Im Jahr 1910 streckten die ersten Automobilhersteller ihre Fühler nach Mexiko aus. Damals errichteten Daimler und Renault kleinere Fertigungsstätten, die kurz darauf von mexikanischen Revolutionären wieder zerstört wurden.
Zehn Jahre später wagte Buick den Sprung nach Mexiko, gefolgt von Ford. Inzwischen sind Volkswagen, Ford und Toyota seit Jahrzehnten im Land und andere Hersteller drängen nach: Daimler baut mit Renault-Nissan ein Gemeinschaftswerk, Kia, BMW und Audi sind ebenfalls dabei. Viele sprechen von einem Boom des Automobilbaus. Begünstigt wird er von der strategisch günstigen Lage in Richtung der - neben China - interessantesten Absatzmärkte weltweit.
Strategisch günstige Lage
Laut VDA überschritt der US-Markt für Light-Vehicles 2015 die 17-Mio-Marke und wuchs um 5 Prozent – der höchste Wert seit dem Jahr 2000. Zahlreiche Handelsabkommen und Strukturreformen haben Produktion und Absatz für internationale Hersteller vereinfacht.
So gibt es neben NAFTA weitere Verträge mit über 60 Ländern – also einem Großteil der wichtigsten Absatzmärkte. Hinzu kommen niedrige Lohnkosten: "In Mexiko kostet eine Arbeitsstunde zwischen acht und zehn Euro, in den USA 40 Euro und in Deutschland 45 bis 50 Euro", sagt Audi-Chef Stadler. Dass geschäftliche Transaktionen in Dollars abgewickelt werde, komme noch hinzu. Einige Hersteller produzieren bereits seit vielen Jahren im Land. Das hat sich positiv auf Infrastruktur, Qualitätsniveau und die Zuliefersituation ausgewirkt.
Ob in ausreichendem Maße, bezweifelt allerdings Stephan Keese von Roland Berger: "Vielen lokalen Firmen, vor allem Tier-2- und Tier-3-Zulieferern, fehlt die finanzielle Flexibilität, das technologische Know-how und die Produktexpertise, die globale Fahrzeugplattformen erfordern. Ohne Unterstützung werden sie nicht in der Lage sein, einen Gang zuzulegen und die Lücke selbst zu schließen."
Mit einem leistungsstarkem Trainingscenter und JIS-Zulieferpark vor Ort sichert sich daher Audi die Kontrolle über Ausbildungsniveau und Just-in-Sequence-Belieferung.
Der Boom wird sich fortsetzen, ist sich jedenfalls Wirtschaftsminister Guajardo sicher: "2020 werden wir fünf Millionen Fahrzeuge jährlich bauen." Auf die erschreckend Armut seiner Landsleute (~50 % leben unter der Armutsgrenze) hat all dies bislang allerdings noch kaum Einfluss.
Mexiko: Kein einfacher Produktionsstandort
"Durch das nordamerikanische Handelsabkommen ist der Standort Mexiko extrem spannend geworden. Mittlerweile pilgern sehr viele Automobilhersteller dorthin, übrigens auch US-Amerikaner wie Ford. Die Motive sind die deutlich niedrigeren Arbeitskosten und die Nähe zum US-amerikanischen Markt, auf dem die meisten der in Mexiko hergestellten Fahrzeuge abgesetzt werden.
Es ist jedoch nicht ungefährlich, die Wertschöpfung zu großen Anteilen nach Mexiko zu verlagern, die Fahrzeuge aber in den USA zu verkaufen. Das könnte irgendwann politischen Ärger provozieren: Man profitiert vom amerikanischen Markt, möchte sich dort aber nicht mit eigenen Produktionskapazitäten engagieren. Noch ist das für deutsche Hersteller kein Problem, da sie mit eigenen Werken auch in den USA aktiv sind. Die Hersteller sollten sich dennoch gut überlegen, wie intensiv diese Verlagerung längerfristig betrieben wird.
Und es bestehen weitere Risiken: Mexiko gilt als politisch instabil, die Kriminalitätsrate ist hoch, das Bildungsniveau niedrig, die Verkehrssituation schwierig; das sind gerade im Premiumsegment große Herausforderungen.
Für Mexiko hingegen geht es um Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Es handelt sich um hohe Investitionen, die ein langfristiges Engagement versprechen und damit ein gutes Auskommen für viele Mexikaner."
Gastkommentar Prof. Dr. Stefan Bratzel
Exportschlager Duale Ausbildung
Ein Bäcker, der akkurate PVC-Klebepunkte setzt, ein Bauer auf dem Gabelstapler? Die passenden Mitarbeiter für den Bau von Premiumfahrzeugen zu finden, ist nicht einfach, gerade in einem Land, in dem die Analphabetenrate im zweistelligen Bereich liegt, Berufserfahrung und Vorbildung nicht mit hierzulande vergleichbar sind.
Aus diesem Grunde hat Audi in unmittelbarer Nähe des neuen Werks ein 20.000 Quadratmeter großes Trainingscenter errichtet. "Wir testen die Bewerber auf ihre manuellen Fertigkeiten", berichtet eine junge Mitarbeiterin des Trainningscenters. Und die bringen der Bäcker mit der ruhigen Hand und der rangiererfahrene Traktorfahrer eben mit. Fort- und Ausbildungsbetrieb sind bereits in vollem Gange.
Audi México rechnet mit mehr als 1 500 Schulungen jährlich. Pro Jahr werden außerdem 80 Auszubildende ihre duale Ausbildung nach deutschem Vorbild durchlaufen. Fünf Berufe stehen dabei zur Auswahl: Mechatroniker, Kfz‑Mechatroniker, Werkzeugmechaniker, Karosseriebaumechaniker und Fertigungsmechaniker.