handys verfügbar, aber nur mit aufgesetzter Brille haben Techniker die Hände frei und können uneingeschränkt arbeiten.

Wie Instandhalter Mehrwert aus Digitalisierung kreieren

Der Industriedienstleister Bilfinger nutzt seit kurzem das 3spin-Know-how für das Projekt 'Industrialtube'. „Unsere Arbeiten sind sehr heterogen“, erklärt Martin Bergmann, warum das Projekt gestartet wurde.

Rund 20.000 Mitarbeiter seien täglich operativ im Einsatz. Zwar seien die Arbeiten nicht so komplex wie in der Produktion, dafür aber vielseitig. Infornationen über einzelne Anlagen und Komponenten seien meist lokal gespeichert und gingen zusammen mit älteren Mitarbeitern in Rente. „Wir haben uns für ein Wissensmanagement mit Videos entschieden“, sagt der Innovations- und Produkt-Manager.

Techniker filmen und kommentieren dabei mit einer eigens von 3spin entwickelten App jeden Arbeitsschritt. Die Software dient zusätzlich als Drehbuch und gibt Handgriffe vor. „Die Hemmung mit der Technik zu sprechen, ist anfangs groß“, weiß Bergmann.

Doch die smarten Resultate überzeugen die Kollegen, weil automatisch geschnittene Videos, in Texte umgewandelte Sprache und selbständig generierte Keywords in der Applikation höchst professionell wirken. Hinzu kommt, dass die künstliche Intelligenz die jeweiligen Texte in verschiedene Sprachen übersetzt. „Damit ist die Sprachbarriere gelöst“, verdeutlicht Bergmann, wie Bilfinger das Kommunikationsproblem im weltweit aktiven Unternehmen angeht.

Video: Video-Assistenz per Datenbrille

Aktuell wird die App nur mit Handys eingesetzt. Die ersten Tests liefen allerdings mit der HoloLens, der von Microsoft entwickelten Datenbrille. Bergmann erinnert sich: „Wenn das Schulungsvideo im Raum fixiert ist, funktioniert es genauso, wie wir uns das erhofft haben.“ Die Software steht mit aktuell 80 Videos bereit. Allerdings sei die Brille noch zu schwer und zu teuer für einen flächendeckenden Einsatz.

Bilfinger hat mit Industrialtube Großes vor. So sollen Externe Zugang zur Plattform erhalten und eigene Videos hochladen können. Wie bei Youtube sollen Zugriffsmöglichkeiten kontrollierbar sein. Ein Anlagenbauer kann seine Anleitungen öffentlich zugänglich bereitstellen und ein Chemiekonzern bei Bedarf firmenintern arbeiten.

Michael Sudahl

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