Die Zeitspanvolumina moderner Bearbeitungszentren sind beeindruckend. Neue Maschinen und Werkzeuge ermöglichen Abtragsraten, die noch vor zehn Jahren unmöglich waren. Aber es geht noch schneller: Brennen von großen Teilen kann die Schruppbearbeitung in manchen Fällen ersetzen und bringt eine Zeitersparnis von bis zu 50 %.
Voraussetzung dafür ist neben den entsprechenden Anlagen zur Bearbeitung von Tafeln und Blöcken mit bis zu 1100 mm Dicke und Stückgewichten von bis zu 55 Tonnen eine ausgeprägte Expertise in der Brenner- und Temperaturführung.
Wann sich das Brennschneiden lohnt
Auf die Idee, das Brennschneiden als Alternative zum Fräsen anzubieten, kam die Firma Jebens in Korntal-Münchingen. „Ich empfehle das Brennschneiden immer dann, wenn sehr viel Material flächig abgetragen werden muss, bevor die eigentlichen Details gefräst werden“, erklärt Geschäftsführer Carsten Schmickler.
Vorteil seines Unternehmens sei, dass Jebens neben dem Brennen auch selbst Fräsmaschinen im Werk habe. „Mit unserem reichhaltigen Erfahrungsschatz können wir sehr schnell beurteilen, ob eine Vorbearbeitung mit dem Brennschneider Sinn macht. Zum Vergleich berechnen wir anhand des Stundensatzes für das Fräsen, wie teuer die komplette Fräsbearbeitung wäre“, so Schmickler.
Ein weiteres Kriterium sei die Losgröße. Die Vorbearbeitung per Brennschneiden mache nur bei kleinen Losgrößen Sinn. Bei größeren Losgrößen könne Guss ökonomischer sein. „In einigen Fällen sind Kosteneinsparungen von bis zu 50 % möglich“, berichtet Schmickler.
Brennschneiden in der Praxis
Ein Beispiel aus der Praxis ist ein Gehäuse für Münzpressen, das Jebens für die Schuler-Gruppe aus Baustahl in der Güte S355J2 mit APZ 3.1 fertigte. In mehreren Ebenen galt es hierbei, aus einer 30 Tonnen schweren Stahltafel 400 x 710 x 840 mm große Werkstücke zu fertigen und dafür große Segmente mit engen Radien abzutragen. Diese Ausklinkungen waren in sehr unterschiedlichen Schnitthöhen, -breiten und - tiefen zu realisieren.
Ganz ohne Fräsen fertigte Jebens nur mit der Flamme die aufwendigen Geometrien exakt nach Kundenvorgabe. „Möglich machten dies das profunde Know-how unserer langjährigen Mitarbeiter und unsere hochmodernen technischen Anlagen“, erklärt Schmickler. So kam für den Dickenabtrag eine Sato-Brennschneidmaschine zum Einsatz, ein Fasroboter übernahm anschließend das Finishing der komplizierten Geometrien auf verschiedenen Ebenen.
Zuvor wurde die exakte Schnittführung anhand von 3D-Modellen simuliert, um zu gewährleisten, dass der Schnitt auch wirklich auf Anhieb präzise passte. Denn bei diesem Verfahren gibt es bei einem versehentlich zu großen Abtrag keinen zweiten Versuch.
Die Möglichkeiten und Potenziale des Brennens sind in den Köpfen von Konstrukteuren noch nicht angekommen. Es ist vielmehr üblich, mit der Zeichnung des Bauteils zu einem Fräsbetrieb zu gehen und diesen zu beauftragen. „Der Fräsbetrieb hat natürlich kein Interesse daran, dass wir ihm achtzig bis neunzig Prozent der Arbeit wegnehmen. Wir dagegen prüfen bei jedem Bauteil, ob eine Vorbearbeitung per Brennschneiden Sinn macht“, so Schmickler. Die Kunden seien angesichts der möglichen Einsparpotenziale meist sehr überrascht.
So funktioniert das Brennen
Beim Brennen werden Sauerstoff und Propan gezündet und dabei entsteht eine etwa 1250 °Celsius heiße Flamme. Große und dicke Teile werden in der Regel mit nur einem Brenner geschnitten. Für kleinere Materialstärken gibt es Brennanlagen, die mit bis zu 8 Brennern parallel schneiden können. Dabei muss das Material zielgenau vortemperiert werden, was mittels Lanzen erfolgt. Ansonsten besteht die Gefahr von Rissbildungen oder Riefen.
Außerdem kann der Brenner dabei nicht direkt aufgesetzt werden, sondern das Material muss mechanisch vorgebohrt werden. Die Vorschubgeschwindigkeit liegt bei einer Materialstärke von 600 bis 700 mm bei 7 bis 8 cm pro Minute. Bei dieser Materialstärke beträgt die Schnittfugenbreite bis zu 25 mm. Es ist viel Erfahrungswissen notwendig, um Fehler beim Brennen zu vermeiden. Sonst kann es passieren, dass beispielsweise die Düse verstopft und es zur Riefenbildung kommt.
Auf das Material kommt es an
Jebens schneidet neben normalen Baustählen auch hochfeste und legierte Stähle. Nicht möglich ist dagegen die Bearbeitung von Edelstahl. Bei legierten Stählen ist der Einsatz allerdings auf Materialstärken von maximal 250 mm beschränkt. „Bei normalen Baustählen haben wir bereits Bauteile mit einer Dicke von bis zu vierhundertfünfzig Millimetern erfolgreich bearbeitet“, berichtet Schmickler.
Die Genauigkeit des Verfahrens hängt in erster Linie von der Dicke sowie der Qualität des Materials ab. Die typische Winkelabweichung beim Brennen liegt zwischen 0,5 und 1 Grad. Bei einem 60 Millimeter dicken Bauteil ergibt dies eine Abweichung von rund einem Millimeter.
Allerdings sind pauschale Aussagen zu den Genauigkeiten schwierig, denn es gibt mehrere Parameter wie Schnittlänge, Material und Schneidwinkel. „Bei Brennlängen von achthundert Millimetern sind wir jedenfalls beim Diagonalschneiden an der Grenze des technisch Machbaren und die Genauigkeit liegt dann im Bereich von mehreren Zentimetern“, so Schmickler. Dies auch, weil die Flamme die Tendenz habe, nach hinten aufzufächern. Vertikal seien sogar Schnitttiefen von 1100 mm möglich. Allerdings muss das Schneidmaterial dann sorgfältig vorbehandelt werden.
Ein Instrument sind dabei Vorbohrungen, damit die Flamme möglichst präzise verläuft und keine großen Riefen entstehen. Besonders zu vermeiden ist natürlich, dass man unter das Nennmaß kommt und das Bauteil dann Ausschuss ist oder große Riefen entstehen. Das Gesamtsystem Düse, Druck und Material muss bei großen Schneidtiefen optimal aufeinander abgestimmt sein.
Verfahren spricht ganz unterschiedliche Kunden an
Derzeit verfügt Jebens über drei Anlagen. Eine ist robotergeführt und hat einen Brenner auf dem Roboterkopf. Die maximale Schnittlänge dieser Anlage liegt bei 400 mm. Es gibt zwei weitere Maschinen, wovon eine für extrem lange Brennlängen von bis zu 800 mm geeignet ist. Bei dieser Anlage wird der Brenner einfach und schnell von Hand justiert. Die andere Maschine verfügt über einen Kopf, bei dem die Gradeinstellung sehr genau justiert werden kann.
„Unsere Zielgruppen sind sehr heterogen. Geeignet ist das Verfahren beispielsweise für große und schwere Teile aus der Minenindustrie. Weitere Beispiele sind spezifische Pressenteile oder Ersatzteile für ein Stahlwerk. Die Zielgruppen sind schwierig zu identifizieren, weil es sich um Sonderteile handelt“, berichtet Schmickler. Seine Vision: „Wir wollen das Brennschneiden als Alternative zum Fräsen fest in den Köpfen von Konstrukteuren verankern. Es handelt sich dabei um eine ausgereifte Technologie mit hohen Potenzialen.“
Brennen statt Fräsen in der Praxis
Walter Kunzig, Gräbener Pressensysteme: „Wir setzen das Brennen bei einem Bauteil für den Rahmen einer Heizkörperpresse ein. Es hat die Dimensionen 340 x 800 x 600 mm und ist in einer Form ausgeführt, die einem H ähnelt. Wir beziehen dieses Bauteil von einem externen Lieferanten. Es wurde früher zunächst grob ausgebrannt und dann überfräst, damit es stimmte.
Unser Zulieferer kam dann mit der Idee auf uns zu, das Bauteil durch Brennschneiden zu bearbeiten. Es zeigte sich, dass durch das Ausbrennen des Teils in zwei Dimensionen im Vergleich zur herkömmlichen Fräsbearbeitung mehrere Stunden Arbeitszeit eingespart werden konnten. Gleichzeitig reduzierten sich die Kosten für das fertige Bauteil um mehrere tausend Euro. Auch die Bearbeitung der oberen Kanten für die beidseitige Anfasung erfolgt per Brennschneiden und wird dann per Fräsen nachbearbeitet. Die Anfasung ist erforderlich, weil dort die Anschweißung an das nächste Hauptblech erfolgt.
Ich empfehle das Brennschneiden als Alternative zum Fräsen immer dann, wenn sehr viel Material in sehr kurzer Zeit abgetragen werden soll und die Nachbearbeitung durch Fräsen möglich ist. Es lassen sich dadurch in manchen Fällen erheblich Zeit und Kosten einsparen. Wir selbst werden das Verfahren nicht einsetzen, da der Schuler Konzern verstärkt auf externe Lieferanten setzt. Wir überlassen es dann unserem Lieferanten, das optimale Herstellungsverfahren für sein Bauteil zu finden. Mein Fazit: Für uns war das Verfahren neu, es hat gut funktioniert und wir konnten sehr viel Zeit und Kosten einsparen“.