Die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie steht auf dem Spiel: Chinas Exportpolitik bei kritischen Rohstoffen bringt geplante Aufrüstungsstrategien ins Wanken.
Deutschlands Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen könnte bei der Aufrüstung zum Problem werden.(Bild: andyaziz6 - stock.adobe.com)
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Warum steht Deutschlands Rüstungsindustrie unter Druck?
Die geplante Aufrüstung der deutschen Verteidigungsindustrie könnte an einem kritischen Engpass scheitern: der Versorgung mit strategisch wichtigen Rohstoffen. Die Abhängigkeit von China – besonders bei Materialien, die für Hochleistungsmagnete und Elektromotoren benötigt werden – wird zunehmend zur Achillesferse. Ein kompliziertes und langwieriges Antragsverfahren, das China für den Export solcher Stoffe eingeführt hat, wirkt sich unmittelbar auf internationale Lieferketten aus.
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Die deutsche Rohstoffagentur (DERA) bewertet die Situation als besorgniserregend. Deren Leiter, Peter Buchholz, sieht in den chinesischen Maßnahmen mehr als nur eine administrative Hürde. Es gehe vielmehr um gezielte Eingriffe in internationale Märkte mit potenziell massiven Auswirkungen auf sicherheitsrelevante Industrien. Seine Einschätzung: China verfolgt das Ziel, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geopolitisch Druck auszuüben – insbesondere auf Länder, die in den kommenden Jahren ihre Verteidigungskapazitäten ausbauen wollen.
Welche Rolle spielen kritische Rohstoffe in der Verteidigungsproduktion?
Rohstoffe wie Seltene Erden und daraus gefertigte Magnete gelten als unverzichtbar für den Betrieb moderner Rüstungssysteme. Sie finden Einsatz in den Antrieben von Elektromotoren, in Flugzeugturbinen und zahlreichen weiteren Hochtechnologie-Komponenten. Der Zugang zu diesen Rohstoffen ist damit nicht nur ein wirtschaftliches, sondern zunehmend auch ein sicherheitspolitisches Thema.
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Durch die Exportrestriktionen aus China droht dieser Zugang massiv eingeschränkt zu werden. Und während sich andere Industriezweige teilweise auf alternative Lieferquellen stützen oder Substitutionstechnologien entwickeln können, ist das bei der Verteidigungstechnologie nur sehr begrenzt möglich. Die Folge: Verzögerungen oder sogar Ausfälle beim Hochfahren von Produktionslinien sind laut Buchholz nicht ausgeschlossen.
Wie beurteilt die Rohstoffagentur das Risiko?
Die Einschätzung der Deutschen Rohstoffagentur fällt eindeutig aus: Die Lage sei ernst. Zwar lasse sich aktuell noch nicht genau vorhersagen, wie stark die chinesischen Maßnahmen die deutsche Rüstungsindustrie konkret treffen werden. Dennoch sieht Buchholz klaren Handlungsbedarf. Die Möglichkeit eines drastischen Szenarios – etwa im Falle eines militärischen Konflikts Chinas mit Taiwan – erhöht die Dringlichkeit zusätzlich. In einem solchen Fall könnte es zu einer globalen Sanktionsspirale kommen, bei der Exportverbote weitreichende Folgen für die Rohstoffversorgung hätten.
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Besonders deutlich wird Buchholz in seiner Warnung vor einem zu zögerlichen Umgang mit dieser Bedrohung. Die Unternehmen der deutschen Industrie seien in der Pflicht, sich systematisch auf derartige Szenarien vorzubereiten – und zwar kurzfristig und mit Nachdruck.
Welche geopolitischen Szenarien verschärfen das Problem?
Der Konflikt zwischen China und Taiwan stellt aus Sicht der DERA das gefährlichste Eskalationsszenario dar. Sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen, wären weitreichende Sanktionen und Gegensanktionen die logische Folge. In einem solchen Fall könnte China als Reaktion Exportverbote für kritische Rohstoffe verhängen. Die Auswirkungen auf Deutschland wären unmittelbar spürbar, da aktuell keine ausreichenden Alternativen für viele dieser Materialien bestehen.
Ein solches Szenario hätte das Potenzial, nicht nur einzelne Projekte zu gefährden, sondern ganze strategische Produktionsketten lahmzulegen. Der Appell der Rohstoffagentur richtet sich daher an die deutsche Industrie, rasch und entschlossen Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen.
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Welche Maßnahmen fordert die Rohstoffagentur?
Der Appell von Peter Buchholz ist deutlich: Unternehmen müssen sich „dringend und zwingend“ vorbereiten. Gefordert ist ein strategisches Risikomanagement, das über kurzfristige Lieferverträge hinausgeht. Dazu gehören unter anderem:
Diversifikation von Bezugsquellen
Aufbau strategischer Rohstoffreserven
Entwicklung von Recyclingverfahren für kritische Materialien
Beteiligung an internationalen Rohstoffprojekten außerhalb Chinas
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Diese Maßnahmen sind jedoch nur dann wirksam, wenn sie frühzeitig umgesetzt werden. Die derzeitige Dynamik auf den internationalen Rohstoffmärkten zeigt, dass es nicht mehr um langfristige Absicherungen, sondern um unmittelbare Handlungsfähigkeit geht.
Wo steht Deutschland bei der Versorgungssicherheit?
Deutschland hat mit der Gründung der Deutschen Rohstoffagentur im Jahr 2010 einen ersten strukturellen Schritt in Richtung Rohstoffsicherung gemacht. Als Teil der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe soll die DERA die Bundesregierung und die Wirtschaft bei strategischen Fragen der Rohstoffversorgung unterstützen.
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Allerdings zeigt die aktuelle Lage, dass trotz bestehender Strukturen erheblicher Handlungsbedarf besteht. Die einseitige Abhängigkeit von chinesischen Exporten bleibt bestehen – auch mehr als zehn Jahre nach der Gründung der Agentur. Der Ruf nach einer industriepolitischen Neuausrichtung wird daher lauter.
Strategische Rohstoffe als geopolitisches Druckmittel
Die jüngsten Entwicklungen belegen, wie stark Rohstoffe als machtpolitisches Instrument eingesetzt werden können. Der Versuch Chinas, durch administrative Hürden Exportströme zu kontrollieren, ist dabei nicht neu – gewinnt jedoch im sicherheitspolitischen Kontext der Rüstungsindustrie eine neue Dimension.
Im Fall Deutschlands könnte sich die fehlende Unabhängigkeit schon kurzfristig als strategischer Nachteil erweisen. Die Forderung nach einer eigenständigen europäischen Rohstoffpolitik steht daher verstärkt im Raum.
Mit Material der dpa
FAQ – Die wichtigsten Fragen im Überblick
Welche Rohstoffe sind besonders kritisch für die Rüstungsindustrie? Vor allem Seltene Erden und daraus gefertigte Magnete, die in Antrieben und Turbinen verbaut werden, gelten als unverzichtbar.
Warum ist China so wichtig für die Rohstoffversorgung? China ist weltweit führend bei Abbau und Verarbeitung vieler kritischer Rohstoffe und kontrolliert weite Teile der Lieferketten.
Was bedeutet das für die deutsche Industrie? Lieferengpässe oder Exportstopps aus China können die Aufrüstung und industrielle Produktion massiv verzögern oder stoppen.
Was fordert die Rohstoffagentur? Unternehmen sollen sich durch Diversifikation, Vorratsbildung und technologische Alternativen strategisch absichern.
Welche Rolle spielt ein möglicher Taiwan-Konflikt? Ein militärischer Konflikt um Taiwan könnte zu globalen Sanktionen führen – mit drastischen Folgen für die Rohstoffmärkte.