BMW-Mitarbeiter sitzt durch Fensterscheibe getrennt am Computer; 5er BMW Messzelle

Die Messtechnik-Ingenieure im sogenannten 0-Werk haben freie Sicht auf die Messzelle. Nach der mehrstündigen Messung sehen sie CAD-Modell und Abweichung übereinander mehrfarbig dargestellt. - (Bild: BMW)

Alles muss perfekt passen - insbesondere beim neuen 5er. Der Münchner Premiumhersteller hat die noch mit Tarnfolie abgeklebte Limousine dazu in eine neuartige Messzelle bugsiert. Bei BMW entspricht die Geometrie eines Fahrzeugs auf 100 Mikrometer genau dem CAD-Modell. "Größere Abweichungen akzeptieren wir nicht", sagt Eduard Obst, Leiter Geometrische Analyse, Messtechnik und Cubing Gesamtfahrzeug, BMW, ein Mann mit leicht bayerischem Akzent, schwarz-roter Brille und dunklem, grau durchzogenem Haar. Er steht am Eingangscounter des BMW Forschungs- und Innovationscenters, um eine kleine Gruppe Fachjournalisten zu empfangen. Sie sollen als erste erfahren, wie BMW Entwicklung und Produktion noch besser aufeinander abstimmt.

5er-Erlkönig in der 3D-Messzelle

Auf dem Weg in das Werk "0" dringt die Gruppe mit Fotografen und Herrn Obst immer tiefer in die verästelte BMW-Welt ein. Aus dem lichten Atrium geht es durch enge Gänge, treppauf und treppab, bis die Schar das Prototypenwerk erreicht. Hinter einem Rolltor mit der Aufschrift 'Prüfcubing' steht sie, die neue 3D-Messzelle.

Zwischen zwei Schienen wartet schon ein Prototyp: Der nagelneue 5er- BMW soll vor den Augen der Journalisten vollautomatisiert vermessen werden. Die Halle ist durch gelb-schwarze Bänder in verschiedene Abschnitte unterteilt. Junge Ingenieure in BMW-blauen Westen stehen vor kompliziert aussehenden Montagevorrichtungen. „Wir befinden uns hier an der Schnittstelle Entwicklung und Industrialisierung“ erläutert Obst, „Montagevorrichtungen sind häufig extrem komplex und teuer. Sie zu vereinfachen und schneller und genauer zu sehen, an welchen Stellen Toleranzüberschreitungen stattfinden, ist nun möglich.“

Genaue Bemessungen durch Roboter

Mit dem automatisierten Erfassen eines Fahrzeugs oder einer Montagevorrichtung kann nun auch die Nacht für Messungen genutzt werden. Hinter der etwa 6 x 8 Meter großen Plexiglaskabine steuern an drei PC-Arbeitsplätzen die Ingenieure ihre Messungen. Die beiden fahrbaren Säulen in der Kabine sind mit jeweils einem Fanuc-Roboter bestückt, an dessen Ende ein breiter Messkopf mit zwei Kameras und einem Projektor montiert ist. Das Messsystem ‚Atos Triple Scan‘ stammt von GOM.

Es geht los – die Roboterarme erwachen und führen ihren Tanz um das gesamte Fahrzeug aus. Blaue Lichtblitze durchzucken den Raum. Die Sensoren in dem Messsystem erfassen alle Referenzpunkte. Das Ganze dauert nur wenige Minuten. Anschließend werden einzelne Flächenfelder von circa 80 x 80 cm aufgenommen und zu einem Scan des Gesamtfahrzeugs zusammengesetzt. Doch das dauert Stunden. Daher wechselt die Gruppe ihre Position und schaut dem Messingenieur über die Schulter. In dem farbigen 3D-Datenmodell der vorangegangenen Messung sehen sie jede Abweichung zu den CAD-Daten. Farblich wird unterschieden, ob Karosserieteile herausspringen oder zurückweichen. Was mit dem bloßen Auge nicht sichtbar war, zeigt das Bild auf dem Monitor gnadenlos.

BMW: 5er-Erlkönig in der 3D-Messzelle

Messzelle kommt später in die Linie

5er-BMW Erlkönig in Messzelle
Der 5er BMW wird in 80 x 80 cm große Flächenabschnitte unterteilt. Kamerasensoren im Blue-Light-Technology-Messsystem ‚Atos Triple Scan‘ liefern genaue Messergebnisse und vollständige Daten. - (Bild: BMW)

Nur wenige Hersteller liefern optische Messsysteme, die den Ansprüchen der Automobilindustrie genügen. Neben GOM gibt es noch die ehemalige Firma Steinbichler, heute Carl Zeiss Optotechnik. Deren Marketingdirektor Hans Weigert kennt die Szene: „Die Premium-Hersteller haben ihre Kunden über die Jahre so weit ‚erzogen‘, dass sie auf Lackqualität, Spalt und Bündigkeit achten und sensibel auf Abweichungen reagieren. In früheren Jahrzehnten waren Abweichungen selbst im Millimeterbereich kein so großes Problem.“ Heute hingegen brauche man eine sehr gute optische Qualitätssicherung, um die gewünschte Qualität in der Serie zu halten. Die bei BMW erreichte Genauigkeit liegt laut Obst bei 100 bis 110 Mikrometern. Das entspricht dem allgemeinen Standard.

Nur wenige Hersteller liefern optische Messsysteme, die den Ansprüchen der Automobilindustrie genügen. Neben GOM gibt es noch die ehemalige Firma Steinbichler, heute Carl Zeiss Optotechnik. Deren Marketingdirektor Hans Weigert kennt die Szene: „Die Premium-Hersteller haben ihre Kunden über die Jahre so weit ‚erzogen‘, dass sie auf Lackqualität, Spalt und Bündigkeit achten und sensibel auf Abweichungen reagieren. In früheren Jahrzehnten waren Abweichungen selbst im Millimeterbereich kein so großes Problem.“ Heute hingegen brauche man eine sehr gute optische Qualitätssicherung, um die gewünschte Qualität in der Serie zu halten. Die bei BMW erreichte Genauigkeit liegt laut Obst bei 100 bis 110 Mikrometern. Das entspricht dem allgemeinen Standard.

Eduard Obst Porträit
(Bild: BMW)

»Das ist die erste Messzelle weltweit, die in der Geschwindigkeit vollautomatisiert ein Gesamtfahrzeug vermessen kann.«

Eduard Obst,

Leiter Geometrische Analyse, Messtechnik und Cubing Gesamtfahrzeug, BMW

„Bei der optischen 3D Vermessung des Gesamtfahrzeugs können derzeit Genauigkeiten von unter 100 Mikrometern erreicht werden. Es entstehen dabei Millionen von Messpunkten. Die gesamte Oberfläche der Karosserie wird mit einem engen Punkteraster überzogen“, so Weigert. Darum dauern diese Messungen mehrere Stunden. Eine genaue Zahl will Obst nicht nennen, nur, dass die Messdauer mit der neuen Anlage um etwa 50 % reduziert werden konnte. Das liegt unter anderem daran, dass in der vorherigen Anlage nur ein Roboter stand und jede Fahrzeugseite mit einem Sensor gesondert erfasst werden musste. „Es ist die erste Messzelle weltweit, die in der Geschwindigkeit vollautomatisiert ein Gesamtfahrzeug vermessen kann“, betont Obst.

Messzelle kommt später in die Linie

Die Technologie an sich ist auch bei BMW nicht neu. "Mit optischen Verfahren hat man in der Praxis vier, fünf Jahre Erfahrung, in manchen Firmen etwas mehr", berichtet Weigert. Vorher wurden zur Geometrievermessung taktile Verfahren genutzt. Sie können laut Weigert zwar genauer als die optischen Technologien messen, sind dafür aber viel langsamer. In der Regel rastern sie das Bauteil nur grob: "Sie können in der gleichen Zeit viel weniger Punkte aufnehmen und der Anwender hat keine Information, was zwischen den Messpunkten alles passiert. Taktil eine Punktedichte abzubilden, würde wahrscheinlich Jahre dauern", so Weigert. Aus diesem Grunde ziehen BMW und deren Wettbewerber optische Verfahren vor. Durch die schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse werden Änderungszyklen kürzer oder entfallen komplett. Darum ist Obst überzeugt: "Die Messzelle kommt später in die Linie."

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