Datenmacht mit globaler Sprengkraft

Palantir Technologies – Aufstieg eines Datenriesen

Von den Ursprüngen in der Betrugsprävention bis zur Steuerung von Informationen zu Kriegen und Pandemien – Palantir ist heute Datenlieferant, Machtfaktor und Reizfigur zugleich.

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Der Trend zu künstlicher Intelligenz, Multi‑Domain‑Kriegsführung und datengetriebener Verwaltung spielt Palantir in die Karten. Große Verträge mit der US‑Army und der NATO vergrößern den Einfluss des Unternehmens.
Der Trend zu künstlicher Intelligenz, Multi‑Domain‑Kriegsführung und datengetriebener Verwaltung spielt Palantir in die Karten. Große Verträge mit der US‑Army und der NATO vergrößern den Einfluss des Unternehmens.

Palantir: Von der Paypal‑Idee zu einem sicherheitsrelevanten Software‑Konzern

Palantir Technologies ist eines der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Softwareunternehmen der Gegenwart. Der Konzern wurde 2003 von dem deutsch‑amerikanischen Investor Peter Thiel, dem Philosophen und heutigen CEO Alexander Karp, dem Software‑Entwickler Nathan Gettings, dem Investor Joe Lonsdale und Stephen Cohen gegründet. Die Gründer wollten die Betrugsprävention des Zahlungsdienstes PayPal auf die Bekämpfung von Terrorismus übertragen.

Laut einem Porträt des Portals Built In waren die Terroranschläge vom 11. September 2001 der Auslöser für diese Idee: Palantirs Mitgründer wollten den Staat mit militärischer Datenanalyse unterstützen und zugleich Bürgerrechte schützen. Thiel finanzierte den Aufbau mit eigenem Kapital, doch amerikanische Venture‑Capital‑Firmen wie Sequoia und Kleiner Perkins lehnten das Start‑up zunächst ab; ein Kleiner‑Perkins‑Partner hielt den Gründern sogar eineinhalb Stunden einen Vortrag darüber, warum ihr Unternehmen scheitern werde.

Palantir kam erst durch eine Empfehlung an den Venture‑Arm der CIA, In‑Q‑Tel. Das staatliche Investmentvehikel investierte mehr als zwei Millionen US‑Dollar und lobte das Team als „Top‑Talente“, die daran arbeiteten, wie Menschen mit Daten kommunizieren. Die In‑Q‑Tel‑Finanzierung öffnete Palantir den Zugang zur Sicherheitsbehörde und machte das Start‑up für weitere Investoren sichtbar.

Von Beginn an verfolgten die Gründer eine „intelligence‑augmentation“‑Philosophie: Palantir sollte die Arbeit von Ermittlern verstärken, nicht ersetzen. Das Unternehmen entwickelte seine Software so, dass Daten katalogisiert und mit Zugriffsbeschränkungen versehen werden; nur berechtigte Nutzer können sensible Informationen einsehen, und sämtliche Aktionen werden in einem unveränderbaren Protokoll festgehalten. Dieses „Human‑in‑the‑loop“‑Konzept – Menschen sollen Entscheidungen treffen, aber durch maschinelle Mustererkennung entlastet werden – prägt Palantirs Produkte bis heute.

Frühe Erfolge: Spione, Anschläge und Finanzbetrug

Seine ersten Kunden fand Palantir bei US‑Behörden: Ein Report des Jahres 2011 beschreibt, wie eine schnell wachsende Kundenliste das US‑Verteidigungsministerium, CIA, FBI, Army, Marines, Air Force sowie die Polizeibehörden von New York und Los Angeles umfasste; zugleich setzten Banken die Software zur Betrugserkennung ein. Die Software wurde zum Gegenstück des allwissenden „Palantir‑Steines“ aus Tolkiens Herr der Ringe: Sie verknüpfte Signaldaten, Lageinformationen, Geheimdienstberichte und Finanztransaktionen und machte daraus visualisierte Graphen und Zeitachsen.

Palantir erlangte mediale Aufmerksamkeit durch mehrere spektakuläre Einsätze:

  • Bombennetzwerke und Anschläge: Laut einem Bloomberg‑Businessweek‑Porträt half Palantir, Verdächtige im Mord an einem ICE‑Sonderagenten zu identifizieren und Bombennetzwerke in Syrien, Afghanistan und Pakistan aufzudecken. Ein Angehöriger der US‑Spezialkräfte verglich den Einsatz der Software mit dem „Eintauchen in die Matrix“. In Afghanistan nutzten US‑Truppen Palantir, um Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen vorherzusagen; der damalige CIA‑Direktor David Petraeus bezeichnete die Plattform als „bessere Mausefalle“.

  • Bekämpfung von Kriminalität und Finanzbetrug: Die Software wurde nicht nur im Krieg, sondern auch bei der Strafverfolgung eingesetzt. Sie half Ermittlern, Mitglieder eines mexikanischen Drogenkartells aufzuspüren, das einen US‑Zollbeamten ermordet hatte, und Hacker zu identifizieren, die tibetische Aktivisten ausspionierten. Im zivilen Bereich setzten Banken wie JPMorgan Chase Palantir ein, um Cyberbetrug und Hypothekenbetrug zu erkennen; laut Forbes sparte das Institut „Hundert Millionen Dollar“.

Im April 2010 lobte US‑Vizepräsident Joe Biden öffentlich den Einsatz von Palantir beim Recovery Accountability and Transparency Board zur Bekämpfung von Betrug bei den Konjunkturprogrammen und kündigte an, die Fähigkeiten in weiteren Behörden einzusetzen. Solche Erfolge beschleunigten Palantirs Wachstum; die Unternehmensbewertung stieg bereits 2013 auf fünf bis acht Milliarden Dollar.

Palantir: Produkte und Technologien

Der Hauptsitz von Palantir in Palo Alto, Silicon Valley.
Der Hauptsitz von Palantir in Palo Alto, Silicon Valley.

Palantir entwickelt heute vier zentrale Plattformen:

Gotham – Analyseplattform für Sicherheitsbehörden

Das Kernprodukt Palantir Gotham wird überwiegend von Geheimdiensten, Militär und Strafverfolgern genutzt. Gotham integriert strukturierte und unstrukturierte Daten aus unterschiedlichsten Quellen, darunter Signale, Berichte, Videos und informelle Hinweise und bietet Such‑, Visualisierungs‑ und Ermittlungsfunktionen. Weil das Produkt in hoch regulierten Bereichen eingesetzt wird, implementiert Palantir strenge Zugriffs- und Audit‑Mechanismen: Nutzer sehen nur Daten, für die sie berechtigt sind, und ein Audit‑Protokoll zeichnet jede Aktion auf. In Marketingmaterialien bezeichnet Palantir Gotham das System als „Betriebssystem für globale Entscheidungsfindung“ – der Slogan „Your software is the weapons system“ richtet sich an militärische Anwenderpalantir.com.

Foundry – Ontologie für Unternehmen

Palantir Foundry richtet sich an Unternehmen und Behörden außerhalb des Sicherheitssektors. Die Plattform erschafft eine Ontologie, die Semantik, Prozesse und Datenstrukturen eines Unternehmens abbildet. Dadurch wird es möglich, Datenquellen zu verbinden und Entscheidungen über Abteilungen hinweg zu automatisieren. Die Unternehmens-Website beschreibt Foundry als „Ontologie‑gestützte Betriebsplattform“, die Daten, Analysen und operative Teams in Echtzeit zusammenbringt. Anwender können KI‑gestützte Workflows komponieren und vorhandene Datenmodelle wiederverwenden, ohne Inhalte zu duplizieren. Große Konzerne nutzen die Plattform laut Palantir, um sicherere Autos zu bauen, Lieferketten zu sichern und Krebsforschung zu beschleunigen.

Apollo – Continuous Delivery & Deployment

Mit Palantir Apollo will das Unternehmen die komplexe Softwareverteilung in einer Multi‑Cloud‑Welt vereinfachen. Apollo bietet laut Unternehmensangaben ein intelligentes Plattform‑Management, das Deployment‑Landschaften darstellt, Releases koordiniert, Support leistet und Compliance überwacht. Die Plattform unterstützt Hybrid‑, Multi‑Cloud‑ und Edge‑Umgebungen und automatisiert Updates bis hin zu komplett autonomen Deployments.

MetaConstellation und Maven Smart System – KI aus dem All und der Kriegsführung

Die Plattform MetaConstellation nutzt ein Netzwerk aus hunderten Satelliten, Sensoren und KI‑Modellen. Sie kann laut Palantir Satelliten dynamisch ansteuern, Objekte erkennen und Bewegungen innerhalb von Sekunden geolokalisieren. Edge‑Algorithmen ermöglichen es, Bilder direkt in der Umlaufbahn zu analysieren, was die Zeit bis zur Erkenntnis auf unter eine Sekunde reduziert. Die Technologie wird einigen Quellen zufolge etwa in der Ukraine eingesetzt, wo sie den Streitkräften ein situatives Lagebild liefert und Zielauswahl unterstützt.

Im März 2025 unterzeichnete die NATO einen Vertrag über das Maven Smart System, ein von Palantir entwickeltes KI‑System zur Gefechtsführung. Es verbindet Daten aus verschiedenen Quellen, nutzt große Sprachmodelle und maschinelles Lernen, um Aufklärung, Lageerkennung und Entscheidungsfindung zu beschleunigen. NATO‑Vertreter sprachen von einer der „schnellsten Beschaffungen“ und einem „State‑of‑the‑art‑System“. Die Initiative geht auf das Project Maven des US‑Pentagon zurück; Palantir hatte zuvor einen 480‑Millionen-Dollar‑Auftrag vom US‑Verteidigungsministerium erhalten.

Palantir: Einsatzbereiche und aktuelle Schlagzeilen

USA: Verteidigung, öffentliche Gesundheit und Einwanderung

Palantir ist heute tief im US‑Staatsapparat verankert. Rund die Hälfte des Umsatzes stammt aus Regierungsverträgen: Behörden wie das Verteidigungsministerium, die CIA und das Heimatschutzministerium nutzen die Plattform Gotham, um ausländische Akteure zu überwachen, Terrornetzwerke zu identifizieren und Drohnenoperationen zu planen. Im Inland kommt Palantirs Software zum Einsatz, um Steuerbetrug zu stoppen, die Abschiebung und Ortung von unregistrierten Migranten zu unterstützen und sogar die Verteilung von Impfstoffen zu steuern.

Im Mai 2025 schloss das US‑Heer 75 Einzelverträge in einem Rahmenvertrag über zehn Milliarden Dollar, der Palantirs Rolle als zentraler Softwarelieferant der Army bestätigt. Weitere Auftraggeber sind das Heimatschutzministerium (256,7 Mio. $), das Gesundheitsministerium (385 Mio. $), das Justizministerium (204,5 Mio. $) und das Finanzministerium (140,9 Mio. $). 2025 wuchs der Umsatz aus US‑Regierungsverträgen im zweiten Quartal um 53 Prozent; das Quartalsergebnis überschritt erstmals eine Milliarde Dollar.

Palantir spielte auch während der COVID‑19‑Pandemie eine entscheidende Rolle. Als die Pandemie ausbrach, vertrauten Regierungsbehörden in den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Kolumbien auf Palantirs Software, um Test‑ und Infektionsraten, Krankenhauseinweisungen und Todesfälle zu koordinieren. Nachdem Impfstoffe verfügbar waren, entwickelte Palantir das Programm Tiberius, das Daten zur Herstellung, Lieferkette, staatlichen Planung, Auslieferung und Verabreichung von Impfstoffen integrierte. Dadurch konnten die Behörden wöchentlich den Bedarf jedes Bundesstaats berechnen und Lieferungen bis hin zum Arzt mit Postleitzahl nachverfolgen. Die Plattform wurde in den USA im Rahmen von Operation Warp Speed für die Impfstofflogistik eingesetzt und ermöglichte ein detailliertes Management der Verteilung. In Großbritannien nutzte der NHS Palantirs Foundry, um disparate Gesundheitsdaten zu einer federated data platform zu verknüpfen und die Impfkampagne zu steuern.

Kontroverser ist der Einsatz im Einwanderungsrecht: Seit 2011 beliefert Palantir das Department of Homeland Security und insbesondere Immigration and Customs Enforcement (ICE). 2025 unterzeichnete ICE einen 30‑Millionen‑Dollar‑Vertrag, um mithilfe von Palantir ein Deportations‑ und Haftdatenbank aufzubauen. CEO Alex Karp reagierte auf Kritik mit den Worten, Palantir werde „angegriffen, weil wir dieses Land besser machen“. Gleichzeitig wirft eine Analyse des Business & Human Rights Resource Centre dem Unternehmen vor, mit seinem Deportations‑Tool Menschenrechtsverletzungen zu ermöglichen; Kritiker sehen Massenüberwachung und beschleunigte Abschiebungen als Ergebnis. Demonstrationen vor Palantir‑Büros prangern die Zusammenarbeit mit ICE an; Aktivisten behaupten, die Firma befinde sich „im Bett mit der Trump‑Administration, ICE und der israelischen Armee“.

Palantir im Einsatz in Europa

Hessen, NRW und Bayern

In Deutschland wird Palantirs Plattform HessenData durch die hessische Polizei eingesetzt. Das System verknüpft Polizeidatenbanken, Telekommunikationsüberwachungen und andere Informationen. Der hessische Innenminister Peter Beuth erhielt 2019 den BigBrotherAward in der Kategorie „Behörden & Verwaltung“, weil er Palantirs Analyseplattform beschaffte; die Jury warnte, dass ein „Unternehmen nahe der CIA“ damit Zugang zu sensiblen Polizeinetzen erhalte und Massendaten aus Polizei‑ und externen Quellen automatisch verknüpfen, analysieren und auswerten könnebigbrotherawards.de.

Mit Urteil vom 16. Februar 2023 entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die Regelungen des hessischen und des Hamburger Polizeigesetzes zur automatisierten Datenanalyse verfassungswidrig sind. Die Richter stellten fest, dass 25a HSOG und 49 HmbPolDVG der Polizei ermöglichen, gespeicherte personenbezogene Daten mittels automatisierter Analyse zu verarbeiten, ohne eine ausreichende Eingriffsschwelle vorzusehen, und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen.

Datenschützer kritisieren, dass solche Systeme einen „gläsernen Bürger“ schaffen. Trotz dieser Einwände prüfen Nordrhein‑Westfalen und Bayern weiterhin die Einführung von Palantirs Technologie; bayerische Behörden beziffern die Kosten auf rund zwölf Millionen Euro (Stand 2025).

Vereinigtes Königreich: NHS‑Datenplattform

2023 vergab die britische Regierung einen 330‑Mio.-Auftrag an Palantir, um eine federated data platform für den National Health Service (NHS) aufzubauen. Der British Medical Association (BMA) kritisierte, das Projekt bedrohe das Vertrauen der Öffentlichkeit und verwies auf Palantirs „track record of creating discriminatory policing software“. In einer Anhörung vor dem Unterhaus wies Palantir‑Manager Louis Mosley die Kritik zurück und warf den Ärzten vor, „Ideologie über Patienteninteressen“ zu stellen. Dennoch warnte die BMA, dass der Einsatz einer Firma, die auch militärische Zielsysteme liefert, mit den Werten des Gesundheitswesens unvereinbar sei. Einige Abgeordnete fragten, ob Palantirs Kompetenz, Zielpersonen aus umfangreichen Datenbeständen zu identifizieren, zu militärischen Zwecken missbraucht werden könne.

Palantir in Konfliktzonen: Ukraine und Israel

Palantirs Plattformen kommen in aktuellen Kriegen zum Einsatz. In der Ukraine nutzten Streitkräfte Foundry und MetaConstellation, um russische Angriffe vorherzusagen, Versorgungswege zu koordinieren und Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln. CEO Karp stellte sich klar auf die Seite der Ukraine und sprach bei NATO‑Treffen vom „Bau der technologischen Republik“.

In Israel arbeitet Palantir eng mit den Streitkräften zusammen. Ein Bericht der UN‑Sonderberichterstatterin Francesca Albanese prangerte im Juli 2025 an, dass Firmen wie Palantir vom „Genozid in Gaza“ profitierten und forderte Sanktionen. Palantir bestätigte eine Partnerschaft mit der Israel Defense Forces (IDF) für „kriegsbezogene Missionen“, bestreitet jedoch eine Beteiligung an den automatisierten Targeting‑Programmen Lavender und Gospel. Ein norwegischer Staatsfonds trennte sich 2024 von Palantir‑Aktien, weil die Beteiligung am israelischen Konflikt als Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet wurde. Die Investorinnen warnten, Palantirs Technologie ermögliche „KI‑gestützte Predictive‑Policing‑Systeme“, mit denen Israel Palästinenserinnen überwache.

Kontroversen und Kritik

Umgang mit WikiLeaks und interne Skandale

Im Jahr 2010 geriet Palantir in die Schlagzeilen, weil eine Beratergruppe unter Beteiligung des Unternehmens Pläne schmiedete, WikiLeaks zu diskreditieren. Nach Bekanntwerden entschuldigte sich Palantir und beurlaubte die Verantwortlichen. 2016 zahlte die Firma 1,7 Millionen Dollar, um eine Diskriminierungsklage des US‑Arbeitsministeriums wegen systematischer Benachteiligung asiatischer Bewerber zu beenden. Ebenfalls 2016 enthüllte The Intercept, dass Palantir Zugang zu den vertraulichen Daten des New Orleans Police Department hatte und diese für eine nicht offizielle Predictive‑Policing‑Plattform nutzte.

Datenschutz und Bürgerrechte

Bei Datenschützern löst Palantirs Technologie seit Jahren Alarm aus. Die Electronic Frontier Foundation warnte, das System könne „ein totalitäres Albtraumszenario“ ermöglichen. Laut BigBrotherAward 2022 sei Palantir ein „umstrittenes Unternehmen mit Kunden wie CIA, FBI und NSA“ und gefährde Grundrechte. Das Intelligence Oversight Project und Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass Palantirs Software für Massenüberwachung und Diskriminierung eingesetzt werde.

Der britische NHS‑Skandal zeigt die Spannbreite der Kritik: Ärzte und Datenschützer befürchten, dass eine Firma, die auch Waffensysteme beliefert, Gesundheitsdaten nutzen könnte, um Menschen zu überwachen. In den USA werfen Aktivisten Palantir vor, das Deportationssystem von ICE technisch zu optimieren und so Massenabschiebungen zu erleichtern. Ein Brief von zehn demokratischen Senatoren warnte, ein Palantir‑„Megadatenbank“ für die Trump‑Regierung könne Bundesgesetze verletzen. Palantir wies die Anschuldigung zurück und betonte, man betreibe keine eigenen Datenbanken und treffe keine Entscheidungen über deren Nutzung.

Ideologie und Unternehmenspolitik von Palantir

CEO Alex Karp, der einen Doktor in Sozialphilosophie besitzt, nutzt Palantir als Plattform für eine politische Vision. In dem Buch The Technological Republic propagiert er eine neue Allianz zwischen Staat und Software‑Industrie; westliche Technologieunternehmen müssten den Staat stärken und sich „von der reinen Konsum‑App‑Kultur lösen“. Karp sieht die Fähigkeit, künstliche Intelligenz zu nutzen, als Schlüssel zur Erhaltung der Rechtsordnung und äußert sich regelmäßig zu geopolitischen Themen.

Palantir pflegt enge Beziehungen zur Politik: Das Unternehmen hat seine Lobbying‑Ausgaben seit 2019 vervierfacht und verfügt über Verbindungen zur Trump‑Regierung. 2024 hielt der Vorstand eine Sitzung in Tel Aviv ab, um seine Unterstützung für Israel zu unterstreichen und den „Feinden“ eine klare Botschaft zu senden. Kritiker sehen darin eine Verquickung von Geschäft und ideologischer Agenda.

Besonderheiten des Unternehmens

Palantir hebt sich von anderen Big‑Data‑Firmen durch mehrere Faktoren ab:

  • Mensch‑Maschine‑Teamwork: Die Gründer konzipierten Palantir als „intelligence‑augmentation“‑System. Die Software soll Analysten befähigen, nicht ersetzen, sodass Menschen die letztendliche Entscheidungshoheit behalten. Diese Philosophie spiegelt sich in den Nutzungsregeln wider: ein granularer Rechte‑ und Audit‑Mechanismus stellt sicher, dass nur befugte Personen Daten einsehen dürfen und jede Aktion nachvollziehbar bleibt.

  • Sicherheitsmechanismen: Gotham und Foundry verfügen über komplexe Datenschutz‑ und Berechtigungssysteme. Nutzer können nur Daten abrufen, für die sie autorisiert sind, und ein unveränderliches Protokoll zeichnet sämtliche Zugriffe auf. Dies unterscheidet Palantir von vielen Big‑Data‑Plattformen, die weniger granularen Zugriff bieten.

  • Ontologie‑Ansatz: Foundry ordnet Unternehmensdaten in einer Ontologie an und erlaubt so, Prozesse und Datenflüsse semantisch zu verknüpfen. Dadurch können Organisationen schnell neue Anwendungen entwickeln und bestehende Datenquellen integrieren, ohne sie zu duplizieren.

  • Multi‑Cloud‑Deployment: Apollo vereinfacht die Softwareauslieferung in hybriden, multi‑cloud‑ und edge‑basierten Umgebungen. Dieser „DevOps‑as‑a‑Service“-Ansatz ermöglicht es Palantir, Kunden in unterschiedlichen Infrastrukturen zu bedienen.

  • Breite Branchenpräsenz: Palantir begann als militärischer Datenanalyse‑Dienst, ist aber inzwischen in mehr als 40 Branchen tätig. Laut dem Tech‑Portal Built In nutzen heute auch Gesundheitswesen, Finanzindustrie, Fertigung und Logistik die Technologie. Gleichzeitig bleibt das Unternehmen durch Übernahmen und Investitionen im Bereich Satelliten und KI aggressiv auf Expansionskurs.

Warum Palantir ständig in den Schlagzeilen ist

2025 ist Palantir so präsent wie selten zuvor. Dies liegt an einer Kombination aus rasantem Wachstum, geopolitischer Bedeutung und kritischer Öffentlichkeit:

  1. Milliardenschwere Regierungsaufträge: Mit dem 10‑Milliarden‑Dollar‑Vertrag der US‑Army und dem Maven‑Smart‑System für die NATO wird Palantir zum unverzichtbaren Rüstungs‑ und Softwarelieferanten.

  2. Einsatz im Krieg in Gaza und der Ukraine: Die Partnerschaft mit Israel polarisiert, weil Menschenrechtsgruppen sie als Komplizenschaft bei mutmaßlichen Kriegsverbrechen werten. Gleichzeitig wird Palantir in der Ukraine als lebensrettender Digitalhelfer gefeiert.

  3. Politische Lobbyarbeit und Nähe zu Regierungen: Palantir verfügt über ehemalige Politiker im Aufsichtsrat, investiert stark in Lobbying und pflegt enge Beziehungen zur US‑Republikanischen Partei. Diese Nähe nährt die Debatte, ob das Unternehmen demokratischer Kontrolle entgleitet.

  4. Datenschutz‑ und Ethikdebatten: Fälle wie HessenData, der NHS‑Deal und die ICE‑Deportationssoftware zeigen, dass Palantir zwar effizient ist, aber gleichzeitig Grundrechte berührt. Bürgerrechtsgruppen fürchten ein „Orwell’sches System“.

  5. Ideologische Positionierung: Karp nutzt seine Plattform, um den Schulterschluss zwischen Staat und Technologie zu propagieren. Diese Offenheit löst Bewunderung wie Ablehnung aus.

Palantir? Ein Paradox....

Palantir Technologies ist ein Paradox: Es liefert Werkzeuge, die Ermittler bei der Aufklärung von Terrornetzen, Kriegsverbrechen und Betrug unterstützen, und rettet möglicherweise Leben. Gleichzeitig ermöglicht es staatliche Macht‑ und Überwachungsstrukturen, die demokratische Rechte gefährden können. Die Zukunft des Unternehmens hängt davon ab, ob es gelingt, die Balance zwischen Sicherheitsbedürfnis und Datenschutz zu halten. In einer Welt, in der künstliche Intelligenz über Sieg oder Niederlage in Konflikten entscheidet, bleibt Palantir ein Akteur, der gleichsam Bewunderung und Misstrauen hervorruft.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zu Palantir Technologies

Wer hat Palantir gegründet und was war der Antrieb?

Palantir wurde 2003 von Peter Thiel, Alexander Karp, Nathan Gettings, Joe Lonsdale und Stephen Cohen gegründet. Nach den Anschlägen vom 11. September wollten sie die Betrugspräventionstechniken von PayPal auf die Terrorbekämpfung übertragen. Dabei sollte eine sichere Plattform entstehen, die Geheimdienstdaten zusammenführt und Bürgerrechte schützt.

Welche Kernprodukte bietet Palantir an?

Das Unternehmen verkauft vier Hauptplattformen: Gotham für Geheimdienste, Militär und Polizei; es analysiert heterogene Daten, visualisiert Netzwerke und hilft bei der Spionageabwehr. Foundry richtet sich an Unternehmen und Behörden und verknüpft Datenquellen in einer Ontologie; damit lassen sich Prozesse digital abbilden und automatisieren. Apollo ist eine DevOps‑Plattform für den automatischen Betrieb und die Verteilung von Software über Multi‑Cloud‑ und Edge‑Umgebungen. MetaConstellation steuert Satelliten und Sensoren dynamisch, analysiert Bilddaten in Echtzeit und liefert militärische Lagebilder; auf dieser Basis baut NATO das Maven Smart System auf.

Wie verdient Palantir sein Geld?

Rund die Hälfte des Umsatzes stammt aus Verträgen mit Behörden. Zu den größten Kunden gehören das US‑Verteidigungsministerium, die CIA und das Heimatschutzministerium, die Palantir‑Software für militärische und sicherheitspolitische Zwecke nutzen. 2025 schloss die US‑Army einen Rahmenvertrag über bis zu zehn Milliarden Dollar ab, der Palantirs Stellung als bevorzugter Softwarelieferant festigt. Das Unternehmen expandiert aber auch im zivilen Bereich, etwa in der Gesundheits‑ und Fertigungsbranche. Im zweiten Quartal 2025 überschritt Palantir erstmals die Marke von einer Milliarde Dollar Quartalsumsatz.

Warum ist Palantir umstritten?

Kritiker fürchten, dass Palantirs Software zur Massenüberwachung beiträgt. Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation warnten früh, die Plattform könnte ein „totalitäres Albtraumszenario“ ermöglichen. In Hessen erhielt der Innenminister den BigBrotherAward, weil er Palantirs Analyseplattform beschaffte; das System verbinde massenhaft Polizeidaten und werde von einer Firma mit engen CIA‑Verbindungen betrieben. Ärzteverbände in Großbritannien kritisierten den NHS‑Vertrag, weil eine Firma, die auch Waffensysteme liefert, Zugang zu Gesundheitsdaten erhält. In den USA sorgt der Einsatz bei der Einwanderungsbehörde ICE für Proteste; Mitarbeiter und Senatoren warnen vor Datenbanken, die Deportationen beschleunigen.

In welchen Ländern wird Palantir eingesetzt?

Die USA bleiben der Hauptmarkt. Dort nutzen Sicherheitsbehörden Gotham für Terrorismusbekämpfung und Strafverfolgung, während während der COVID‑19‑Pandemie Palantirs Plattform die Koordination von Tests, Hospitalisierungen und Impfverteilungen unterstützte. In Deutschland setzen Hessen (HessenData), Nordrhein‑Westfalen und Bayern Palantir‑Software ein, allerdings urteilte das Bundesverfassungsgericht Teile der zugrundeliegenden Gesetze zur automatisierten Datenanalyse als verfassungswidrig. Das Vereinigte Königreich beauftragte Palantir mit dem Aufbau einer Datenplattform für den NHS, obwohl Ärzte und Datenschützer Protest einlegten. In der Ukraine und bei der NATO dient Palantir der Lageerkennung und Zielauswahl; Israel nutzt die Software für militärische Missionen, was zu Boykottaufrufen geführt hat.

Wie geht es mit Palantir weiter?

Der Trend zu künstlicher Intelligenz, Multi‑Domain‑Kriegsführung und datengetriebener Verwaltung spielt Palantir in die Karten. Große Verträge mit der US‑Army und der NATO vergrößern den Einfluss des Unternehmens. Gleichzeitig wächst der Druck durch zivilgesellschaftliche Gruppen und Gerichte, die Transparenz und strikte Grenzen fordern. Ob Palantir langfristig akzeptiert wird, hängt davon ab, inwieweit das Unternehmen den Spagat zwischen Sicherheitsnutzen und Grundrechten schafft.

Quellen: builtin.com, forbes.com, longreads.com, britannica.com, aivets.org, bundesverfassungsgericht.de, bigbrotherawards.de, apnews.com, guardian.com, defense.gov, palantir.com, defense.gov, ibanet.org, reuters.com, theguardian.com, wlu-intercept.com